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Pumpen auf dem Ökotrip

Ergebnisse von „Leuchttürme energieeffizienter Pumpensysteme in Industrie und Gewerbe“
Pumpen auf dem Ökotrip

Pumpen zählen heute zu den großen Energiefressern in der Industrie. Das muss nicht sein. Energieverbrauch und Kosten lassen sich um bis 30 % senken, zeigt das Projekt „Leuchttürme energieeffizienter Pumpensysteme in Industrie und Gewerbe“.

Als die Energieexperten der Deutschen Energieagentur (Dena) und der Dortmunder Wilo SE zum Stahlproduzenten Arcelormittal Bremen kamen, um die beiden Pumpensysteme „Ölstationen Hafen und Hochofen“ und „Warmwasserpumpwerke 1 und 2 des Kühlkreislaufs Warmwalzwerk“ genauer unter die Lupe zu nehmen, waren sie nicht sonderlich überrascht vom zu hohen Energieverbrauch: Die installierten Pumpen waren auf den maximalen Bedarf an Fördermenge ausgelegt. Wurde das System im Betriebszustand „Warmhaltebetrieb“ mit einem geringeren Förderbedarf gefahren, wurde trotzdem die maximale Menge transportiert und das Medium kontinuierlich im Kreis gepumpt.

Da die Pumpen außerdem nicht geregelt liefen und so kontinuierlich ihre maximale Last förderten, wurde die Leitung bei geringer Abnahme von Öl durch den Hochofen teils mit zu hohem Druck beaufschlagt. Das Urteil der Dena lautete: Aufgrund der ungünstigen Betriebsbedingungen treten durch unnötig hohe Betriebsstundenzahlen Instandhaltungskosten auf, die schätzungsweise doppelt so hoch sind wie eigentlich erforderlich.
Im Rahmen des Projekts „Leuchttürme energieeffizienter Pumpensysteme in Industrie und Gewerbe“ erhielt der Stahlhersteller Vorschläge für die Optimierung der Pumpensysteme: Vom Betriebszustand „Versorgung“, in dem die Pumpensysteme den Hochofen mit Zusatzreduktionsmitteln wie Schweröl versorgen, sollte auf den so genannten Warmhaltebetrieb umgeschaltet werden, in dem keine Förderung zum Hochofen stattfindet. Mit diesem Warmhaltebetrieb, so die Berechnungen der Spezialisten, kann das Unternehmen mit relativ geringen Investitionen pro Jahr Stromkosten in Höhe von 17 600 Euro sowie zusätzlich Instandhaltungskosten von 20 000 Euro einsparen.
Angesichts dieser Kosteneinsparpotenziale waren vor allem die Verantwortlichen bei Arcelormittal verblüfft: „Wir waren überrascht, welche Einsparpotenziale in den meist wenig betrachteten Nebenaggregaten aufgedeckt werden konnten“, sagt Michael Rüdebusch aus der Abteilung Energiewirtschaft.
Die Situation bei Arcelormittal ist typisch in der Industrie: Durchschnittlich 85 % der Lebenszykluskosten eines normalen Pumpensystems werden durch die Energiekosten verursacht. Im produzierenden Gewerbe in Deutschland summierte sich dies auf insgesamt 50 Twh Strom im Jahr 2007. „Ein großer Teil dieser Energie wird allerdings nicht effizient genutzt“, weiß Martin Streibel, Projektleiter Energiesysteme und Energiedienstleistungen bei der Deutschen Energie-Agentur (Dena) in Berlin.
Er taxiert die durchschnittlich zu erzielenden Einsparpotenziale auf rund 30 % – „wenn nach einer Bedarfsanalyse die betrieblichen Pumpensysteme als Gesamtsysteme optimiert werden“. Denn für ihn ist klar: „Der Einbau eines alternativen, energieeffizienten Motors greift zu kurz. Man muss den Gesamtwirkungsgrad betrachten.“
Daher hat Dena in dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Projekt gemeinsam mit den Industriepartnern Grundfos, Sulzer Pumpen und Wilo mehr als 70 Unternehmen quer durch alle Branchen und Größen kostenfrei beraten. Das Ergebnis: Einsparpotenziale bei Pumpensystemen sind durch die Bank bei allen vorhanden. Die Mehrzahl der Unternehmen spart zwischen 2500 und 50 000 Euro jährlich ein.
