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Mobilfunk: Wettlauf der Wireless-Technologien

5G oder Wifi 6 – wer macht das Rennen in der Fabrik?
Wettlauf der Wireless-Technologien

Die ersten Unternehmen in Deutschland sind derzeit dabei, private 5G-Netze aufzubauen. Die digitale und flexible Fabrik rückt damit näher. Doch ist WLAN damit noch längst nicht auf dem Abstellgleis: Der neue Standard Wifi 6 verspricht ebenfalls hohe Geschwindigkeiten.

❧ Sabine Koll

Der Wettlauf um den künftigen Wireless-Standard für die Produktion scheint eröffnet: Seit einem guten halben Jahr vergibt die Bundesnetzagentur sogenannte Blocklizenzen für lokale 5G-Campusnetze. Das heißt, Unternehmen können Lizenzen beantragen und erhalten dann ein exklusives Frequenzband für die eigenen Grundstücke zugeteilt. Die ersten deutschen Unternehmen – wie etwa Lufthansa Technik, Daimler, VW, Audi oder Rittal – haben dies bereits getan und erproben seitdem die 5G-Technik und entsprechende Anwendungsfälle.

Kurz zuvor, im September 2019, hatte sich auch die WLAN-Fraktion zu Wort gemeldet: Die Wi-Fi Alliance eröffnete offiziell das Zertifizierungsprogramme für Geräte, die den neuen Wifi-6-Standard unterstützen. Und Ende April hat nun die US-amerikanische Regulierungsbehörde FCC die Öffnung des 6-Gigahertz-Frequenzbands für die lizenzfreie Nutzung durch WLAN beschlossen. Damit steht der Datenübertragung per WLAN in den USA künftig das Fünffache an Frequenzspektrum zur Verfügung.

5G-Industrie Summit adressiert die schnelle Vernetzung für die Produktion

Wifi 6 verspricht als Wireless-Technologie ähnliche Performance wie 5G

„Mit der beschlossenen Aufstockung des WLAN-Spektrums um rund 1200 MHz (5925–7125 MHz) innerhalb des 6 GHz-Bands verleihen die USA Wifi 6 einen immensen Leistungsschub“, lobt Ralf Koenzen, Geschäftsführer des in Würselen angesiedelten Netzwerkausrüsters Lancom, den Vorstoß der USA. „Als Wifi 6E (Enhanced), so die offizielle Bezeichnung, zieht WLAN im 6-GHz-Band in puncto Übertragungsraten und Latenzzeiten mit dem Mobilfunkstandard 5G gleich. Daraus ergeben sich völlig neue Einsatzszenarien.“

Tatsächlich verspricht Wifi 6 eine ähnliche Performance wie 5G: Wifi 6 schraubt die maximal mögliche Download-Übertragungsrate im Vergleich zum heutigen WLAN-Standard auf maximal 9600 MBit/s. Damit liegt Wifi 6 fast exakt auf gleichem Level wie 5G. Auch hinsichtlich Latenzzeiten, also Verzögerung, nehmen sich die beiden Standards nichts: Bei Wifi 6 werden weniger als 2 ms, bei 5G sogar bis zu unter 1 ms angegeben. Damit eignen sich beide für Echtzeitanwendungen, wie sie in der Fabrik gefordert sind.

Wifi 6 wird damit einige Nachteile heutiger WLANs in der Fabrik überwinden, wo überlappende Netze an der Tagesordnung sind. „Da das 2,4-Gigahertz-Band bereits überlastet ist und der Übergang zum 5-Gigahertz-Band immer mehr zunimmt, beeinträchtigen Interferenzen von benachbarten Geräten die Leistung erheblich, verringern den Gesamtdurchsatz, erhöhen die Latenzzeit und die Fehlerhäufigkeit und verringern letztlich den Stromverbrauch und die Zuverlässigkeit“, stellt das Beratungsunternehmen Deloitte in einer aktuellen Studie fest. „Die Leistung kann nicht mehr durch das Hinzufügen weiterer Hotspots verbessert werden, was die Wahrscheinlichkeit von Interferenzen und Kollisionen nur noch erhöht.“

Doch bis Wifi 6 hierzulande einsatzbereit ist, wird noch etwas Zeit vergehen. Denn die Regulierungsbehörden in Europa müssen dem neuen Drahtlos-Standard erst noch den Weg ebnen. So arbeitet die Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation (CEPT) an harmonisierten technischen Bedingungen für die Zulassung von WLAN im 6-Gigahertz-Band. Dabei werden die Nutzungsbedingungen wie zulässige Sendeleistung und das zu nutzende Frequenzband festgelegt. Sobald dies geschehen ist, folgt die Umsetzung in nationales Recht und damit dann auch die Zulassung des erweiterten WLANs in Deutschland.

