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Energiemanagement: Smarte Software macht Firmen zu Sparfüchsen

Energiemanagement
Smarte Software macht Firmen zu Sparfüchsen

Mit Big Data und künstlicher Intelligenz können Unternehmen ihren Energieverbrauch optimieren und vorausschauend handeln. IT-Anbieter wie IBM und SAP setzen erste Projekte zu intelligentem Energiemanagement in der Industrie um.

Markus Strehlitz

Eine stärkere Vernetzung, mehr Sensoren, eine größere Anzahl von Kommunikationskanälen – die Digitalisierung rast voran. Unternehmen stehen zunehmend mehr Daten zu Verfügung, aus denen sich Erkenntnisse gewinnen lassen. Big Data und das Internet der Dinge (IoT) treiben derzeit auf vielen Feldern die Entwicklung voran.

Das gilt besonders auch für das Thema Energie. Hier gibt es ebenfalls eine Vielzahl unterschiedlicher Datenquellen. Allein für das Energiemanagement von Gebäuden stehen Kennzahlen aus Versorgerrechnungen, sowie Daten von Stromzählern und Gebäudeautomationssystemen oder auch Informationen über das Wetter und den Energiemarkt bereit. Für die Energieoptimierung der Maschinen bei produzierenden Unternehmen können die Daten von einer Vielzahl von Sensoren genutzt werden.

Kürzere Analysezyklen, mehr Daten

Um energieeffizient zu arbeiten, können Unternehmen bereits aus vielen Energiemanagement-Lösungen am Markt auswählen. Deren Anbieter arbeiten nun daran, die Analysezyklen ihrer Systeme stetig zu verkürzen, um Ergebnisse stärker in Richtung Echtzeit zu liefern. Außerdem werden zunehmend mehr Quellen eingebunden.

Econ zum Beispiel verarbeitet mit seiner Energiemanagement-Lösung nicht nur die Messdaten unterschiedlicher Energieträger, sondern auch die Produktions- und Prozessdaten – unter anderem aus ERP- und BDE-Systemen.

Unter hohem Planungsaufwand hat Weidmüller – selbst Anbieter von Energiemanagementtechnik – in seinem eigenen Werk das Projekt „Transparente Fabrik“ umgesetzt. In dieser werden die Maschinen vernetzt, alle Energieströme sollen offengelegt und steuerbar sein. Auf Basis eines durchgängigen Energiemanagements lassen sich Daten zur Optimierung der Energieverbräuche und der Prozesse analysieren. Daraus können dann Handlungsempfehlungen entwickelt werden.

Weidmüller spart mit intelligentem Energiemanagement jährlich 2,1 GWh Energie

Zusammen mit weiteren Energieeffizienzmaßnahmen ergibt sich für den Detmolder Anbieter von elektrischen Verbindungstechniklösungen ein großer Nutzen aus dem Projekt: Insgesamt spart das Unternehmen jährlich über 2,1 GWh Energie.

Die Möglichkeiten, die diese Energiemanagement-Systeme bieten, sind aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Wie in anderen Bereichen trifft auch bei der Analyse von Energiedaten nun Big Data auf künstliche Intelligenz.

Und wie in vielen anderen Branchen will der IT-Anbieter IBM auch im Energiesektor das Potenzial seiner Cognitive-Computing-Technik Watson ausschöpfen. So nutzt zum Beispiel das Technologieunternehmen Harting die IoT-Plattform sowie Watson-Technik von IBM, um die Daten seiner Spritzgussmaschinen zu erfassen und zu analysieren.

Harting setzt mit Watson auf kognitive Technik

Die Informationen werden dabei nicht beim Anwender selbst, sondern in der Cloud des IT-Riesen verarbeitet. Um sie dorthin zu bringen, nutzt Harting seine hauseigene Edge-Cloud-Lösung Mica. Diese sammelt Daten direkt an den Maschinen, um sie vorzuverarbeiten und dann in die Cloud weiterzuleiten. Seit Beginn der Zusammenarbeit mit dem US-IT-Unternehmen wurden auf diese Weise bereits mehrere hundert Gigabyte an Daten zur Analyse erfasst und visualisiert.

IBM will mit seiner Analysetechnik aber nicht nur die Energieeffizienz von Maschinen, sondern auch von Gebäuden voranbringen. Dafür kooperiert der IT-Anbieter mit dem Technologiekonzern Siemens. Dieser bindet Software des IBM-Geschäftsbereichs Watson IoT – darunter Analyse- und Asset-Management – in die Energiemanagement-Plattform Navigator ein.