Doch um diese Potenziale tatsächlich zu heben, spielt die Reihenfolge der Maßnahmen eine wichtige Rolle. Der tatsächliche Förderbedarf muss gemessen und analysiert werden. An diesem Bedarf erfolgt dann die Ausrichtung der Dimensionierung der verschiedenen Systemkomponenten. Anschließend werden die einzelnen Komponenten schrittweise aufeinander abgestimmt.
So gibt es bei Pumpensystemen neben den Motoren viele Stellschrauben, an denen sich drehen lässt. Dazu gehört das Rohrleitungssystem: Ist es hinsichtlich Durchmesser und Rauigkeit richtig ausgelegt? Gibt es lokale Verengungen im Rohrleitungsnetz, die man beseitigen sollte? Krümmungen, Rohrbögen und Einbauten wie Ventile und Klappen, sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Die Einsparpotenziale liegen hier laut Dena bei 20 bis 50 %.
Vernachlässigt wird laut Streibel meist auch die Regelung und Steuerung der Pumpen. „Dabei kann man hier schnell 20 % Energie einsparen“, weiß er aus den Projekterfahrungen – und gibt hier folgende Tipps: Drossel- und Bypassregelungen vermeiden, eine Drehzahlregelung verwenden und Pumpen mittels Steuerung an den tatsächlichen Förderbedarf anpassen.
Wer den Hebel bei Pumpe und Motor ansetzen will, kann hier weitere 10 bis 30 % einsparen. Und zwar durch den Einsatz von Motoren mit energieeffizienten Leistungsklassen, die mindestens der neuen Energieeffizienzklasse IE2 entsprechen. Die Umsetzung der Ökodesign-Richtlinie (EuP/ErP) gewährleistet ab Juni 2011 die Energieeffizienz von elektrischen Motoren. Außerdem erreicht man Flexibilität durch den parallelen Betrieb mehrerer Pumpen.
Dass sich mit relativ kleinen Investitionen große Wirkung erzielen lassen, zeigt das Beispiel Arcelormittal: Um die Effizienz des Pumpensystems „Ölstationen Hafen und Hochofen“ für den Betriebszustand „Warmhaltebetrieb“ zu optimieren, wurde eine kleine, regelbare Pumpe mit einem Druck von 8 bar eingebaut, die das System und den Schweröltank warm hält. Mit Hilfe eines Frequenzumrichters werden heute verschiedene Betriebspunkte je nach Bedarf effizient angefahren. Außerdem wurde der Heizkreislauf für den Tank der Ölstation außer Betrieb genommen. Stattdessen wird der Wärmetauscher in der Ölstation Hochofen nun als Wärmequelle genutzt. Investiert hat der Stahlbauer hier 45 000 Euro. Dies entspricht bei Einsparungen von Strom- und Instandhaltungskosten in Höhe von jährlich 37 600 Euro einer Kapitalrendite von 84 %. „Niedrigere Instandhaltungskosten sind häufig ein schöner Nebeneffekt energetischer Pumpensystemoptimierungen“, ergänzt Streibel.
Zur Optimierung des Systems „Warmwasserpumpwerke 1 und 2 Warmwalzwerk “ bei Arcelormittal haben die Dena-Experten die Kennlinien der eingesetzten Pumpen für die beiden Pumpwerke betrachtet. Da die Pumpen weit außerhalb ihres jeweils idealen Betriebspunkts liefen, wiesen sie durchweg sehr niedrige Wirkungsgrade auf. Bei gering anfallender Wärmelast, so die Empfehlung, sollte die Fördermengen auf zwei getrennte Pumpensysteme aufgeteilt werden: Während ein Pumpwerk permanent Wasser zum Kühlturm befördert, pumpt ein anderes, neu errichtetes Pumpwerk das Wasser in Abhängigkeit von der Temperatur am Kühlturm vorbei direkt in die Kaltwasserbecken.
