Startseite » Technik »

Sekunden können Leben retten

Brandsicherheit von Kabeln
Sekunden können Leben retten

Investoren und der Gesetzgeber verlangen immer höhere Brandsicherheit in Gebäuden, in Produktionsanlagen oder in Fahrzeugen. Auch Kabel sind davon betroffen. Sie dürfen bei einem Feuer keine giftigen Stoffe abgeben und die Flamme nicht weiterleiten.

Viele erinnern sich bestimmt noch an die tragischen Brände in der Londoner U-Bahn, im Flughafen Düsseldorf, im Tunnel unter dem Ärmelkanal oder im Mont Blanc-Tunnel. Diese Brände haben zahlreiche Menschenleben gefordert und Milliardenschäden verursacht. Doch es sind nicht immer nur diese großen Katastrophen, die Opfer fordern. Jedes Jahr kommen in Deutschland rund 400 Menschen bei Feuern ums Leben.
Dass diese Zahl in den letzten zehn Jahren langsam gesunken ist, ist zum einen der Verbreitung von Rauchmeldern zu verdanken. Außerdem schreiben Investoren das Thema Brandschutz groß, wenn sie Gebäude errichten oder Produktionsanlagen kaufen, nicht zuletzt aufgrund gesetzlicher Vorgaben. Wichtig ist dabei die sorgfältige Auswahl der verbauten Materialien. Damit sind auch Kabel und Leitungen in den Fokusgerückt. Heute gibt es Kabel, die im Brandfall eine geringe Rauchgasdichte haben, weniger (sichtbare oder unsichtbare) giftige Gase produzieren und die Flamme nicht wie eine Zündschnur fortleiten. Sie werden heutzutage unter dem Begriff Brandschutzkabel zusammengefasst. Im Brandfall verbessern sie die Überlebenschancen der Menschen und verringern die Gesundheitsrisiken beim Einatmen der Rauchgase. Die geringere Rauchentwicklung ermöglicht es flüchtenden Menschen, länger die Rettungswege zu erkennen und so unversehrt ins Freie zu gelangen. Auch für die Feuerwehren reduzieren diese Kabel die Gefahren, da sich die Retter nicht mehr durch dichte Rauchschwaden kämpfen müssen.
Giftcocktail in der Luft
Die häufigste Todesursache bei Brandkatastrophen ist das Ersticken oder Vergiften durch die Verbrennungsgase, die vom Feuer erzeugt werden. Dabei entstehen Kohlendioxid (CO2) und Kohlenmonoxid (CO), in geschlossenen Räumen schwindet der lebenswichtige Luftsauerstoff. Zudem belasten toxische und dioxinhaltige Verbrennungsrückstände, kontaminiertes Löschwasser, korrosive und giftige Rauchgasrückstände die Umgebung. Diese Schäden können nur mit großem Kostenaufwand und selbst dann nur eingeschränkt umwelt-verträglich beseitigt werden. Die jährliche Schadenssumme durch Feuer beträgt in Deutschland rund 1 Mrd. Euro, wobei fast 50 % auf die Sekundärschäden entfallen.
Ein weiteres Problem ist die Brandfortleitung über die in den Gebäuden installierten Kabelwege. Bei unzureichender Brandschottung kann sich das Feuer schnell ausbreiten. Eine Studie der Universität Lund zeigt, dass das Zeitfenster, in dem eine sichere Flucht der Menschen möglich ist, teilweise nur bei rund einer Minute liegt.
Halogenfrei und schwer entflammbar
Um diese Gefährdungen und Schäden einzudämmen, hat die Kabelindustrie schwer entflammbare, halogenfreie Kabel und Leitungen entwickelt, die erhöhten Sicherheitsanforderungen gerecht werden. Halogenfrei bedeutet, dass diese Leitungen vollkommen frei von den reaktionsfreudigen Elementen Brom, Jod, Fluor und Chlor sind.
Das hat viele Vorteile:
Es werden keine korrosiven Gase freigesetzt. Augen und Atemwege werden deutlich weniger gereizt. Es entstehen auch keine aggressiven chemischen Verbindungen mit dem Löschwasser. Damit kommt es am Gebäude und an den elektrischen Einrichtungen nicht zu großen Folgeschäden durch Korrosion.
Der Anteil toxischer Gase ist gering. Aus brennenden Kabeln gasen keine Dioxine mehr aus.
Halogenfreie Kabel mit verbessertem Verhalten im Brandfall sind schwer entflammbar und besitzen eine geringe Brandfortleitung. Der gefürchtete Zündschnureffekt tritt nicht auf, es erfolgt keine Ausweitung des Brandherdes über die Brandstelle hinaus.
Halogenfreie Leitungen sind im Brandfall raucharm. Fluchtwege und Löschwege der Feuerwehr werden kaum durch dichten Qualm behindert.
Gleich mehrere solcher Kabeltypen hat die Lapp Gruppe im Angebot, darunter die Etherline Heat 6722, die der Stuttgarter Kabel-Spezialist eigens für die Verkabelung in Bussen entwickelt hat, wo sich viele Fahrgäste auf engem Raum aufhalten. Oder die Etherline Fire Cat.5e PH120, ein flexibles industrietaugliches Datenkabel für die feste Verlegung in Gebäuden. Es garantiert einen rekordverdächtigen Isolationserhalt bei Brandeinwirkung für mindestens 120 min und ist das einzige Kabel auf dem Markt, das mindestens zwei Stunden im Feuer aushält, und dabei immer noch Daten überträgt.
Neue Anforderungen an Kabel
Das europäische Parlament und der Europarat haben erkannt, dass der Schutz der Menschen und Gebäude im Brandfall ein vordringliches Ziel ist und haben neben anderen Bauprodukten auch Strom-, Steuer- und Kommunikationskabel als Bauprodukte klassifiziert und in der Bauprodukte-Verordnung (EU) Nr. 305/2011 verbindlich geregelt.
Die Bauprodukteverordnung trat am 1. Juli 2013 für alle Mitgliedsstaaten in Kraft. Kabel und Leitungen werden in dieser Verordnung brandschutztechnisch klassifiziert und entsprechend ihres Brandverhaltens den Euroklassen A bis F zugeordnet. Berücksichtigt sind auch die Wärmefreisetzung und Flammenausbreitung. Für Rauchentwicklung, Azidität und brennendes Abtropfen gibt es jeweils drei zusätzliche Klassen.
Die Einordnung in diese Klassen erfolgt nach definierten Prüfnormen. Die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Kabel und Leitungen in Bezug auf das Brandverhalten sowie die entsprechenden Prüf- und Bewertungsverfahren sind in der harmonisierten Norm „EN 50575 Starkstromkabel und -leitungen, Steuer und Kommunikationskabel – Kabel und Leitungen für allgemeine Anwendungen in Bauwerken in Bezug auf die Anforderungen an das Brandverhalten“ festgelegt. Von einer notifizierten Stelle wird eine Konformitätsbewertung durchgeführt und eine Leistungsbeständigkeitsbescheinigung ausgestellt. Das Brand-sicherheitsniveau der Kabel ist dabei abhängig vom Gebäudetyp. Die Hersteller müssen eine Leistungserklärung zu jedem Produkt abgeben, die Bestandteil der EU-Konformitätserklärung ist und aus der die Zuordnung für den Brandschutz des Bauwerks erkennbar wird (mehr dazu im Infokasten).
Werner Körner, Leiter Engineering und Development, Thomas Plewnia, Produktmanager, beide bei der U.I. Lapp GmbH, Stuttgart

