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Neue Messtechnik sorgt für Durchblick im Unwetter

Blitzstrom-Messsystem erleichtert die Wartung von Windkraftanlagen
Neue Messtechnik sorgt für Durchblick im Unwetter

Blitzeinschläge zählen zu den häufigsten Schadensursachen bei Windkraftanlagen. Oft bemerken die Betreiber den Schaden jedoch erst, wenn dieser zum Stillstand der Anlage führt. Ein neues Messsystem, das auf dem Faraday-Effekt beruht, soll Abhilfe schaffen.

1 349 049 – genau so viele Blitze hat der Blitz Informationsdienst von Siemens (BLIDS) allein im Jahr 2010 über Deutschland registriert. Das leuchtende Wetterphänomen ist somit keine Seltenheit. Nur 10 % aller Blitze schlagen dabei in den Boden ein. Doch allein dieser Bruchteil verursacht hierzulande jedes Jahr Schäden in Höhe von mehreren Millionen Euro. So sind Blitzeinschläge immer wieder für Haus- und Waldbrände verantwortlich oder zerstören elektronische Geräte. Als besonders gefährdet gelten hohe, freistehende Bauwerke aus Metall. Dazu zählen nicht nur Funk- und Hochspannungsmasten, sondern auch zunehmend Windkraftanlagen. Inzwischen werden in Deutschland mehr als 22 000 solcher Anlagen betrieben – Tendenz steigend.

Die Unberechenbarkeit der Blitze macht der Windenergie-Branche das Leben besonders schwer. Ende Juni schlug beispielsweise ein Blitz in eine Versuchsanlage des Offshore-Spezialisten Areva Wind ein. Das betroffene Rotorblatt brach und musste vollständig ausgetauscht werden. Doch nicht immer ist der Schaden nach einem Unwetter so offensichtlich wie in diesem Fall. So kann ein Einschlag auch feinste Risse im Blatt oder Verschmelzungen in der Mechanik hinterlassen. Für die Windpark-Betreiber bedeutet diese Ungewissheit, dass sie die Anlagen in kurzen Zeitabständen regelmäßig prüfen müssen. Dies ist insbesondere bei Offshore-Anlagen sehr zeit- und kostenintensiv.
Dieses Problem haben die Ingenieure des Automatisierungsspezialisten Phoenix Contact aus Blomberg zum Anlass genommen, das so genannte Lightning Monitoring System (LM-S) zu entwickeln. „Schon seit Jahren sind wir in verschiedenen Bereichen der Industrie mit unseren Lösungen für den Blitz- und Überspannungsschutz unterwegs, auch in der Windindustrie. Viele Hersteller sind auf uns zugekommen und haben uns nach einem Produkt gefragt, das mehr sowie zeitnahe Informationen über die Blitze liefert“, sagt Arno Kiefer, verantwortlich für die Entwicklung des LM-S. Bisherige Messsysteme hätten lediglich den höchsten Blitzstrom oder die Anzahl der Blitze registriert. Das LM-S sei dagegen in der Lage, nicht nur den Blitzstrom, sondern auch die Steilheit des Blitzstromverlaufs, die Ladung und die spezifische Energie sowie den Zeitpunkt des Einschlags zu messen.
Die Innovation des LM-S liegt im Messverfahren, das auf dem so genannten Faraday-Effekt basiert. Um die verschiedenen Parameter eines Blitzeinschlags zu erfassen, schickt eine Analyseeinheit ständig gepulstes Licht über einen Lichtwellenleiter an einen Sensor, der direkt auf dem Ableiter des Rotorblatts montiert ist. Dies ist möglich, weil der Sensorkopf ohne elektronische Komponenten auskommt. Schlägt nun ein Blitz in das Windrad ein, wird das gesendete Lichtsignal durch das Magnetfeld des Blitzstroms verändert. Über diese Änderungen kann die Analyse-einheit den Einschlag auswerten. Die Messergebnisse werden in Echtzeit per Ethernet-Anschluss an den zuständigen Service-Techniker übertragen. So können die Betreiber von Windenergieanlagen schneller und gezielter auf mögliche Störungen reagieren.
Das LM-S ermöglicht dabei eine völlig neue Form der Schadensanalyse, denn „bisher wusste man nicht, welche Blitzstärke für welchen Schaden verantwortlich ist“, so Arno Kiefer. Mit Hilfe des neuen Systems könnten die Betreiber nun Datenbanken mit genau solchen Informationen aufbauen. „Deshalb ist die Einführung des LM-S auch eine Art Lernprozess.“
Um diesen Lernprozess voranzutreiben, unterhält Phoenix Contact auch eigene Testanlagen. So ist beispielsweise ein LM-S am Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald montiert. Die Statue des Cheruskerfürsten ragt mehr als 53 m in den Himmel und besteht aus Eisen und Kupfer. Damit ist sie ein wahrer Blitzfänger. Die Daten nutzt das Unternehmen, um weitere Erfahrungen im Umgang mit dem System zu sammeln. „Gleichzeitig haben wir beschlossen, ein Terminal aufzustellen, der die gesammelten Daten für die Besucher des Denkmals übersichtlich aufbereitet und allgemeine Informationen zu Gewittern bietet, um auf die Thematik hinzuweisen“, erklärt Kiefer.
Dieses Beispiel zeigt, dass der Einsatz des LM-S nicht nur bei Windkraftanlagen sinnvoll sein kann. „Ein weiteres spannendes Themenfeld ist die Überwachung von Varistoren in der Hochspannungstechnik“, sagt Kiefer. Bei Varistoren handelt es sich um spannungsabhängige Widerstände, die aufgrund von Überspannungen „altern“ und deshalb regelmäßig ausgetauscht werden müssen. Auch hier könnte das LM-S für eine zeitnahe und damit effiziente Wartung sorgen. Der Gewinn des Hermes Awards 2012 dürfte noch so manch andere Branche auf das Blitzmesssystem der Blomberger aufmerksam gemacht haben und so in naher Zukunft weitere Anwendungsmöglichkeiten eröffnen.

Michael Faraday

Der 1791 in Newington bei London geborene Michael Faraday entdeckte unter anderem die elektromagnetische Rotation sowie die elektromagnetische Induktion und legte damit den Grundstein für die heutige Elektroindustrie. Der nach ihm benannte Effekt wurde von ihm im Jahr 1845 entdeckt. Er gilt als erster experimenteller Hinweis darauf, dass Licht und Magnetismus miteinander in Beziehung stehen. Nicht nur deshalb gilt der Brite bis heute als einer der weltweit bedeutendsten Experimentalphysiker.

BLIDS

Der Blitz Informationsdienst von Siemens (BLIDS) nutzt die mehr als 145 Messstationen des Projektes European Cooperation for Lightning Detection (EUCLID). Auf Basis dieses Netzwerk-verbundes werden Gewitterblitze landesweit auf bis zu 200 m genau geortet. Wenige Sekunden nach einem Blitzschlag stehen die Informationen über das Internet bereit. Um Mensch und Maschine vor Gewittern zu schützen, analysiert das System die registrierten Blitze und versendet bei Bedarf Warnhinweise.
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