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Strukturrohre sind besser als Glattrohre

Wärmeübergangswert K steigt um Faktor 2 bis 5
Strukturrohre besser als Glattrohre

Nach 180 Jahren wackelt die Dominanz der Glattrohre in der Produktion energietechnischer Anlagen: 15-jährige Entwicklungen und Praxistests deuten die Überlegenheit von Rohren mit modifizierter Oberfläche an – sogenannten ERK Tubes.

Die Strömungseigenschaften dieser Rohre werden durch mechanische Umformung der Oberflächen anwendungsspezifisch verändert. Damit verbessert sich vor allem die Wärmeübertragungsfähigkeit drastisch, und die Belagbildung wird stark unterdrückt. „Die Effizienzsteigerung gestattet sehr kompakte Bauformen – Kesselvolumen und -gewicht halbieren sich etwa“, berichtet Christian Schneider, Geschäftsführer von Schneider-Kessel Berlin – ein Unternehmen, das seit 2014 vorrangig ERK Tubes in Abhitzekesselsystemen verbaut.

Künftig will der traditionsreiche Berliner Familienbetrieb, aus dem 1881 der TÜV-Vorgänger „Dampfkessel-Revisions-Verein Berlin“ hervorging, die Strukturrohre aus Normal- und C-Stahl auch für 3-Zug- und Großwasserraumkessel nutzen. „Umbauter Raum ist teuer“, sagt der Firmenchef und bringt damit einen großen Anwendernutzen auf den Punkt. Geringeres Volumen bedeute weniger Stunden-, Material- und Transportaufwände.

Wettbewerbsvorteil Kompakt-Bauweise

Ideale Nutzungsmöglichkeiten für die Tubes sieht Schneider überall dort, wo Abwärme zur Heißwasser- oder Dampferzeugung genutzt wird; etwa hinter Turbinen, Gasmotoren oder bei Nachverbrennungsprozessen. Die Kompakt-Bauweise bringe auch beim Nachrüsten von Systemen mit begrenztem Platzangebot deutliche Vorteile.

Für sein eigenes Unternehmen verbindet Schneider mit den ERK Tubes einen Wettbewerbsvorteil, den er an seine Kunden weitergeben kann.

Entstanden war die Rohrtechnologie aus der Kooperation von Wissenschaftlern der TH Wildau (Brandenburg) mit Entwicklungsingenieuren der La Mont GmbH und der Eckrohrkessel GmbH, beide in Berlin seit über 80 Jahren auf Kessel- und Energietechnikdesign spezialisiert. Die patentierten ERK Tubes sind laut Prof. Udo Hellwig, Geschäftsführer beider Unternehmen, für Anlagen mit unbegrenzter Leistung konzipiert. Auch bei hohen Drücken seien sie für Wärmeübertragungsvorgänge ein- und mehrphasiger Medien „bestens geeignet“, so der Chef des Herstellers La Mont.

Als Hauptanwendungsfelder für ERK Tubes nennt er die Energie- und Chemietechnik, die Lebensmittelerzeugung, den Automotive- und maritimen Bereich, Biotechnologie und Haustechnik.

Rohrleitungs-Volumen halbiert

Den ersten funktionsfähigen Rauchrohrkessel mit ERK Tubes überhaupt hatte 2012 der Kesselbauer Remming im serbischen Novi Sad gebaut. „Seither verwenden wir die Strukturrohre überall, wo es technisch machbar ist: in Luftvorwärmern, Wärmetauschern, Kondensatoren, Abgastauschern oder Abhitzekesseln“, berichtet Remming-Geschäftsführer Dr. Dragan Cveticanin. Hauptabnehmer seien Energieversorger und Unternehmen der Prozessindustrie in ganz Westeuropa. Besonders Deutschland sei ein wichtiger Markt.

