Urban Gardening, Gemeinschaftsgärten und begrünte Stadtarchitektur: Grüne Stadträume als Ressource für Mensch und Umwelt sind en vogue. Das kommt nicht von ungefähr: Die Stadt gilt als zu umsorgender Lebensraum der Zukunft, der immer mehr Menschen anzieht. Zugleich steigt die Sehnsucht nach der Natur, die eine besonders hohe Lebensqualität zu versprechen scheint. Eine Entwicklung, die weltweit Städte vor die Herausforderung stellt, sich von innen heraus zu verbessern und Lösungen im Umgang mit einer steigenden Luftverschmutzung und dem klimatischen Wandel zu finden.
Global entwickeln renommierte Stadtplaner und Architekten Konzepte, um Städte zu begrünen. Dabei sehen sie sich vor allem mit einem chronischen Platzproblem konfrontiert. Sie entwickeln daher Visionen von bewaldeten Hochhäusern und Holzwolkenkratzern, die in Metropolen wie Mailand, Tokio oder Paris realisiert werden sollen.
Der schlechten Stadtluft soll eine üppige Bepflanzung von Gebäuden – und zwar horizontal und vertikal – entgegengesetzt werden. Dies soll das Mikroklima positiv beeinflussen, den Stadtlärm dämpfen und für eine natürliche Beschattung sorgen.
Die Idee, Häuserwände zu bepflanzen, geht zurück auf Professor Stanley Hart White, der diese 1938 zum Patent anmeldete. Auch der bekannte Künstler und Visionär Friedensreich Hundertwasser begrünte seine Häuser, blieb dabei allerdings in der horizontalen Ebene. Der französische Gartenarchitekt Patrick Blanc schließlich machte das Verfahren von Stanley Hart White mit seinen vertikalen Gärten an prominenten Gebäuden weltweit bekannt.
Moosmaschine made in Hannover
Auch der Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Gartenheim stellte sich die Frage, wie sich Pflanzen derart in die Bauprojekte der Genossenschaft einbeziehen lassen, dass sie architektonisch und ökologisch einen Mehrwert haben. Statt grauer Fassaden sollten grüne Pflanzenwände das Stadtbild Hannovers bereichern und obendrein als biologische Klimaanlagen wirken. Nach intensiver Forschung und fachlichem Austausch mit Biologen wurde in Eigenregie damit begonnen, ein universelles, modular aufgebautes Vertikalbewässerungssystem für Moosmatten zu entwickeln.
Dabei setzt Gartenheim auf pflegeleichte, saftig grüne Moose, die sich aufgrund ihrer Vorliebe für saure Umgebungen besonders gut für den städtischen Raum eignen. Außerdem überraschen die zähen Sporenpflanzen obendrein mit beachtlichen ökologischen Effekten: Sie binden Feinstaub, absorbieren saures Klima, erhöhen die Luftfeuchtigkeit und wirken durch die Wasserverdunstung auch noch kühlend.
Als große Herausforderung bei der Pflege vertikaler Begrünung erweist sich indes immer wieder die Bewässerung. Moose haben keine Wurzeln, über die sie das benötigte Wasser ziehen können, sondern speichern die Feuchtigkeit in ihrer äußeren schwammartigen Polsterstruktur. Die Bewässerung in der vertikalen Ebene kann daher nur frontal erfolgen.
Die Moosmaschine von Gartenheim ist das bislang einzige System, das eine gleichmäßige Frontalbewässerung großer Flächen ermöglicht, so dass die Moose auch in der künstlichen Vertikalebene optimale Lebensbedingungen vorfinden. Die „British Bryological Society“ listete die hannoversche Erfindung daher als eines der weltweit interessantesten Moosprojekte.
Mit Regenwasser zur Bewässerung der Mooswand schließt sich der Umweltkreislauf
Und so funktioniert das Prinzip der patentierten Idee der Vertikalbegrünungsanlage: Ein beweglicher Bewässerungsbügel fährt die Moosfläche nicht nur gleichmäßig herauf und herunter, sondern schüttelt sich in der gleitenden Bewegung auch noch leicht, um zu gewährleisten, dass tatsächlich jeder einzelne Punkt mit Wasser versorgt wird. Das überschüssige Wasser läuft in eine Edelstahlwanne ab, die das Moos umgibt, und wird somit recycelt. Auf diese Weise wird die Bewässerung optimal gesteuert, ohne dass die Umgebung mitbewässert wird. Zur Bewässerung der Moose wird vorrangig Regenwasser genutzt, wodurch sich der Umweltkreislauf sinnvoll schließt.
Ein sogenanntes oszillierendes Düsenrohr, das hunderte von kleinen Löchern enthält, bewegt sich dabei gleichmäßig über die Moosfläche. Das raffinierte Konstrukt setzt sich aus circa 180 selbstentwickelten und -gebauten Einzelteilen zusammen, doch die technischen Details sind für den Betrachter nicht sichtbar, da die Anlage selbst hinter der Grünfläche verschwindet.
Die Auswahl geeigneter Bauteile für das Bewässerungssystem war herausfordernd. Denn neben den Moosmatten ist auch die Moosmaschine mit allen Komponenten ständiger Feuchtigkeit ausgesetzt. Korrosionsbeständigkeit ist daher oberstes Gebot, um die Funktionalität der Anlage dauerhaft zu gewährleisten. Die Gartenheim-Verantwortlichen haben etliche Bauteile unter die Lupe genommen und auf Herz und Nieren geprüft. Ihr Aushängeschild für vertikale Begrünungssysteme soll ja schließlich zukunftstauglich und beständig sein. Verschleißfestigkeit, Langlebigkeit und ein hoher Härtegrad waren weitere wichtige Kriterien bei der Wahl der richtigen Einzelteile. Schließlich konnten Antriebe und Keramikachsen von Maxon, dem Hersteller hochpräziser Antriebssysteme, den hohen Anforderungen entsprechen und sind nun Teil des vertikalen Begrünungssystems.
Inzwischen kann die Bewässerungsanlage in verschiedenen Größen produziert werden. Zudem ist es möglich, die Mooswände samt Versorgungsanlage wahlweise direkt in die Hausfassade eines Neubaus einzubauen oder aber skulptural vor einem Bestandsgebäude aufzustellen.
Kontakt:
Wohnungsgenossenschaft Gartenheim
Hildesheimer Str. 142
30173 Hannover
Tel. +49 511 280040
Kontakt:
Maxon Motor GmbH
Truderinger Str. 210
81825 München
Tel. +49 89 42 04 93 –0