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Warten auf den Akku-Champion

Im Wettbewerb der Energiespeicher steht der endgültige Sieger noch nicht fest
Warten auf den Akku-Champion

Batterietechnik | Eher in kleinen Schritten als mit großen Sprüngen geht es zur Zeit beim Thema Batterie voran. An Lithium-Ionen-Akkus führt momentan kein Weg vorbei, doch der Technik sind Grenzen gesetzt. Alternativtechnologien auf Basis von Schwefel oder Sauerstoff brauchen noch Zeit.

Markus Strehlitz Journalist in Mannheim

Batteriesysteme gehören zu den Schlüsseltechnologien. Sie werden entscheidend sein – sowohl für das Gelingen der Energiewende als auch für den Erfolg der Elektromobilität. Bei letzterer sitzen die Energiespeicher an einem wichtigen Hebel. Die Batterien sind verantwortlich für die Reichweite der Elektrofahrzeuge. Und diese wird derzeit häufig als ein großes Hindernis für die Verbreitung der Stromautos ins Feld geführt.
Die entscheidende Größe ist dabei die gespeicherte Energie der Batterien – und zwar besonders deren Verhältnis zum Batteriegewicht. Die Akkus im Elektrofahrzeug sollten möglichst viel Energie speichern können und dabei möglichst wenig wiegen. So lassen sich die größten Reichweiten erzielen.
Welches Konzept sich dabei langfristig als das beste herausstellen wird, ist noch unklar. „Es gibt kein Champion-System“, antwortet Markus Hagen vom Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) aus Pfinztal auf die Frage, welcher Batterietechnologie im Bereich Elektromobilität die Zukunft gehört. Jedes System habe seine Stärken und Schwächen, so Hagen.
485 Kilometer mit einer Ladung
Die Nase vorn hat momentan noch die Lithium-Ionen-Technik. Unter Lithium-Ionen-Batterien werden unterschiedliche Elektrodenmaterialtypen zusammengefasst, die auf einer hochreversiblen Einlagerung der Lithium-Ionen in das Aktivmaterial basieren und so hohe Zyklenzahlen erreichen können. Diese Systeme sind nach Meinung von Hagen zur Zeit die am stärksten ausgereiften und kommerziell am erfolgreichsten mit hoher Energiedichte. „Und dies wird auch auf absehbare Zeit so bleiben“, meint der Fraunhofer-Forscher.
Den Spitzenwert erreicht zur Zeit eine Lithium-Ionen-Batterie von Panasonic, die im E-Sportwagen Tesla eingesetzt wird. Sie kommt auf 240 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg) auf Zellebene. Bis zu 485 km lassen sich damit laut Hersteller mit einer Batterieladung zurücklegen – abhängig vom Tesla-Modell, Fahrstil und ausgewählter Batteriestärke.
Diese Reichweite wird in den meisten Fällen sicherlich ausreichend sein. Trotzdem arbeiten Anbieter und Forschungsinstitute daran, das Verhältnis von Gewicht und gespeicherter Energie weiter zu verbessern.
„Bei den kommerzialisierten Systemen kann die Energiedichte durch eine Reduzierung des Gewichts der passiven Zellkomponenten verbessert werden“, erklärt Hagen. Dies lässt sich erreichen, indem zum Beispiel das Zellgehäuse dünner konstruiert wird. Anforderungen an die Sicherheit, an den Produktionsprozess und an geringe Produktionskosten schränkten die Möglichkeiten bei der Gewichtsreduktion allerdings ein, stellt er klar.
Daneben wird zur Zeit daran geforscht, Graphit durch Silizium als Anodenmaterial zu ersetzen. Damit ließe sich die Energiedichte noch weiter erhöhen. „300 Wattstunden pro Kilogramm sind damit sicher in Reichweite“, schätzt Hagen.
So bewegt man sich zur Zeit in kleinen Schritten voran, wenn es darum geht, die Möglichkeiten der Lithium-Ionen-Batterien zu verbessern. Doch grundsätzlich sind der Technologie Grenzen gesetzt.
Daher kommen immer wieder alternative Energiespeicherkonzepte ins Spiel. Große Hoffnungen setzen einige Experten etwa auf Lithium-Schwefel-Batterien. Bei dieser Technik wird das Graphit durch ein reines Lithiummetall ersetzt, das sowohl die Rolle der Elektrode als auch die der Lithium-Ionen-Quelle ersetzt. Bei der Entladung schrumpft das Material zusammen. Wird die Zelle aufgeladen, nimmt es wieder die ursprüngliche Form an. Die Energiedichte von Lithium-Schwefel-Batterien beträgt momentan 350 Wh/kg. Das Potenzial der Technik liegt aber bei 400 bis 600 Wh/kg.
Größtes Hindernis für einen kommerziellen Erfolg stellen bisher aber noch die geringen Zyklenzahlen dar. Denn die liegen laut Hagen für Lithium-Schwefel bei gerade mal 50. Will heißen: Die Batterie lässt sich nur 50 mal bei relativ konstanter Energiedichte auf- und wieder entladen.
Knackpunkt ist dabei der Elektrolyt, der sehr instabil ist. „Die Zelle trocknet praktisch während des Einsatzes aus“, verdeutlicht Hagen. Und dieses Problem sei noch immer nicht gelöst. Wird auf der einen Seite die Zyklenzahl verbessert, reduziert sich auf der anderen Seite die Energiedichte. „Lithium-Schwefel-Zellen mit hoher Zyklenzahl haben immer einen Elektrolytüberschuss, woraus eine sehr schlechte Energiedichte resultiert“, so Hagen. Hersteller wie Oxis Energy aus Großbritannien arbeiten weiter an der Technologie und berichten von verbesserten Zyklenzahlen. Auch das Dresdner Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) kann Erfolge vermelden.
