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Reality-Check zu Additive Manufacturing

Reality Check für den 3D-Metalldruck
Wann kommt der 3D-Druck in die Serien?

Wie steht es um die Industrialisierung von Additive Manufacturing (AM)? Die Experten der renommierten MTC3-Konferenz wagten es und setzten sich den kritischen Fragen von Journalisten aus. ❧

Olaf Stauß

Obwohl die „Munich Technology Conference“ erst im dritten Jahr stattfand, erfuhr sie einen gigantischen Zuspruch: Über 1500 AM-Experten und -Interessierte aus 32 Ländern waren im Oktober 2019 zur Veranstaltung an die TU München gekommen. Der Schweizer Technologiekonzern Oerlikon hatte eingeladen – und industrielle Schwergewichte als Mitstreiter um sich geschart, die ebenfalls die additive Fertigung voran bringen wollen.

Das ist das Geheimnis der MTC3-Konferenz: Firmen wie GE Additive, Linde, Siemens, Tüv Süd, McKinsey und auch die TU München sind Partner. Sie haben schon Spuren im AM-Bereich hinterlassen und verfügen über die Marktpräsenz, Dinge zu verändern. Mit der MTC3 will Oerlikon Additive letztlich den Stier an den Hörnern packen und in die Spur der Industrie zwingen. „Why we can afford to be bullish“, erklärt das kurz darauf verfasste AM-Whitepaper (so der Titel) – nämlich die Industrialisierung trotz schwieriger Konjunktur unbeirrt stur weiter zu treiben. Die typischen Anfragen von Skeptikern an die additiven Technologien haben die Macher längst hinter sich gelassen. „Reality Check“ verstanden sie eher als Bestandsaufnahme, was noch fehlt und als nächstes zu tun sei.

Dies aber sehr kritisch: Gleich bei der Eröffnung legte Prof. Michael Süß, Präsident des Verwaltungsrats von Oerlikon, den Finger in die Wunde: „Ich will ehrlich sein. Wir sind noch weit von unserem Ziel entfernt. Niemand kann es alleine schaffen. Wir brauchen echte Industriekooperationen, um die additive Fertigung zu etablieren.“ Mit anderen Worten: Kein Unternehmen deckt die sehr facettenreiche Prozesskette des AM für sich alleine ab.

Nur über Netzwerke schafft AM den Durchbruch

Oerlikon-CEO Dr. Roland Fischer pflichtet ihm im anschließenden Media-Roundtable wortreich bei. „Es ist wichtig, dass wir eng vernetzt sind. Wir brauchen Verbesserungen und Weiterentwicklungen auf allen Feldern – bei Printern, Materialien, der Standardisierung und auch den IT-Lösungen. Dazu müssen wir uns auf kurzem Wege absprechen.“ Und bildreicher: „Es geht darum, dass wir die Herausforderungen für Additive Manufacturing wirklich anpacken. Bringen wir den Mut dazu auf – selbst auf die Gefahr hin, dass wir scheitern? Hätte die Menschheit dies nie getan, würden wir heute noch auf Bäumen sitzen.“

In diesem Sinne war die Konferenz vom Pioniergeist jener geprägt, die additive Serienfertigungen als greifbar nahe sehen. Für ihre Sicht spricht umso mehr, dass sie sich dem Reality Check durch Fragen von Journalisten stellten. Die wichtigste ist die uralte Frage nach den immer noch kleinen Bauraten. Wie soll eine Fertigungstechnologie die Serie erobern, wenn sie viele Stunden für ein größeres Metall-Bauteil benötigt?

Todd Skare, CTO bei Linde, antwortet darauf sehr gelassen. „Wir bei Linde arbeiten mit an Produktivitätsverbesserungen. Bei AM sehen wir Sprünge von zehn und zwanzig Prozent, während klassische Technologien immer nur um ein oder zwei Prozent vorwärts kommen. Und in der Wertschöpfungskette gibt es viele Ansatzpunkte für innovative Produktivitätsverbesserungen. Wenn Sie nun Sprünge um zehn Prozent Jahr für Jahr hochrechnen, löst sich das Problem von selbst.“

Additives Design erschließt Effizienzsprünge

Bei der Produktivitätsfrage haken die Manager ein und zitieren Beispiele, in denen allein schon das generative Design immense Kosten- und Effizienzvorteile erschließt. Allen voran Dr. Jan Mrosik, COO der Siemens-Division Digital Industries. „Wir zeigen ein Kunststoffteil für die E-Mobilität auf unserem Stand, das die Kühlluft näher an die Batterie bringt. Es lässt sich nur additiv fertigen, doch es verbessert die Kühlleistung um 22 Prozent. Vor diesem Hintergrund sind die zehn bis 50 Euro unbedeutend, die das Teil kostet.“

Mrosik schließt daraus: „Mit den außergewöhnlichen Designs, die AM ermöglicht, lassen sich erstaunliche Effekte erzielen. Daran müssen wir denken.“ Der Manager sieht Siemens hier in einer Schlüsselrolle: „Wir investieren viel in digitale Tools, die diese additive Denke den Ingenieuren zugänglich macht.“

Auch Holger Lindner, CEO von Tüv Süd, relativiert die Bedeutung limitierter Bauraten. „Wichtiger sind oft die Risiken, die die Teile minimieren müssen. Dafür braucht es gute und bessere Teile – mit Designs, die nur die additive Fertigung möglich macht.“

„Auch wir bei GE hatten am Anfang viele Diskussionen“, sagte Chris Schuppe, General Manager von GE Additive. „Inzwischen haben wir vieles automatisiert und die Zahl der additiven Teile wächst stetig. Das beste Beispiel liefert das neue Triebwerk GE9X. Es enthält 304 additiv gefertigte Teile aus unterschiedlichen Materialien. Es stimmt schon – die Entwicklung braucht Zeit. Begonnen haben wir vor Jahren mit nur einem 3D-gedruckten Teil in nur einem Triebwerk.“

Dr. Andreas Behrendt von McKinsey sieht disruptive AM-Ansätze sogar im Automotive-Sektor. „Die Automobilindustrie versucht derzeit, Mass Customization über Teiletransporte zu organisieren. Pro Neufahrzeug sind die Logistikkosten in den letzten zehn Jahren von 150 auf 400 Euro gestiegen. Warum das Problem nicht additiv lösen?“

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