Startseite » Themen » Energieeffizienz »

Altbatterien als Energie- und Rohstoffquelle

Chemieparks dienen als Vorbild
Altbatterien als Energie- und Rohstoffquelle

Was geschieht mit technischen Geräten, wenn sie ihr „Lebensende“ erreicht haben? Schnell fällt zwar der Begriff Recycling, doch so einfach, wie sich der Begriff dahersagt, ist es damit nicht. Das gilt vor allem für Lithium-Ionen-Batterien.

Das effiziente Recycling technischer Produkte ist schwierig, weil sich komplexe Materialverbünde nur schwer wieder mechanisch trennen lassen. Ein von Currenta, einem Joint Venture von Bayer und Lanxess, entwickeltes Verfahren zur thermischen Vorbehandlung erleichtert nun die Aufbereitung. In Kooperation mit dem Mülheimer Recyclingunternehmen Accurec nutzt Currenta das Verfahren seit Anfang 2012 auch intensiv für die Aufbereitung von Lithium-Ionen-Akkus. Erst vor kurzer Zeit wurde die Marke von 1000 t thermisch vorbehandelter Akkus erreicht.

Aber dabei wird es nicht bleiben. Die Einsatzmöglichkeiten von Lithium-Ionen-Batterien, die heute schon massenhaft in mobilen Endgeräten der Kommunikations- und Computerbrache eingesetzt werden, werden weiter zunehmen. Es muss deshalb in absehbarer Zeit mit steigenden Mengen zu recycelnder Altbatterien gerechnet werden. Recycling lohnt sich hier besonders, weil sich gerade bei diesen Akkumulatoren sowohl wertvolle Rohstoffe als auch Energie im beträchtlichem Ausmaß zurückgewinnen lassen. Das gilt besonders für die Rückgewinnung von Lithium. Der Lithium-Bedarf durch die Elektromobilität wird in den nächsten Jahren drastisch ansteigen. Das heißt, dass in Zukunft sehr viele Autobatterien wieder zur Verfügung stehen werden, die Lithium in vergleichsweise großen Mengen enthalten. Pro Elektrofahrzeug sind das rund 15 bis 22 kg. Und die müssen dem Herstellungsprozess für neue Batterien wieder zur Verfügung gestellt werden. Momentan ist das aber noch nicht wirtschaftlich, da die Gewinnung von Lithium aus natürlichen Ressourcen derzeit billiger ist.
Voraussetzung für ein wirtschaftliches Recycling ist ein durchdachtes und sicheres Handling bei der Zerlegung der Altbatterien. Denn durch gewaltsame Öffnung oder Kurzschlüsse des Batteriekörpers kann es zur Freisetzung von Dämpfen und häufig auch Selbstentzündungen kommen. Das Currenta-Geschäftsfeld Umwelt hat deshalb für diese anspruchsvolle Aufgabe gemeinsam mit einem Partner der Verwertungskette, der Accurec Recycling GmbH aus Mülheim an der Ruhr, einen eigenen Verfahrensansatz entwickelt. Was sich wie normale thermische Entsorgung von bedenklichen Abfällen anhört, ist in der Realität High-Tech. Denn mit seinen vier Drehrohröfen verfügt der Chemiepark-Betreiber Currenta aus Leverkusen auch über die Technik, ausgediente Lithium-Ionen-Batterien in den Stoffkreislauf zurück zu führen. Durch die thermische Behandlung lässt sich sowohl Energie gewinnen als auch das anschließende Recycling von Metallen verbessern.
Bei dem Currenta-Verfahren werden die Altbatterien, die bis zu 40 % leichtflüchtige Stoffe enthalten, dem Drehrohrofen in vorsortierten Rezepturen zugeführt. Durch die Temperaturerhöhung öffnen sich die Energiespeicherventile; organische Inhaltsstoffe dampfen aus und verbrennen vollständig. In Summe lassen sich durch das sichere Zusammenspiel von Drehrohrofen, Nachbrennkammer und Rauchgasreinigung aus Verbundwerkstoffen in einem Verfahrensschritt Energie für die Dampferzeugung und Energieversorgung im Chempark gewinnen sowie gefährliche Stoffe sicher entsorgen und Wertmetalle komplett von Organik befreien. Die Wiederfindungsquote liegt nach der thermischen Vorbehandlung durch Currenta bei kompakten Metallteilen, wie sie zum Beispiel in Akkumulatoren zu finden sind, bei über 99 %. Der Geschäftsführer des Verfahrenspartners Accurec, Dr. Reiner Weyhe, präzisiert den Recyclingvorgang: „Dieser Batterietyp enthält rund zehn Prozent organischen Elektrolyt wie zum Beispiel DMT, der einen hohen Brennwert hat. Die beinhaltete Energie reicht aus, um die Batterien von Kunststoffen und Elektrolyten zu befreien. Die so entstehende Abwärme wird zur Erzeugung von Wasserdampf und damit zur Stromerzeugung genutzt.“