Freigabe von Wifi 6 könnte in Deutschland im Frühjahr 2012 erfolgen

Einen konkreten Termin für diese Umsetzung nennt die Bundesnetzagentur noch nicht. Koenen rechnet aber mit einer Freigabe im Frühjahr kommenden Jahres: „Allerdings wird es diesseits des großen Teichs kein so breites Zusatzspektrum wie in den USA geben“, so der Lancom-Geschäftsführer. Geplant seien etwa 500 MHz (5925–6425 MHz), während in den USA rund 1200 MHz freigegeben wurden. Der Vorteil von Wifi 6: Hierfür sind keine Lizenzen notwendig.

Allerdings können auch private 5G-Campusnetze heute noch nicht ihre vollen Möglichkeiten ausspielen, denn die Features, welche die großen Vorteile für die Fabrikautomatisierung versprechen, stehen erst mit Release 16 zur Verfügung. Und diese Version will die internationale Standardisierungsorganisation 3GPP im Juni 2020 veröffentlichen, so der Plan. Das heißt, die aktuellen 5G-Campusnetze arbeiten noch mit dem aktuellen LTE-Standard.

Release 16 soll 5G fast 100% zuverlässig sein

Zu den Features, die Release 16 mit sich bringt, gehören wie schon angesprochen Geschwindigkeit und Latenz. Dazu muss man noch wissen, dass die Latenz in einem privaten 5G-Netz sogar noch geringer sein kann als in öffentlichen Netzen, nämlich dann, wenn sich der Kern Netzes vor Ort befindet, alle Daten also lokal verarbeitet werden. „Hingegen bringt eine die Offsite-Verarbeitung eine zusätzliche Verzögerung mit sich – vielleicht einige Millisekunden, wenn sie in einer Edge-Cloud erfolgt, und einige zehn Millisekunden, wenn sie über ein entfernteres Rechenzentrum erfolgt, wenn also die Daten zum externen Standort und zurück reisen“, erklärt Paul Lee, Global Head of Research für die Technologiebranche bei Deloitte.

Ein weiterer Pluspunkt von Release 16 ist für ihn die die Zuverlässigkeitsrate von 99,9999 %. Diese Rate impliziert eine erwartete Ausfallzeit von nur fünf Minuten pro Jahr. Dies entspricht der Leistung von Ethernet-Netzwerken. „Eine noch höhere Zuverlässigkeit für unternehmenskritische Prozesse kann in einem 5G-Netz selektiv partitioniert werden, wobei die Benutzer die von verschiedenen Netzsegmenten bereitgestellte Dienstqualität spezifizieren können“, so Lee.

Metallobjekte können 5G-Signale nicht mehr blockieren

Mit Release 16 werde 5G außerdem das sogenannte 5G-Comp-Verfahren ermöglichen. Die Abkürzung Comp steht für Cooperative Multi-Point und bedeutet, dass Daten über einen alternativen Pfad gesendet werden, wenn zum Beispiel Metallobjekte wie Krane oder Förderbänder den Weg eines 5G-Signals blockieren. „Mehrere Sender schaffen redundante Pfade zum Empfänger, wodurch sichergestellt wird, dass das Paket erfolgreich zugestellt wird“, sagt Lee.

Auch eine massive Dichte von Sensoren wird erst mit Release 16 möglich sein: Während 4G-Netze maximal 100.000 Geräte pro Quadratkilometer unterstützen, lassen sich mit 5G dann bis zu 1 Million Sensoren anschließen.

Experten erwarten allerdings, dass Unternehmen in Zukunft beide Technologien für ihre privaten Netzwerke nutzen werden: „WLAN und 5G als direkte Wettbewerber zu betrachten, wäre eine übermäßige Vereinfachung der Zusammenhänge in diesem komplexen Markt“, stellt Ian Goetz klar, Chief Architect for Mobile beim Netzwerkausrüster Juniper. Der Telecom-Provider Liquid Telecommunications geht nach Aussagen von Andrew Alston, Leiter IP Strategie, nicht davon aus, „dass 5G jemals ein Ersatz für WLAN oder Glasfaser-Festnetze werden wird. Die Gründe dafür sind Kosten und Kontrolle.

WLAN bietet sich für Innenräume an

Sudheer Matta, Head of Products bei der Juniper-Tochter Mist, differenziert: „WLAN ist beispielsweise entscheidend für die Ausweitung der Abdeckung auf Innenräume, die von 5G nicht gut versorgt werden können. Mit WLAN lässt sich höhere Kapazität zu geringeren Kosten bereitstellen, weshalb einige Serviceprovider planen, in Bereichen hoher Nutzerdichte und/oder schwer zugänglichen Bereichen 5G durch WLAN zu entlasten.“

Auch Deloitte-Experte Lee sieht zunächst ein Nebeneinander beider Technologien: „Der Einsatz von Wifi ist im Vergleich zu 5G schnell, einfach und billig, was es zu einer attraktiven Wahl macht, wenn Geschwindigkeit und Wirtschaftlichkeit im Vordergrund stehen.“ Dennoch ist er sich sicher: „Dank der Spezifikationen in Release 16 hat 5G das Potenzial, sich in den nächsten zehn bis 20 Jahren zur weltweit vorherrschenden LAN- und WAN-Technologie zu entwickeln, insbesondere bei Neubauten von Fabriken, Häfen oder Campus auf der grünen Wiese.“

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