Startseite » Technik »

Fachforum: Mit AR und VR in die Fertigungswelt von morgen

Fachforum
Mit AR und VR in die Fertigungswelt von morgen

Der Einsatz von Virtual (VR), Augmented (AR) und Mixed Reality verspricht reduzierte Stillstandszeiten und niedrige Wartungskosten. Beim ersten Forum Virtual und Augmented Reality diskutierten Referenten über ihre praktischen Erfahrungen.

❧ Nora Nuissl

‚Ich möchte etwas mit Industrie 4.0 machen.‘ Das wollen heute viele Unternehmen. „Fragt man nach, was sie genau wollen, kommt nur ein Schulterzucken“, erklärte Benjamin Buzga, Business Development Manager Mechatronics CNC Sales bei Mitsubishi Electric Europe, in seinem Vortrag.

Technologien wie Virtual (VR), Augmented (AR) und Mixed Reality (MR) versprechen etwa in Wartung und Instandhaltung enorme Einsparpotenziale: Über Datenbrillen erhalten Servicetechniker nützliche Informationen, mithilfe derer sie Maschinen aus der Ferne reparieren können – zum Bruchteil der Kosten eines Vor-Ort-Einsatzes. „Inhalte in AR darzustellen, ist jedoch ein komplexer Vorgang, der viel Zeit braucht. Unternehmen sollten sich daher gut überlegen, für welche Applikation der Einsatz der neuen Technologien wirklich sinnvoll ist“, gibt Buzga zu bedenken.

VR und AR mit Zukunftspotenzial

Der japanische Hersteller von elektrischen und elektronischen Produkten hat 2017 ein Pilotprojekt gestartet, um zu testen, wie Durchlaufzeiten von Werkzeugmaschinen mit Smart Glasses verbessert werden können. Dafür kommunizieren die Werkzugmaschinen über die Schnittstelle OPC UA direkt mit einem Smart Device. Mitsubishi setzte hierfür Datenbrillen des Modells R7 des heute insolvent gemeldeten Herstellers ODG ein. Die Bilanz aus dem Projekt war eine gemischte, wie Buzga beim ersten Forum ‚Virtual und Augmented Reality‘ der Technology Academy der Deutschen Messe und dem Industrieanzeiger am 2. Juli in Hannover berichtete. Lerneffekte gab es genug: „Service- und Supportfragen über die Datenbrille via Skype zu klären hat viel vereinfacht. Von Vorteil war auch, dass die 3D-Daten direkt in die Test-Maschinen implementiert werden konnten“, sagt Buzga.

Eine Herausforderung war aber unter anderem, schnelle Bewegungen der VR-Objekte hochauflösend darzustellen, erzählt Buzga. Letztendlich wurde das Forschungsprojekt nicht in die Praxis bei Mitsubishi übernommen: „Eine 100-prozentige Akzeptanz ist in der Werkezugmaschinen-Branche unserer Meinung nach momentan noch nicht gegeben. Gründe hierfür sind immer noch nicht vollständig geklärte Security-Fragen und die damit verbundene Speicherung von Kundendaten“, erklärt der studierte Maschinenbauer. Trotzdem ist er überzeugt, dass AR und VR künftig eine wichtige Rolle in der Fabrik von morgen spielen.

„Mixed Reality wird das Smartphone als dominierende Computing-Technologie ablösen“

Michael Zawrel, Senior Product Manager Mixed Reality & Hololens bei Microsoft Deutschland, geht sogar noch einen Schritt weiter: „Mixed Reality wird das Smartphone als dominierende Computing-Technologie ablösen.“ Möglich werden soll das mit der neuen Brillengeneration von Microsoft – der Hololens 2, die der Anbieter 2019 erstmals auf dem Mobile World Congress vorstellte. „Ein MEMS-Laser-Display bietet mit einem 4:3-Größenverhältnis ein größeres Sichtfeld. Außerdem erfasst die MR-Brille nun 25 Punkte pro Hand und ermöglicht so ein natürlicheres Bedienen“, so Zawrel. Eye Tracking erleichtere dem Nutzer das Lesen langer Texte, ohne zu scrollen und ein integrierter biometrischer Scan ist laut Zawrel praktisch, wenn sich mehrere Mitarbeiter die MR-Brille teilen. Die 579 g leichte Datenbrille eignet sich für Fernwartungs-Einsätze oder für 3D-Anwendungen.

Sie ist für rund 3500 US-Dollar vorbestellbar, ein genaues Erscheinungsdatum ist noch nicht bekannt. „Für Unternehmen wird es ein Paket mit dreijähriger Laufzeit geben, das Hardware und die Software-Anwendung Remote Assist für eine monatliche Gebühr von etwa 125 US-Dollar beinhaltet“, kündigt der Experte an.