Weil sich das Unternehmen aber auf die Rückgewinnung der Metalle aus Altbatterien spezialisiert hat, werden die Reste der Batterien anschließend wieder nach Mülheim gebracht, und durchlaufen dort die Rückgewinnungsanlagen. Zurück gewonnen werden dann Aluminium, Kupfer, Cobalt, Nickel, Mangan und Stahl. Bis Anfang Februar 2013 hat der Chempark-Manager und -Betreiber Currenta – wie anfangs erwähnt – bereits 1000 t lithiumhaltige Batterien in seinen Drehrohröfen thermisch vorbehandelt und Energie für die Dampferzeugung gewonnen.
Die Verbrennungsanlagen der Currenta entsprechen, so heißt es aus Leverkusen, weltweit dem bestverfügbaren Stand der Technik, was die Europäische Kommission 2005 in einer publizierten Dokumentation mit dem langen Namen „European Commission: Draft Reference Document on the Best Available Techniques for Waste Incineration. Institute for Prospective Technological Studies, Seville 2005” ausdrücklich bestätigt hat. Eine detaillierte Ökobilanzstudie aus dem Jahr 2006 zum Vergleich verschiedener Methoden der Sonderabfallverbrennung zeigte darüber hinaus, dass es unter ökologischen Aspekten keine sinnvolle Alternative zur energetischen Verwertung und Beseitigung belasteter, organischer Sonderabfälle in den hoch entwickelten deutschen Drehrohranlagen gibt. Insgesamt arbeiten vier DRO-SAV an den Chempark-Standorten Leverkusen, Dormagen und Uerdingen, die zur Entsorgung von Abfällen mit gefährlichen, organischen Bestandteilen eingesetzt werden. Sie bestehen verfahrenstechnisch aus drei Bereichen: dem Drehrohr mit Nachbrennkammer, dem Abhitzekessel zur Dampferzeugung für die Unternehmen im Chempark und der mehrstufigen Abgasreinigung, die sicherstellt, dass die Abgase optimal gereinigt werden.
Vor der Abgabe in das Drehrohr werden die Sonderabfälle weitestgehend sortiert. Je nach ihren chemisch-physikalischen Eigenschaften werden die Abfallstoffe über separate Leitungen, eine Fassaufgabe oder einen Greifer in den Drehrohrofen eingegeben. Ein solches Drehrohr ist 12 m lang und hat einen Durchmesser von 3,5 m. Die richtige Neigung und die Drehbewegung stellen sicher, dass die festen oder pastösen Abfälle in der notwendigen Verweildauer durch den Ofen transportiert werden. Die Temperatur im Drehrohr beträgt mehr als 1000 °C. Organische Abfälle werden im Drehrohrofen oxidiert. Aus den anorganischen Bestandteilen bildet sich bei hohen Temperaturen eine Schmelze, die am Ende des Drehrohrs in einen wassergefüllten Entschlacker abläuft, wo sie erstarrt. Diese glasartige Schlacke kann nach mechanischer Aufbereitung für Bauzwecke eingesetzt werden. Das kann zum Beispiel der Wegebau auf Deponien sein. Die verbleibenden Abgase werden daran anschließend in eine Nachbrennkammer weitergeleitet.
Aus der Nachbrennkammer gelangen die heißen Abgase in den Dampfkessel, wo unter Ausnutzung ihres Energiegehalts Dampf von etwa 40 bar Überdruck und etwa 350 bis 380 °C erzeugt wird. Der Dampf wird in das Chemiepark-Netz der Standorte Leverkusen, Dormagen und Uerdingen für die Energieversorgung eingespeist. Die vier DRO-SAV stellen für diese drei Chempark-Standorte jährlich etwa 1 Mio. t Dampf zur Verfügung, was zum Vergleich ungefähr dem Wärmebedarf von 40 000 Haushalten entspricht. Aufgrund des ganzjährig gleichbleibend hohen Prozesswärmebedarfs der Produktionsbetriebe in den Chemieparks kann die in den DRO-SAV produzierte Dampfmenge vollständig verwertet werden.
Hans-Ulrich Tschätsch Fachjournalist in Essen
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Tipps der Redaktion

Unsere Technik-Empfehlungen für Sie

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de