Die in diesem Pumpwerk installierte moderne Pumpe ist nicht nur kleiner und energieeffizienter, sondern kann aufgrund des reduzierten Drucks auch kontinuierlich in ihrem optimalen Wirkungsgrad arbeiten. Auf diese Weise kann der Stromverbrauch der Warmwasserpumpwerke jährlich um insgesamt 2,5 Millionen kWh reduziert werden. Dies entspricht einer Stromkostenersparnis von 200 000 Euro. Die Investitionen lagen bei 465 000 Euro, so dass die Kapitalrendite bei 43 % liegt.
Während bei Arcelormittal Bremen das Pumpensystem als Ganzes verbessert wurde, stand im Werk Bergkamen der Bayer Schering Pharma AG die Optimierung der Regelung und Steuerung im Vordergrund. Der jährliche Gesamtverbrauch der acht Pumpen in zwei Kühltürmen belief sich bis dahin auf 4,6 Mio. kWh. „Wir suchten nach Möglichkeiten der Prozessoptimierung und Energieeinsparung, ohne das im Erdreich verlegte Rohrleitungssystem verändern zu müssen“, erklärt Dietmar Kühn, Projektleiter auf Seiten von Bayer Schering Pharma.
Schon nach den ersten Gesprächen mit Dena und Grundfos wurde außerdem der Austausch der aus den 70er Jahren stammenden vertikalen Turbinenpumpen oder ihrer Motoren ausgeschlossen: Sie arbeiten aufgrund ihres hohen Kupferanteils sehr effizient. Die durchgeführten Messungen zeigten indes, dass die Rückschlagklappen hinter den Pumpen einen hohen Druckverlust verursachen. Die Lösung: Neue druckverlustreduzierte Rückschlagklappen wurden an den Pumpen in den Kühltürmen eingebaut. Dadurch werden zwei der acht Pumpen nicht mehr benötigt. Außerdem wurden die Pumpen früher je nach Bedarf teilautomatisiert zugeschaltet, so dass häufig mehr Leistung bereitgestellt als tatsächlich benötigt wurde.
Aus diesem Grund entschied sich Bayer Schering Pharma dafür, die beiden Kühlsysteme mit einer übergreifenden Steuerung auszustatten, welche die bedarfsorientierte Nutzung der Pumpen ermöglicht. Zwei Grundlast-, drei Proportionalbereichs- und eine Spitzenlastpumpe sieht das Konzept vor. Eine Kaskadensteuerung auf Basis einer speicherprogrammierbaren Steuerung schaltet heute die Pumpen der beiden Rückkühlwerke bedarfsorientiert zu und ab.
Auch die Zahlen von Bayer Schering Pharma sprechen für sich: Durch die verschiedenen Energieeffizienzmaßnahmen wird das Unternehmen den Stromverbrauch im Jahr um mehr als 1 Mio. kWh senken. Davon entfallen 150 000 kWh auf die neuen Rückschlagklappen, 530 000 kWh auf die Implementierung der Kaskadensteuerung sowie 385 000 kWh auf den Frequenzumrichter einschließlich Steuerung. Damit spart der Pharmahersteller rund 109 000 Euro pro Jahr. Bei den getätigten Investitionen in Höhe von 55 000 Euro amortisieren sich die Maßnahmen somit bereits innerhalb eines halben Jahres. Doch der Pharmahersteller will noch mehr: Eine Pumpenregelung mittels Frequenzumrichter soll garantieren, dass automatisch immer nur die benötigte Förderleistung bereitgestellt wird.
Sabine Koll Journalistin in Böbingen
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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