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Schafft Photovoltaik die Energiewende?

Agro-Photovoltaik: Effizienz der Nutzfläche steigt um 60 %
Schafft Photovoltaik die Energiewende?

Bedenkenswerte Zahlen gab das Fraunhofer ISE kürzlich heraus: An einem Tag im Mai kamen 50 % der deutschen Stromerzeugung aus Photovoltaik. Deren Anteil steigt stetig. Gleichzeitig exportiert das ISE die Technologie effizienzsteigernd in die Landwirtschaft – weltweit.

Der genannte Spitzenwert ist eine Momentaufnahme, die insgesamt steigenden Zahlen sind es keineswegs. Sie lassen erahnen, dass eine Energiewende mit regenerativen Quellen weltweit in Schwung kommen könnte, zumal die Ausbeute in vielen Gegenden größer sein dürfte als in Deutschland. Agro-Projekte zeigen darüber hinaus, dass Photovoltaik die Landwirtschaft nicht verdrängen muss. Sie kann ihr sogar helfen.

Zunächst zu den Zahlen, die Wissenschaftler des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) am 2. Juli bekannt gaben. Sie basieren auf Daten des Statistischen Bundesamtes, der Leipziger Strombörse und der vier deutschen Übertragungsnetzwerkbetreiber (50 Hertz, Amprion, Tennet, TransnetBW), die dafür ausgewertet und teilweise auch hochgerechnet wurden: Alle erneuerbaren Energiequellen zusammengenommen – Solar, Wind, Wasser und Biomasse – erzeugten im ersten Halbjahr 2018 in Deutschland rund 113 TWh Strom und liegen damit um 8,6 % über dem Niveau des Vorjahres (104 TWh). Erstmals erreichen sie einen Anteil von 41,5 % an der öffentlichen Nettostromerzeugung – also dem Strommix, der aus der Steckdose kommt.

Photovoltaik-Anlagen speisten in diesem Zeitraum rund 22,3 TWh in das öffentliche Netz ein. Die Produktion hat sich somit um 12,2 % erhöht. Die maximale Solarleistung betrug rund 31 GW am sechsten Mai um 13 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt kamen 50 % der gesamten Stromerzeugung aus Photovoltaik.

Kurioserweise entsprechen die 22,3 TWh Strom aus der Photovoltaik ungefähr dem deutschen Exportüberschuss im ersten Halbjahr (22 TWh). Zwar machen sie nur ein Fünftel des eingespeisten Stroms aller regenerativen Quellen aus. Doch werden Photovoltaik-Anlagen inzwischen in der Regel installiert, um den Eigenbedarf zu decken. Nur der Überschuss wird eingespeist.

Landwirtschaft: Photovoltaik contra Dürre

In diese Richtung weisen auch die Projekte zur „Agro-Photovoltaik“ (APV), über die das Fraunhofer ISE im Juni berichtete. Sie verbinden die Solarstrom- mit der landwirtschaftlichen Produktion auf der gleichen Fläche. Treffen sie auf fruchtbaren Boden, könnten sie für große Effekte insbesondere in heißen Ländern sorgen. Ein Beispiel dafür, dass in dezentral installierten PV-Anlagen noch einiges Potenzial liegen könnte.

Die APV hat sich bereits in Pilotprojekten in mehreren europäischen Ländern bewährt. So hat das ISE an einer 194 kWp großen Forschungsanlage am Bodensee in Kooperation mit der „Innovationsgruppe APV-Resola“ nachgewiesen, dass APV die Landnutzungseffizienz um 60 % steigert. „Im nächsten Schritt geht es darum, den Proof of Concept der APV-Systemtechnik in Entwicklungs- und Schwellenländern zu etablieren, wo sie ihre Stärken aufgrund der höheren Solareinstrahlung noch besser ausspielen kann. Hier liegt enormes Potenzial“, erklärt Stephan Schindele, Projektleiter APV am Fraunhofer ISE.

Ein Pilotprojekt mit Fraunhofer Chile, das im Frühjahr abgeschlossen wurde, testete drei APV-Anlagen mit einer Leistung von je 13 kW in den Gemeinden El Monte, Curacaví und Lampa. In dem von der Metropolregion Santiago de Chile unterstützten Projekt wurde untersucht, welche Kulturpflanzen von einer weniger starken Sonneneinstrahlung profitieren. Die landwirtschaftlichen Betriebe wiesen dabei sehr unterschiedliche Profile auf: Im ersten Fall kam die APV-Anlage in einem Betrieb zum Einsatz, der sehr professionell Brokkoli und Blumenkohl anbaut. Der Solarstrom wird in den Veredelungsprozessen wie Reinigung, Verpackung und Kühlung verwendet. Die zweite Pilotanlage wurde in einem Familienbetrieb errichtet, der darunter Kräuter anpflanzt. Im dritten Fall, in einer abgelegenen Region mit schwach entwickelter Infrastruktur und unzuverlässiger Stromversorgung, stellt die APV-Anlage die Stromversorgung für sieben Familien sicher, unter anderem für einen Inkubator zum Ausbrüten von Hühnereiern.

Die drei APV-Anlagen werden durch Fraunhofer Chile wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse der landwirtschaftlichen Produktion und der Solarstromerzeugung sind sehr positiv, sodass der APV-Forschungsschwerpunkt mit Unterstützung der dortigen Regierung weiter ausgebaut werden soll.

Die drei Pilotanlagen werden weitere drei Jahre lang im Feldbetrieb überwacht. Eine Langzeitplanung in Abstimmung mit den Farmern sieht den Test von verschiedenen Kulturpflanzen vor. „Während zu Beginn ein Technologie- und Wissenstransfer von Deutschland nach Chile stattfand, findet zwischenzeitlich der Austausch auf Augenhöhe statt“, so Schindele.

Das Potenzial der Agro-Photovoltaik für die ariden und semi-ariden Regionen von Nord- und Zentralchile, die vom Klimawandel besonders stark betroffen sind, wird als sehr groß eingeschätzt. Durch die partielle Verschattung von Ackerflächen senken APV-Anlagen nachweislich den Bedarf an der wertvollen Ressource Wasser und bieten Schatten für Nutztiere. Auch Fruchtarten, die aufgrund des trockenheißen Klimas und der starken Sonneneinstrahlung nicht wachsen würden, können in einem APV-System kultiviert werden.

Im subsaharischen Afrika haben etwa 92 % der Landbevölkerung keinen Zugang zu Strom. Durch die APV ergeben sich für die Landwirte eine Reihe neuer Einkommensquellen, gleichzeitig sinkt die Abhängigkeit der Landbevölkerung von fossilen Energieträgern wie Diesel für Generatoren.

Auch für das vietnamesische Mekong-Delta, wo sich ein Landnutzungskonflikt zwischen Aquakulturen und erneuerbaren Energien abzeichnet, könnte APV hilfreich sein. Eine erste Vormachbarkeitsstudie zur Kombination von Shrimpsfarmen mit Photovoltaik hat das Fraunhofer ISE mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Vietnam erstellt. „Um einen Beitrag zur ressourceneffizienten Landnutzung und zur Regeneration ausgetrockneter Böden zu leisten, engagieren wir uns für weitere APV-Demonstrationsanlagen in Entwicklungs- und Schwellenländern“, erklärt Schindele. (os)

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