Mit AR-Brille spart Bosch Rexroth 15.000 Euro jährlich an Einlernkosten für Fachkräfte ein

Inwieweit Assistenzsysteme und AR heute schon gewinnbringend in der Industrie eingesetzt werden können, beleuchtete der Antriebs- und Steuerungstechnikanbieter Bosch Rexroth. „In vielen Köpfen ist noch verhaftet: Nur der physische Knopf ist sicher. In Zukunft muss aber auch der virtuelle Knopf sicher sein“, forderte Dr. Lukas Galla, Lead Engineering bei Bosch Rexroth in seinem Vortrag. In einem Pilotprojekt hat das Unternehmen Saisonarbeiter im Bereich der Trag- und Stützlagermontage sowohl mit der Hololens als auch dem Assistenzsystem Active Assist ausgestattet, um sie beim Einlernen zu unterstützen. Bei der AR-Brille sehen die Mitarbeiter vorab ein Video, danach basieren die Handlungen auf Intuition, berichtete Galla. Etwa 15.000 Euro an Einlernkosten im Jahr konnte der Unternehmensbereich durch den Einsatz der Hololens einsparen.

Zudem rufe die AR-Brille bei Mitarbeitern eine schnellere Lernkurve hervor. Das Unternehmen war nach Abschluss des Forschungsprojekts mit den Ergebnissen so zufrieden, dass es ein Produkt in Form einer AR-Anwendung für die Produktionsplanung entwickelt hat.

„Für einen erfolgreichen Einsatz der Technologie müssen aber die jeweiligen 3D-Modelle vorliegen. Auch das Thema Arbeitsschutz sollte vorab in Absprache mit dem Betriebsrat bedacht werden“, gibt der promovierte Lead-Ingenieur zu bedenken.

„Mitarbeiter merken sich mit AR ungefähr 70 % mehr“

Ebenfalls gute Erfahrungen mit VR im praktischen Einsatz machte der Sensorspezialist Sick. Der Hersteller hat gemeinsam mit dem Partner Realworld One ein Projekt realisiert, bei dem Mitarbeiter via VR Wissen für Wartungsarbeiten zur Emissionsmessung auf Schiffen weltweit vermittelt bekamen. Für die Tests wählte das Unternehmen sowohl Techniker als auch Probanden mit Nicht-Techniker-Erfahrung aus. Konventionelle Präsenzschulungen kosten den Hersteller rund 540.000 Euro, durch den Einsatz von VR verringerten sich die Kosten bei gleichen Rahmenbedingungen auf weniger als die Hälfte, rechnete Marcus Neubronner, Head of Sensor Intelligence Academy Marketing & Sales bei Sick vor.

Dass sich AR-basiertes Training von Mitarbeitern besonders für Fachkräfte in Montage und Instandhaltung lohne, verdeutlichte auch Dr. Björn Schwerdtfeger, CEO von AR-Experts. „Mitarbeiter merken sich mit AR ungefähr 70 % mehr. Außerdem kann ein Trainer bis zu fünf Mal mehr Mitarbeiter gleichzeitig trainieren“, so das Ergebnis langjähriger Studien des Münchener AR-Trainingsspezialisten.

Plattform Across als Orientierung für KMU in der Industrie

Die Fraunhofer-Institute für Entwurfstechnik Mechatronik IEM und der Institutsteil für industrielle Automation IOSB-INA haben in Forschungen Herausforderungen und Perspektiven von AR- und VR-Technologien in der industriellen Praxis beleuchtet. Das Ergebnis ist die Plattform Across, die gerade kleinere und mittlere Unternehmen unterstützen soll, einfach Augmented- und Virtual-Reality-Lösungen zu erstellen.

Die Plattform soll in Kürze einsatzbereit sein, wie Daniel Eckertz, Gruppenleiter Augmented und Virtual Reality am Fraunhofer IEM und Prof. Carsten Röcker vom Fraunhofer IOSB-INA beim Forum verkündeten.


Glossar

  • Virtual Reality (VR) beschreibt die virtuelle Realität. Hier taucht der Nutzer vollständig in die computergenerierte, interaktive Realität ein und erlebt eine immersive Erfahrung – abgekapselt von der physischen Realität.
  • Unter Augmented Reality (AR) versteht man die erweiterte Realität. Die physische Wirklichkeit wird dabei um computergestützte, digitale Inhalte ergänzt. Zum Beispiel können Bilder oder Videos mit computergenerierten Zusatzinformationen oder virtuellen Objekten mittels Einblendung oder Überlagerung angereichert werden.
  • Mixed Reality ist die Mischung aus beiden Welten, die vermischte Realität. Darunter werden Umgebungen oder Systeme zusammengefasst, die die natürliche Wahrnehmung eines Nutzers mit einer künstlichen (Computererzeugten) Wahrnehmung vermischen.

Mehr Informationen zu diesem und weiteren Events der Technology Academy und des Industrieanzeigers erhalten Sie unter: www.technology-academy.group und www.industrieanzeiger.de; Stichwort: Veranstaltungen

Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Tipps der Redaktion

Unsere Technik-Empfehlungen für Sie

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de