Wissenschaftler der Hochschule für Technik und Wirtschaft Aalen sind ebenfalls zuversichtlich. Sie haben laut eigenen Aussagen einen neuen Kathodenaufbau entwickelt, der Batterien leistungsfähiger machen soll. Er eignet sich für Lithium-Ionen- ebenso wie für Lithium-Schwefel-Akkus.
Die schwäbischen Forscher um Professor Timo Sörgel haben auf Basis eines neuen Verbundmaterials ein Kathodenkonzept entworfen, bei dem die bauliche und stoffliche Trennung von Stromsammler und Kathodenmaterial entfällt. Somit sei keine Beimischung von Bindemitteln notwendig und der Anteil des Aktivmaterials in der Kathode höher, heißt es in einer Pressemitteilung. Dieser Aufbau soll Kapazität, Zyklenstabilität und Energiedichte der Akkus erhöhen, die Herstellungskosten aber reduzieren. Das Verfahren befindet sich zur Zeit in der Patentierung.
Trotz solcher Entwicklungen ist derzeit noch unklar, ob sich Lithium-Schwefel-Batterien zu einer wirtschaftlich rentablen Lösung entwickeln werden. Die Zukunft könnte daher auch einer anderen Technologie gehören: der Lithium-Luft-Batterie. Diese nutzt Sauerstoff, um Energie freizusetzen. Dazu reagiert dieser mit dem Lithium in der Batterie. Der große Vorteil: Der notwendige Sauerstoff kann der Luft entnommen und muss nicht in der Batterie gespeichert werden wie die sonst verwendeten Elektrodenmaterialien.
Eine Lithium-Luft-Batterie kann somit bei gleichem Gewicht deutlich mehr Energie speichern als die Lithium-Ionen-Technologie. Die Energiedichte soll mindestens fünf mal höher sein, wie Experten berichten.
Zu diesen zählt auch Wilfried Wilcke, leitender Wissenschaftler am Almaden Research Center des IT-Konzerns IBM. Vor fünf Jahren stieß er dort das Projekt Battery500 an. Der Name ist Programm: 500 Meilen – also rund 800 Kilometer – sollen Elektroautos künftig mit einer Batterieladung fahren können, dank Lithium-Luft-Technologie.
Die IBM-Wissenschaftler wollen die Technik alltagstauglich machen. Und dabei gibt es einiges zu tun. Denn wie bei der Lithium-Schwefel-Batterie stellt das Aufladen noch ein Problem dar. Und auch in diesem Fall ist der Elektrolyt die Ursache.
Vor knapp drei Jahren vermeldete Wilcke einen Durchbruch. Mithilfe von Hochleistungs-Rechnern hatten die Experten Computersimulationen durchgeführt und dank dieser passende Elektrolyte gefunden. In der folgenden Zeit sollten diese dann weiter verbessert werden.
Daneben gibt es aber noch weitere Fragen, die zu klären sind. So enthält die Luft, die für die chemische Reaktion verwendet wird, einige Stoffe, die Schaden anrichten könnten. Dazu zählen etwa Kohlenoxide. Neben IBM arbeiten noch andere Organisationen wie etwa das Batterieforschungszentrum Meet (Münster Electrochemical Energy Technology) der Universität Münster daran, dieses Problem zu lösen.
Von einem alltagstauglichen Einsatz in Elektrofahrzeugen ist die Technologie indes noch weit entfernt. „Wir sehen Metall-Luft-Batterien erst als Technik der übernächsten Generation“, sagt zum Beispiel Olaf Wollersheim, Leiter des Projekts Competence E am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Wilcke selbst favorisiert laut einem Artikel der Fachzeitschrift Nature mittlerweile Natrium-Sauerstoff-Batterien, weil diese kostengünstiger seien. Deren Energiedichte ist zwar schlechter als die von Lithium-Sauerstoff-Akkus, aber immer noch besser als die von Lithium-Ionen-Batterien.
Aber auch diese Entwicklung dürfte noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Markus Hagen vom Fraunhofer ICT geht davon aus, dass sich in den kommenden zehn Jahren keine Alternative zur Lithium-Ionen-Batterie etablieren wird. „Man sollte sich aber in der Wissenschaft nie zu sicher sein“, so der Projektleiter, „wenn es irgendwann doch einen einschneidenden Technologiesprung gibt, kann alles sehr schnell gehen.“
Redox-Flow für den stationären Einsatz
Ein großer technologischer Sprung könnte auch die Nutzung von Batterien für die dezentrale Energieversorgung voranbringen. Hier gibt es noch eine weitere Technik mit Zukunftschancen.
Laut Jens Noack vom Fraunhofer ICT bieten Redox-Flow-Batterien eine lange Lebensdauer im Bereich von einigen Kilowatt- bis Megawattstunden bei eher geringen Kosten. Das mache sie für den stationären Einsatz so geeignet, da dort im Gegensatz zum mobilen Einsatzfeld die Kosten und weniger die Energiedichte entscheidend sind.
Bisher gibt es aber nur wenige kommerzielle Angebote von Redox-Flow-Batterien. Und diese bewegen sich laut Noack im „wenigstelligen Kilowattbereich“. Auch hier ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Das bezieht sich zum einen auf die Fertigung, in der es noch viel Automatisierungspotenzial gibt. Bisher werde noch überwiegend manuell gefertigt, so Noack. Zum anderen „ist es wichtig, die Materialien der Komponenten wie Elektroden und Membranen speziell für die Verwendung in Redox-Flow-Batterien weiter zu entwickeln“, erklärt Noack. Denn diese werden noch überwiegend aus der Brennstoffzellentechnik übernommen. •
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