Neue Norm in Kraft getreten
Der Zentralverband der deutschen Elektroindustrie (ZVEI) schlägt zur Verbesserung des Brandschutzes in Gebäuden vor, in Sonderbauten mit sehr hohem Sicherheitsbedarf wie in Krankenhäusern, Altersheimen und Kindertagesstätten Brandschutzkabel der europäischen Brandklasse B2, in Gebäuden mit hohem Sicherheitsbedarf wie in Büro- und Verwaltungsgebäuden Brandschutzkabel der europäischen Brandklasse C einzusetzen.
Der Zeitplan für die Prüfung und der daraus resultierenden Leistungserklärung hing von der Veröffentlichung der harmonisierten Norm EN 50575 ab. Nun begann die Anwendung der harmonisierten Norm für Kabel und Leitungen unter der Bauprodukteverordnung EN 50575:2014 am 10. Juni 2016. Die Koexistenzperiode hat am 01.Juli 2016 begonnen und endet am 01. Juli 2017. Die Lapp Gruppe hat bereits mehrere Kabel und Leitungen nach der neuen Norm geprüft, erste Zertifizierungen wurden bereits erteilt. Die Leistungserklärungen für bestimmte Produkte liegen ebenfalls bereits vor. So wurde vom VDE die Leistungsbeständigkeit für die Ölflex Classic 100H bescheinigt. Entsprechend EN 13501-6 wurde diese Produktfamilie und auch die Ölflex Classic 110H für die Euroklasse klassifiziert. Die Lapp Gruppe wird weitere Leitungsfamilien entsprechend der Bauprodukteverordnung (CPR) durch notifizierte Stellen prüfen und klassifizieren lassen.
Unsere Whitepaper-Empfehlung


Hier finden Sie mehr über:
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Tipps der Redaktion

Unsere Technik-Empfehlungen für Sie

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de