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Willkommen in der Zukunft

Logistik
Willkommen in der Zukunft

Willkommen in der Zukunft
Der CubeXX ist ein intralogistische Transformer, der sich auf Knopfdruck in sechs verschiedene Flurförderer verwandelten kann. Bilder: Still
Intralogistik | Ich bin unterwegs zu einem neuen Standort meines Arbeitgebers, dem Kontraktlogistiker Future Tech. In wenigen Minuten werde ich zum ersten Mal erleben, wie intralogistische Herausforderungen von cyber-physischen Systemen gemeistert werden.

Heiko Görtz Mitarbeiter der Still GmbH, Hamburg

Es ist ein regnerischer Morgen im April 2025. Mein fahrerloses Elektroauto fährt mich nahezu lautlos zur Arbeit. Kaum zu glauben, dass man vor zehn Jahren noch selbst am Steuer sitzen musste, statt die Fahrzeit sinnvoll zu nutzen. Ich höre wie Regentropfen auf die Autoscheiben prasseln und sehe wie sie am Glas hinunterlaufen. Die Informationen neben der Projektion der Straßenkarte im Seitenfenster verraten mir, dass ich noch ungefähr 25 Minuten unterwegs sein werde.
Obwohl ich schon lange in der Logistikbranche arbeite, bin ich doch ein wenig aufgeregt. Das Unternehmen Future Tech, für das ich erst seit einigen Tagen arbeite, hat sich in den vergangenen Jahren zum weltweit führenden Kontraktlogistiker entwickelt. Gleich werde ich zum ersten Mal mit eigenen Augen die Grundlage für diesen Erfolg sehen.
Mein Ziel ist das neue Distributionszentrum von Future Tech. Es liegt in der Nähe von Osnabrück in Niedersachsen, das wegen seiner guten Verkehrsanbindungen ein wichtiger logistischer Knotenpunkt in Europa ist. Wie mittlerweile in 80 Prozent der Distributionszentren von Future Tech wird dort seit kurzem der komplette innerbetriebliche Materialfluss ausschließlich mit einem flexiblen, autonomen und wandelbaren Flurförderzeug gemeistert, dem CubeXX von Still. Mein Job ist es, der Unternehmensführung zu berichten, ob die Umrüstung des Standorts erfolgreich abgeschlossen wurde.
Als der Hamburger Intralogistik-Anbieter Still vor 14 Jahren die erste Konzeptstudie des Fahrzeugs vorstellte, rechnete kaum jemand damit, wie stark der CubeXX die Branche verändern sollte. In wenigen Jahren entwickelte sich das Modell zu einer intralogistischen Symbolfigur der vierten industriellen Revolution. Nach der Dampfmaschine, der Massenproduktion und der Digitalisierung wurden Objekte intelligent und kommunizierten nicht nur untereinander, sondern auch mit Menschen und Softwaresystemen. Es war die Geburtsstunde der so genannten cyber-physischen Systeme.
Obwohl es schon ein paar Jahre her ist, erinnere ich mich noch deutlich an die Logistikmesse Cemat 2014. Still zeigte damals in Hannover den ersten, voll funktionsfähigen Prototypen des Konzeptfahrzeugs. Auf einer Bühne unter dem Expo-Holzdach sah einen intralogistischen Transformer, der sich auf Knopfdruck in sechs verschiedene Flurförderer verwandelte. Das Modell war gleichzeitig Gegengewichtstapler, Horizontalkommissionierer, Hochhubwagen, Doppelstockfahrzeug, Niederhubwagen und Routenzug. Es ließ sich automatisiert einsetzen, konnte aber auch über eine ausfahrbare Fahrerkabine bestiegen und manuell bedient werden. Die Räder ließen sich um 360 Grad drehen. So konnte sich das Fahrzeug vorwärts und seitwärts bewegen oder auf der Stelle rotieren. Alle Funktionen ließen sich intuitiv über einen Tablet-PC steuern. Aber bis zur Serienproduktion des cyber-physischen Flurförderzeugs kamen noch weitere, spannende Features hinzu.
Ich hole den Tablet-PC aus meiner Aktentasche und lege ihn auf den kleinen Tisch zwischen den beiden gegenüberliegenden Sitzbänken im hinteren Bereich des Autos. Nach wenigen Fingertipps erscheint vor mir ein 3D-Hologramm der Lagerwelt des Osnabrücker Distributionszentrums. Ich bin gespannt, ob sich die Realität mit dem dreidimensionalen Konzeptmodell decken wird und das Distributionszentrum damit in die „Flexible Warehousing World“ von Future Tech integriert werden kann. Hinter dem Begriff verbirgt sich eine neue Dimension von flexiblen Lagerprozessen. Und in der Kontraktlogistik dreht sich seit jeher alles um die Flexibilität.