Siemens und IBM erarbeiten Lösung für vorausschauendes Gebäudemanagement

Mit der Cloud-Plattform bietet Siemens Technologien, um die Gebäudesystemleistung, den Energiebedarf sowie die Energieversorgung zu überwachen und die Daten aus diesen Bereichen miteinander zu verknüpfen. Mit ihr lassen sich laut Anbieter unter anderem detaillierte Verläufe, Berichte und Auswertungen darstellen – zum Beispiel für die Energieabrechnung und CO2-Berichterstattung.

Die Kombination mit der IBM-Technik bietet den Anwendern laut Siemens mehrere Vorteile: Die Leistung von mehreren Gebäuden sollen sich miteinander vergleichen und operative Betriebskosten prognostizieren lassen. Zur Fehleranalyse und -diagnose können prädiktive Analysemethoden herangezogen werden. Das heißt konkret: Potenzielle Problemen können gelöst werden, bevor es zu einem Störfall kommt.

Mobile Anwendungen ermöglichen flexible Energie-Audits

Mobile Anwendungen sollen bei der ortsunabhängigen Durchführung von Energie-Audits und der Erstellung von Energieberichten helfen. Außerdem verspricht der Anbieter, dass mithilfe von Texterkennung und -analyse zur Validierung von Energieversorgerrechnungen Fehler aufgedeckt werden können.

Gerade die Analyse von Daten in unstrukturierter Form – also zum Beispiel in Texten, Bildern oder Videos – sei eine der großen Stärken von Watson, sagt Pierre Joeris, der sich bei IBM als Business Development Executive mit Cognitive-Computing-Lösungen für die Energiewirtschaft beschäftigt. „Hier kann Cognitive Computing seine Stärken ausspielen“, erklärt der Experte. So ließen sich mithilfe von künstlicher Intelligenz etwa Wetterdaten oder Wartungsberichte auswerten.

SAP bietet mit Leonardo IoT-Technik auch für den Energiesektor

Wie IBM hat auch der Softwarehersteller SAP künstliche Intelligenz, Analytik und IoT-Technologie zu einem umfassenden Portfolio unter dem Namen Leonardo zusammengefasst. Und wie der US-amerikanische Konkurrent wollen die Walldorfer die Möglichkeiten ihrer Lösungen auch für den Energiebereich nutzen.

Daher arbeitet SAP mit dem britischen Energiedienstleister Centrica zusammen. Dessen Energiemanagement-System Panoramic Power wird mit Leonardo verknüpft. Panoramic Power kombiniert selbstgesteuerte Funksensoren mit Analytik. Weltweit sind laut Anbieter mehr als 40 000 Sensoren installiert.

Das Energiemanagement-System soll in ein cloud-basiertes Assetmanagement von SAP integriert werden, mit dem Unternehmen ihre verschiedenen Wirtschaftsgüter verwalten können. Hinzu kommen maschinelle Lernalgorithmen, die von Leonardo bereitgestellt werden.

IoT erfordert unternehmensindividuelle Lösung

Wer mithilfe von Big-Data-Technologien und intelligenten Analysemethoden seine Energiedaten auswerten möchten, sollte aber wissen: Es gibt keine Lösung out of the box. Jedes System muss an die individuellen Anforderungen angepasst werden. Jedes Firmengebäude oder jeder Maschinenpark in einer Werkshalle weist unterschiedliche Voraussetzungen auf.

IoT erfordere grundsätzlich immer einen gewissen Grad an individueller Anpassung, meint Hans Jörg Stotz, Leiter der IoT-Strategie und -Innovation bei SAP. „Die Anpassung von Algorithmen hat immer einen spezifischen Aspekt, weil sie zum entsprechenden Asset passen müssen.“ Eine Turbine beispielsweise benötigt ein anderes statistisches Modell als etwa ein Transformator. „Wir glauben aber, dass wir uns im Laufe der Zeit mit einer fortschreitenden Standardisierung und weiterer Ausprägung der Algorithmik immer weiter in Richtung Standardprodukte bewegen – so wie man es klassischerweise von einem ERP-Produkt kennt“, zeigt sich Stotz zuversichtlich.

Maschinenheterogenität in Werkshallen als Herausforderung für IoT

Aber auch dann wird es immer noch notwendig sein, eine Lösung individuell anzupassen. „Wir befinden uns bei diesem Thema immer in einem Brown-Field- und nicht in einem Green-Field-Szenario“, erklärt Stotz. Das bedeutet: IoT-Lösungen werden in der Regel in einer bestehenden Fabrik beziehungsweise in einem bereits existierenden Gebäude umgesetzt. Und gerade in den Werkshallen herrscht Heterogenität. Maschinen von verschiedenen Herstellern und mit unterschiedlichem Alter müssen vernetzt werden, um ihre Energiedaten zu erfassen. Dies ist eine Herausforderung.

