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Elektromobilproduktiontag: Plattformkonzepte zahlen sich aus

6. Aachener Elektromobilproduktionstag
Plattformkonzepte zahlen sich aus

Die Automobil- und Zulieferindustrie kann heute bereits an der gesamten Wertschöpfungskette der E-Mobilproduktion partizipieren. Forscher des WZL geben dazu Einblicke in Nachhaltigkeitsstrategien anhand eines flexiblen Batteriebaukastens samt Vorrichtungstechnik.

Prof. Dr.-Ing. Achim Kampker,
Dr.-Ing. Heiner Heimes, Ahmad Mohsseni, Kolja Lichtenthäler
PEM der RWTH Aachen

Erste Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge in deutschen Städten unterstreichen die Notwendigkeit nach alternativen Mobilitätskonzepten. Die Substitution des konventionellen durch den elektrifizierten Antriebsstrang ist in diesem Kontext eine praktikable Lösung. Insbesondere die Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen im regionalen Verteilerverkehr erweist sich als Stellhebel, die anteiligen CO2- und NOx-Emissionen zu senken. Erste Erfolge von Flottenanwendungen mit elektrifizierten Lieferfahrzeugen bis 3,5 t verdeutlichen das vorhandene Potenzial. Laut Prognosen soll der Waren- und Güterverkehr auf deutschen Straßen bis 2030 um 1,1 % pro Jahr zunehmen.

Im Bereich der Nutzfahrzeuge ab 7,5 t gibt es derzeit nur wenige industrialisierte Lösungen mit reinem elektrischem Antrieb. Wesentlich Gründe hierfür sind:

  • Fehlende wirtschaftliche und anforderungsgerechte Konzepte für hochintegrierte elektrische Antriebsmaschinen im Nutzfahrzeugsegment
  • Fehlende Adaptierbarkeit von bestehenden Batteriesystemen hinsichtlich der spezifischen Anwendungsfälle und unzureichende Integrierbarkeit der Systeme in vorhandene Fahrzeugstrukturen
  • Fehlende Konzepte für einen an den elektrifizierten Antriebsstrang angepassten Fahrzeugaufbau und fehlende Konzepte für die wirtschaftliche Produktion der Fahrzeugkarosserie

Gemessen an der Gesamtwertschöpfung nimmt der elektrische Antrieb ohne Batteriesystem im Vergleich zu konventionellen Antrieben einen geringeren Anteil ein. Dies liegt daran, dass Systemlösungen wie die elektrische Achse aufgrund der hohen Funktionsintegration aus weniger Einzelkomponenten und Aggregaten als Systeme mit Verbrennungsmotor bestehen. Demgegenüber erhöht sich der Wertschöpfungsanteil des Energiespeichers deutlich. Das Batteriesystem verantwortet rund 40 bis 50 % der Gesamtfahrzeugkosten. Maßgeblich wird das produktseitig durch die Zellkosten und prozessseitig durch die Kosten für die Modul- und Packmontage verursacht. Zudem bestimmt das Batteriesystem die Adaptierbarkeit von kundenindividuellen Anforderungen wie die Reichweite und wirkt sich unmittelbar auf die Gesamtkosten aus.

Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs wirkt sich bei Betrachtung des Fahrzeugaufbaus am stärksten auf die Karosserie aus und muss den Anforderungen an Adaptierbarkeit und Integration des Batteriesystems gerecht werden. Aufgrund der hohen Investitionskosten für Presswerk und Rohbau ist der Anteil an Zuliefern im Karosseriebau mit rund 5 % sehr gering, sodass ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung bei den Herstellern auf den Karosseriebau entfällt.

Für eine ganzheitliche Lösung der dargestellten Herausforderungen muss der Fokus für das Batteriesystem und die Fahrzeugkarosserie auf eine Plattformstrategie gelegt werden. Im Folgenden werden produkt- und prozessseitige Lösungen für Batteriesysteme und Karosseriebaukonzepte dargelegt.