Future Tech setzte mit dem Konzept nicht auf schnelle Erträge, sondern auf eine langfristige Steigerung der Produktivität. Es hat sich ausgezahlt. Heute profitiert das Unternehmen von hohen Reaktionsgeschwindigkeiten, minimalen Fehlerraten, kurzen Leerlaufzeiten und einer hohen Effizienz im Materialfluss: Innerhalb der „Flexible Warehousing World“ lassen sich die Kapazitäten der angebundenen Standorte mit geringem Aufwand und in kurzer Zeit umverteilen, denn der CubeXX und die eingesetzten Regalsysteme lassen sich einfach verladen und transportieren. Zudem sind alle Logistikzentren an standortübergreifende Softwaresysteme angebunden. So können die globalen Lagerwelten von Future Tech jederzeit flexibel an die aktuelle Auftragslage angepasst werden. Die Nachfrage nach bestimmten Produkten ist in Osteuropa momentan besonders hoch, während die Nachfrage in Westeuropa eher rückläufig ist? In diesem Fall wird ein Teil der logistischen Ressourcen einfach temporär von West- nach Osteuropa verlegt.
Vor 12 Jahren stellte das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML unter dem Namen „Hub2Move“ das erste Mal ein Konzept für ein umzugsfähiges Umschlagszentrum vor. Auch die Forscher vom Fraunhofer IML sahen damals in dem Konzeptfahrzeug ein wichtiges Schlüsselelement und entwickelten zusammen mit Still die Idee konsequent weiter. So konstruierten die Ingenieure von Still Sensoren, über die das Fahrzeug seine Umgebung wahrnehmen und selbständig die optimale Route zu einem gewünschten Zielpunkt berechnen konnte.
Die Forscher vom Fraunhofer IML steuerten mit dem „Coaster“ eine alltagstaugliche Schnittstelle für die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine bei. Das neue Smartdevice sah damals aus wie ein bierdeckelgroßer Tablet-PC und daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. Da der Coaster sehr dünn ist, passt er in jede Hosentasche. Und er lässt sich sogar mit Handschuhen bedienen. Die „Flexible Warehousing World“ von Future Tech setzt auf eine Kombination von Coastern und iPads. Während Bereichsleiter das iPad als administrative Schnittstelle zur Fahrzeugflotte nutzen, ist der Coaster das operative Interface und gehört zur Grundausstattung eines jeden Mitarbeiters.
Noch fünf Minuten bis zur Ankunft. Ich schließe das Hologramm, packe meinen Tablet-PC wieder ein und schaue in die Wolken. Ihr Anblick lässt meine Gedanken gleich wieder zur „Flexible Warehousing World“ gleiten, denn dort spielen Wolken eine wichtige Rolle. Future Tech setzt auf zwei standortübergreifende Datenwolken, die von einer übergeordneten Software überwacht und gesteuert werden. Wolke eins umfasst alle Aufträge, Wolke zwei alle verfügbaren Ressourcen in Form von Fahrzeugen, Regalsystemen und Mitarbeitern.
Die übergeordnete Software ordnet Aufträge und Ressourcen einander dynamisch zu und veranlasst bei Bedarf die Ressourcenverlagerung zwischen einzelnen Standorten. Dort erhalten die Lagerarbeiter über den Coaster Informationen zum nächsten Auftrag, der zu erledigenden ist. Gleichzeitig ordert das System die zur Auftragserfüllung nötigen Fahrzeuge, die sich direkt in die passende Funktion transformieren und selbstständig zum Zielort fahren. Muss ein Fahrzeug manuell bedient werden, dann verifiziert der CubeXX den Mitarbeiter über einen RFID-Chip, die im Coaster verbaut ist. Die passenden individuellen Fahrzeugeinstellungen werden automatisch geladen.
Die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine funktioniert dabei in beide Richtungen. Diagnostiziert ein Fahrzeug zum Beispiel einen Defekt, dann informiert es automatisch alle verfügbaren Servicetechniker. Diese bekommen den Hilferuf auf dem Coaster angezeigt und können per Tastendruck bestätigen, wenn sie sich um die Sache kümmern. Danach kann der Techniker selbst zum Fahrzeug gehen. Wenn es der Defekt zulässt kann er aber auch das Fahrzeug zu sich rufen und gleichzeitig die Ersatzteile und die notwendigen Werkzeuge bereitstellen.
Mein autonomes Auto hält an. Zu meiner Rechten erstreckt sich die silberne Fassade des Distributionszentrums. Ich steige aus, atme tief durch, setze meine Datenbrille auf und gehe der Zukunft entgegen. •
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