Technik aus der Cloud bleibt aktuell

Mit der Installation der Software, mit der die Daten verarbeitet werden, müssen sich die Unternehmen dagegen meist nicht beschäftigen. Die Anbieter stellen ihre IoT-Lösungen in der Regel in der Cloud bereit – und das hat gute Gründe. Die notwendige Rechenpower wird sich heutzutage kaum mehr ein Unternehmen im eigenen Haus installieren. Hinzu kommt, dass die technische Entwicklung in diesem Bereich so schnell ist, dass aktuelle Funktionen nur in der Cloud verfügbar sein können. „Die Zeiten, in denen man für ein IT-Projekt ein komplettes Jahr einplanen konnte, sind vorbei“, meint Joeris von IBM.

Die Cloud bietet zudem die Möglichkeit, mit geringem Aufwand ins Internet der Dinge zu starten. Anbieter wie etwa IBM stellen einzelne Funktionsbereiche aus ihrem Cognitive- und IoT-Portfolio – nutzbar zum Beispiel für die Analyse von Energiedaten – als Services bereit. So kann sich ein Unternehmen relativ einfach seine eigene Lösung zusammenstellen. „Die Cloud hat die Einstiegsschwelle deutlich gesenkt“, betont der Experte.

Elektronisches Energiemanagement in Unternehmen noch nicht weit genug verbreitet

Trotzdem steht man bei der Analyse von Energiedaten mithilfe von Big-Data- und IoT-Technik in Industrieunternehmen noch am Anfang. Schließlich haben die Anbieter gerade erst entsprechende Lösungen entwickelt.

Aber selbst einfacheres Energiemanagement nutzen noch nicht alle Firmen. Ein Grund könnte sein: Die Einführung eines elektronischen Energiemanagements muss strategisch angegangen werden. Sie benötigt ein Digitalisierungskonzept, das sich über das gesamte Unternehmen erstreckt – und das fehlt in vielen Unternehmen noch.

Watson chattet mit den Kunden

Digitalisierung spielt aber nicht nur für die Nutzer von Energieleistungen eine zunehmend wichtige Rolle. Auch für die Unternehmen aus der Energiebranche selbst wird es wichtiger, Technologien für Big Data, IoT und künstliche Intelligenz zu nutzen.

So berichtet Joeris beispielsweise, dass Energieunternehmen bereits mit Watson in verschiedenen Bereichen arbeiten. So kommt Cognitive Computing zum einen in der Interaktion mit dem Kunden zum Einsatz. Watson soll dabei die Mitarbeiter im Kundenkontakt-Center entlasten, indem es etwa bestimmte Anfragen übernimmt und den Kunden per Chat mit Informationen versorgt. Zum anderen hilft Watson bei der technischen Wartung. Mit der Technik können auch Energieunternehmen den Zustand ihrer Assets analysieren.

Intelligente IT hält Wissen im Unternehmen – auch nach Ausscheiden von Mitarbeitern

Daneben findet sich für Watson laut Joeris aber noch ein weiteres interessantes Einsatzfeld: Die Lösung stellt den Mitarbeitern Expertenwissen zur Verfügung, das sie für ihre Tätigkeiten brauchen.

Das australische Öl- und Gas-Unternehmen Woodside Energy beispielsweise hat mit Watson ein eigens zugeschnittenes Tool erarbeitet, mit dem Mitarbeiter ausführliche Antworten auf die speziellsten Fragen finden – und dies sogar auf entlegenen Öl- und Gas-Plattformen. Dazu studierte Watson 38 000 Dokumente. Allein das Lesen hätte einen Menschen fünf Jahre Zeit gekostet.

Auf Basis von Watson wurde dann ein Avatar mit Namen Willow entwickelt. Mitarbeiter können Willow nun Fragen in natürlicher Sprache stellen – wie zum Beispiel „Wie schwer darf ein Hubschrauber, der auf der Plattform landen soll, maximal sein?“.

„Auf diese Weise trägt Watson auch dazu bei, Wissen in den Unternehmen zu erhalten, das sonst verloren ginge, weil Mitarbeiter das Unternehmen verlassen oder in Rente gehen“, sagt Joeris.


Big Data senkt Verbrauch um 15 %

Mit einer Cloud-basierten Plattform für das Energiemanagement hat Siemens dem Autoteilehersteller Gestamp zu Energieeinsparungen verholfen. Dank der Plattform, die Big-Data-Technik nutzt, konnte der Verbrauch laut Anbieter um etwa 15 % reduziert werden. Das System überwacht in Echtzeit den Energieverbrauch von 14 Werken des Unternehmens in Spanien, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Polen. Bis Ende 2017 soll das Projekt auf 30 Anlagen – darunter auch Werke in China und den USA – erweitert werden.

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