Er verweist ebenfalls auf den Platzgewinn durch kleinere Wärmetauscher dank vergrößerter Rohroberfläche und auf den besseren Wärmeübergang: Der K-Wert steige „anwendungs- und medienabhängig um den Faktor 2 bis 5. Ein Abhitzekessel benötigt nicht mehr zehn Meter lange Glattrohre, sondern nur halb so lange Tubes.“

Als weiteren Vorteil nennt Cveticanin deren ausgeprägte Selbstreinigungseffekte: Die aufgebrachten Strukturen bewirkten Strömungsturbulenzen, die etwa die Verschmutzung durch Rauchgasablagerungen stark reduzieren. Reinigungseinrichtungen oder wartungsbedingte Betriebsunterbrechungen würden deutlich reduziert oder könnten teilweise sogar auch komplett entfallen.

Ein namhafter bayerischer Hersteller von Abgaswärmetauschern bestätigt diese Effekte auch bei der Nutzung von BHKW-Brennstoffen wie Erd-, Bio-, Klär- oder Sondergasen sowie Diesel und Pflanzenölen. Die Glattrohr-Substitute bewähren sich zudem schon seit rund fünf Jahren in einem kohlebefeuerten Kraftwerk: Die Rohre wurden nie gereinigt, ohne ihre Übertragungsfähigkeit erkennbar zu verlieren.

Verschmutzungsgrad sinkt deutlich

Mittlerweile sind sie auch bei kommunalen Energieversorgern getestet worden. Im Müllheizkraftwerk der Stadtwerke Rosenheim hingen 2012 über mehrere Monate ERK Tubes parallel zu Glattrohren ungekühlt im Rauchgasstrom eines Müllkessels. Dabei habe sich „ein auffälliger Unterschied“ gezeigt, konstatiert Dipl.-Ing. Reinhold Egeler. Die strukturierten Rohroberflächen seien wesentlich sauberer geblieben und hätten eine deutlich geringere isolierende Pelzschicht aus mineralischem Staub angenommen. „Im realen Betrieb wäre dadurch der Wärmeübergang erheblich besser“, so der Bereichsleiter MHKW.

Zusätzlich werde der Wärmeübergang durch die strukturbedingt entstehenden Verwirbelungen begünstigt. Als Konsequenz sieht er die Rohre vor allem für Anwendungen mit verschmutzten Gasen prädestiniert. Ein Vorteil der Tubes sei sicher auch, dass Wärmeübertrager durch den besseren Wärmeübergang bei gleicher Leistung deutlich kleiner gebaut werden können. Egeler geht davon aus, dass die Rohre die Leistung von Bestandsanlagen ohne größere Umbauten steigern können.

Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) zeigen ebenfalls Interesse an den neuartigen Rohren. Im letzten Sommer wurden ERK Tubes im Müllheizkraftwerk Ruhleben für Langzeittests in einen Kesselzug eines Dampfüberhitzers eingebaut. Als Ziel bezeichnet Falk Ewert, im BSR-Bereich Abfallbehandlung/Stoffstrommanagement verantwortlich für die Instandhaltung der Kesselanlagen, eigene Erkenntnisse zu den Antifouling-Effekten. Die von den Entwicklern zugesicherte geringere Verschmutzungsneigung hätte eine längere Kesselreisezeit zur Folge, und es wäre ein konstanterer Wärmeübergang gewährleistet. Verlässliche Ergebnisse verspricht sich Ewert von der Kesselrevision im September 2018.

ERK-Chef Udo Hellwig zeigt sich überzeugt, dass seine Tubes auch bei den BSR-Experten punkten werden: „Die drastisch geringere Verschmutzungsneigung hat sich in Laboruntersuchungen genau wie in allen Praxistest immer wieder bestätigt“.

Sein Unternehmen bietet neben der anwendungsspezifischen Umformung der Ausgangsrohre und zugehörigen ingenieurtechnischen Leistungen auch Bearbeitungsanlagen für eine eigene Tube-Produktion durch Lieferanten an. (os)

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