Um Plattformkonzepte für das Batteriesystem zu erfüllen, ist ein flexibler, modularer und skalierbarer Batteriebaukasten erforderlich. Dieser soll sowohl in der Lage sein, unterschiedliche Anforderungen diverser Antriebsstrangtopologien zu erfüllen als auch zur Reduktion von Kosten im gesamten Produktlebenszyklus beizusteuern. Durch flexible Verschaltungskonzepte auf Zell- und Modulebene können unterschiedliche Spannungen und Kapazitäten für den spezifischen Anwendungsfall bereitgestellt werden.

Auf Systemebene wird die Skalierbarkeit durch Modul-Packaging sichergestellt. Dabei werden mehrere Batteriemodule mit den erforderlichen Peripherie-Komponenten zu einem Pack zusammengebaut und in das Fahrzeug integriert. Das Batteriesystem besteht demnach aus mehreren Modul-Packages. Jedes Fahrzeug auf der Plattform kann mit der erforderlichen Anzahl an Modul-Packages skalierbar ausgestattet werden. Zur Reduzierung der Lebenszykluskosten muss das Batteriesystem ausreichend wirtschaftlich demontierbar sein. Reparatur und Service, mögliche Aufbereitungsprozesse wie das Repurposing für eine mögliche Second-Life-Anwendung und das Recycling erfordern prozessgerechte Demontagekonzepte.

Aktuell sind Batteriesysteme aufgrund des Schweißprozesses der Zellkontaktierung nur bis auf Batteriemodule zerstörungsfrei demontierbar. Ein neu entwickeltes Zellkontaktierungssystem erlaubt es, Batteriesysteme bis auf Zellebene zerstörungsfrei zu demontieren und wieder zu montieren. Beim Ausfall einer Batteriezelle im Modul kann die Zelle anstatt das Modul ausgetauscht werden. Dadurch lassen sich wesentliche Kostensenkungspotenziale entlang des Lebenszyklus nutzen.

Die für das Plattformkonzept erforderliche Flexibilisierung des Karosseriebaus geht bei der derzeitigen starren, hocheffizienten Linienfertigung aufgrund der spezifischen Vorrichtungen mit exponentiell steigenden Investitionskosten einher. Das Ziel ist es daher, variantenspezifische Investitionskosten zu senken, indem Vorrichtungskosten durch neuartige Produkt- und Prozesskonzepte reduziert werden.

Die Integration von Steckverbindungen in die zu fügenden Bauteile stellt eine Möglichkeit dar, Vorrichtungen zu reduzieren. Die in die Bauteile integrierten Steckverbindungen übernehmen die Funktionen des Positionierens und Spannens der Bauteile und erlauben durch den Wegfall von Vorrichtungen eine wirtschaftliche Flexibilisierung des Karosseriebaus. Die beim vorrichtungslosen Fügen verbleibenden, notwendigen Aufnahme- und Spannvorrichtungen lassen sich durch den Einsatz von additiv gefertigten Vorrichtungskomponenten weitestgehend flexibilisieren.

Modularer Batteriebaukasten

Sowohl im Fertigungsprozess als auch bei der konstruktiven Gestaltung weisen die additiv gefertigten Vorrichtungskomponenten einige Vorteile gegenüber konventionellen, in der Regel mit spanenden Fertigungsverfahren hergestellten Vorrichtungskomponenten auf. Die Flexibilität der additiv gefertigten Hybridvorrichtungen beruht prozessseitig auf der Kosten- und Zeitersparnis bei der Herstellung der Komponenten und produktseitig auf der höheren Funktionsintegration, die durch die größere geometrische Gestaltungsfreiheit ermöglicht wird. Die bauteilintegrierten Vorrichtungsfunktionen und die additiv gefertigten Hybridvorrichtungen ermöglichen einen flexibilisierten Karosseriebau für die wirtschaftliche Produktion elektrischer Nutzfahrzeuge.

Wer mehr über über innovative Lösungsansätze für die Elektromobilproduktion erfahren möchte, kann den Lehrstuhl Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen auf dem 6. Elektromobilproduktionstag am 17. Oktober 2018 in Aachen kennenlernen.

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