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Gasmotorisch statt elektrisch

Besserer Wirkungsgrad in Druckluftsystemen durch Kraft-Wärme-Kopplung
Gasmotorisch statt elektrisch

Druckluft I Druckluft ist 20 mal teurer als Strom und 60 mal teurer als Erdgas. Durch eine von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderte Entwicklung aus dem Bereich Kraft-Wärme-Kopplung lässt sich der Primärenergiebedarf für die Druckluft- und Wärmeerzeugung um 62 % reduzieren.

Peter Otto Geschäftsführer Postberg + Co., Kassel

Der technische Wandlungswirkungsgrad der Druckluft von der Primärenergie zur Nutzenergie ist mehr als schlecht: Rund 98 % der Primärenergie wird in Wärme umgesetzt, die in der Regel verloren ist; zunächst im Kraftwerk, später in den produzierenden Unternehmen.
Bei der KWK Druckluft+-Anlage ist dies anders. Aus Erdgas macht sie über 90 % der Wärme nutzbar; als Edelenergie entsteht parallel Druckluft. Diese Eigenerzeugung ist bei Nutzung der Abwärme durch den hohen Strompreis für den Mittelstand der Industrie sehr wirtschaftlich, denn elektrisch betriebene Kompressoren werden ersetzt. Druckluft aus Erdgas zu erzeugen – bereits vor über 25 Jahren kam der Unternehmerpionier Heinz Nixdorf aus Paderborn auf eine ähnliche Lösung: Je nach Preisverhandlung mit dem Energieversorger wurde die Druckluft aus Strom oder Erdgas erzeugt. Tatsache ist, dass die KWK-Druckluftanlage seither ohne Unterbrechung läuft.
Diesen Gedanken hat Postberg + Co. in einem durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projekt aufgegriffen und ebenfalls eine KWK-Druckluft-Anlage gebaut. Seit dem Projektende 2012 betreibt die Hübner GmbH & Co. KG aus Kassel die Anlage im Dauerlauf als Grundlastmaschine für Druckluft und Wärme. Das Unternehmens fertigt unter anderem Faltenbälgen, Fahrzeuggelenksysteme, Fenstersysteme, PUR-Schaumformteilen sowie Produkte aus Gummi und Kunststoffspritzgießen für verkehrstechnische Branchen.
Das Beispiel von Hübner zeigt: Unternehmen benötigen neben einem Erdgasanschluss zunächst Transparenz über ihre Wärme- und Druckluftverbräuche. Viele Unternehmen können die Frage nach den aktuellen Druckluftkosten beziehungsweise dem zugrunde liegenden Verbrauch nicht benennen.
Für den wirtschaftlichen Betrieb einer solchen Anlage ist in den meisten Fällen eine Ist-Feinanalyse notwendig. Erhoben werden dabei die Kennzahl der aktuellen Erzeugungswirkungsgrade für Wärme und Druckluft, die ganzjährigen Grundlastmengen sowie die Verbraucherstruktur.
Als Faustformel gilt: Wenn die KWK-Druckluft+ Anlage im Jahr mehr als 8000 Stunden Wärme für das Unternehmen erzeugen kann, beträgt die Amortisationszeit in der Regel – ohne jegliche staatliche Förderung – unter zwei Jahren.
Die Anlagen sind in der Leistungsgröße nicht zu unterschätzen. Ein Sechs Zylinder MAN Industriegasmotor mit 200 kW Wellenleistung erzeugt je nach Enddruck bis zu 36 m3/min Druckluft. Dabei fallen 400 kW nutzbare Abwärme an. Der Gasverbrauch von 56 m3/h steht hier preislich in Konkurrenz zum Verbrauch eines elektrischen Kompressors. Bei dem aktuellen Preisverhältnis zwischen Erdgas und elektrischer Energie, der momentan bei 1:3 liegt, macht die Lösung wirtschaftlich Sinn.
Die KWK-Druckluft Anlage+ ist außerdem mit einem Effizienzmessgerät für die erzeugte Druckluft und Wärme ausgestattet ist. Gegenüber dem bisherigen elektrischen Kompressor werden somit für jeden prüfbar die eingesparten Klimagase (in kg CO2) dokumentiert. Denn mit jeder Betriebsstunde der Anlage werden 59 kg des klimaschädlichen Gases eingespart.
Weder Nixdorf noch Hübner haben für ihre Anlagen Fördermittel in Anspruch genommen. Ein EEG-Abschlag – wie bei der Eigenstromerzeugung – verschlechtert daher nicht die wirtschaftliche Bilanz. Gegenüber einem BHKW zur Stromerzeugung und einem elektrischen Kompressor liegt der technisch wirtschaftliche Vorteil im Wirkungsgrad und den Anschaffungskosten. Es werden die Leistungselektronik für die Einspeisung und Drehzahlregelung sowie zwei 200-kW-Elektromotoren eingespart. Der Wirkungsgradverlust des Elektromotors und -generators liegt bei ca. 10 %.
Die Kosten für die Bereitstellung von 17 Millionen m³ Druckluft mittels elektrischer Energie betragen circa 300 000 Euro. Bei Abwärmenutzung der KWK Druckluft+ Anlage können die Kosten um 50 % im Vergleich zu einem elektrischem Kompressor plus Heizkesselanlage gesenkt werden. Die Kosten für die Drucklufterzeugung belaufen sich somit auf nur noch 150 000 Euro. •

Ein Prozess
KWK-Anlagen erzeugen Strom und Nutzwärme gekoppelt, das heißt gleichzeitig in einem Prozess. Hierdurch kann der eingesetzte Brennstoff sehr viel effizienter genutzt werden als bei der herkömmlichen Produktion in getrennten Anlagen. Die Bundesregierung will daher bis zum Jahr 2020 25 % des elektrischen Stroms aus Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt sehen. Diese ist ein technischer Bestandteil für das Gelingen der Energiewende, da es momentan noch an Speichertechnik fehlt. Das Gasnetz in Deutschland kann den Energiebedarf circa zwei bis drei Monate speichern. Wird Wind- und Solarstrom zu Methan umgewandelt, könnten die KWK-Anlagen diesen bei Flaute und bedecktem Himmel verstromen. •

Fördermöglichkeiten
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bietet zwei Verfahren zur Förderung von KWK-Anlagen an:
  • Nach der Richtlinie zur Förderung von KWK-Anlagen mit einer elektrischen Leistung bis 20 kW zahlt das BAFA einen einmaligen Investitionszuschuss an den Anlagenbetreiber aus.
  • Nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) zahlt der Stromnetzbetreiber unabhängig von der elektrischen Leistung der KWK-Anlage auf Grundlage des Zulassungsbescheides des BAFA für den erzeugten KWK-Strom über einen bestimmten Zeitraum einen Zuschlag an den Anlagenbetreiber.
Danach sind laut Postberg + Co. heute Fördergelder in Höhe von bis zu 62 000 Euro für die KWK-Druckluft+ Anlage möglich. Die Förderung kann per Umweltgutachten beantragt werden. •
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