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Schwankungen im Griff

Pumpspeicherwerke reagieren flexibel auf Nachfragen im Stromnetz
Schwankungen im Griff

Energiespeicherung | Pumpspeicherwerke speichern als gigantische Batterien überschüssige Energie und geben sie später wieder ab. Die Branche fordert nun politische Unterstützung, damit Netzdienstleister und Stromspeicher wirtschaftlich arbeiten können.

Nikolaus FechtFreier Journalist in Gelsenkirchen

Eine wichtige Rolle im „Konzert“ der Energieerzeuger spielen Pumpspeicherwerke (PSW). Diese können bisher als einzige Anlagen in großem Maßstab elektrische Energie wirtschaftlich speichern. „In einem modernen Konzept auf Basis erneuerbarer Energien müssen heute temporär sehr hohe Leistungen aus der volatilen Erzeugung durch Wind und Photovoltaik dem Verbrauch in ständig wechselnder Menge angepasst werden“, erklärt Peter Magauer, Spartenleiter Großanlagen bei dem PSW-Hersteller Andritz Hydro aus Ravensburg.
Wenn der Anteil erneuerbarer Energien gering sei oder flexible Energiequellen wie Speicherwasserkraft zur Verfügung stünde, gäbe es noch kein großes Problem. „Wenn aber einmal der Großteil der elektrischen Energien aus erneuerbaren Quellen stammt, halte ich einen wesentlichen Anteil an Speicherwasserkraft oder PSW in einem Energiemix für unerlässlich“, betont der Experte. Die Wasserkraftwerke haben den Vorteil, große Mengen elektrischer Energie mit hohem Wirkungsgrad speichern zu können. Doch PSW können noch mehr: Die Anlagen lassen sich auch in hoch erschlossenen Regionen ohne nennenswerte Eingriffe in ein Fluss-System verwirklichen und können deshalb auch hierzulande ökologisch verträglich gebaut werden.
„Durch den Einsatz von Pumpspeicherwerken wird ein schonender und wirtschaftlicher Betrieb des vorhandenen thermischen Kraftwerkparks ermöglicht“, sagt Heike Bergmann, Mitglied der Geschäftsführung von Voith Hydro. Auf das Abschalten von Verbrauchern in Industrie und Privathaushalten könne laut dem Komplettanbieter zur Ausrüstung von Wasserkraftwerken zu einem großen Teil verzichtet werden. Mithilfe von PSW könne auch ein Land wie Deutschland mit wenigen fossilen Reservekraftwerken auskommen.
Der Konzern stattet derzeit das zukünftig größte Drehzahl-variable PSW Europas mit zwei Pumpturbineneinheiten mit insgesamt 780 MW Leistung aus. Das neue PSW „Frades II“ in Portugal kann leicht die Leistung von einem oder mehreren großen Offshore-Windparks puffern. Für flexiblen Betrieb sorgen doppelt gespeiste Asynchronmaschinen, deren Drehgeschwindigkeit im Gegensatz zu herkömmlichen Synchronmaschinen von der Netzfrequenz entkoppelt ist und so variieren kann. „Die neuen Systeme können schneller und flexibler auf Nachfragen aus dem Stromnetz reagieren“, erläutert Bergmann. Während eine herkömmliche Anlage im Motor- und im Generatorbetrieb entweder ein- oder ausgeschaltet ist, können die neuen Einheiten entsprechend der aktuellen Nachfrage im Netz innerhalb ihres Drehzahlbereichs mit jeder Drehzahl betrieben werden. Das ist eine wichtige Eigenschaft beim Einspeisen schwankender Energien wie Wind- oder Solarkraft.
„Pumpenspeicherwerke sind gegenwärtig die einzige Möglichkeit, überschüssige Wind- und Sonnenenergie in Größenordnungen effektiv zu speichern und bedarfsgerecht ins Netz einzuspeisen“, meint auch Dr. René Kühne, Produktionsleiter für Wasserkraftwerke bei der Vattenfall VE-Generation aus Cottbus. In Deutschland hat der schwedische Stromerzeuger acht PSW im Einsatz, die bei Bedarf die Hälfte des maximalen Arbeitsvermögens aller deutschen PSW leisten.
Ein Problem ist aber, dass die technischen Anforderungen stark variieren: Im Durchschnitt sind die Wasserkraftwerke 53 Jahre alt. „Wir haben nun fast alle Anlagen so qualifiziert, dass sie die jeweils erforderliche Regelleistung liefern können“, erklärt der Produktionsleiter. „Diesem technisch positiven Aspekt steht entgegen, dass wir in unserer Doppelrolle als Letztverbraucher und Kraftwerk finanziell doppelt belastet werden. Wir müssen jede für den Pump-Betrieb nötige Megawattstunde teuer bezahlen.“ Daher kämpft der Konzern dafür, dass der Gesetzgeber den Status von PSW als Letztverbraucher im Energiewirtschaftsgesetz abschafft.
Wie sinnvoll eine juristische Änderung ist, zeigt ein Blick auf die Bedeutung der Kraftwerke bei extrem starken Netzschwankungen: Wegen des Ausfalls einer elektrischen Koppelleitung kam es 2012 zu einem Überangebot von Windkraftenergie. Innerhalb von weniger als zehn Minuten änderte sich die Stromlast um 1500 MW – es drohte eine kritische Netzsituation. Vattenfall musste zwei Wasserkraftwerke von voller Turbinenleistung auf Pump-Betrieb umstellen, um die überschüssige Leistung aufzunehmen.
Als wesentlichen Baustein der deutschen Energiewende sieht sich auch der baden-württembergische Pumpspeicheranlagenbetreiber Schluchseewerk. Für PSW spricht laut Vorstandsmitglied Dr. Nicolaus Römer, dass sie im Gegensatz zu ebenfalls schnellen und flexiblen Gaskraftwerken bei Netzüberlastungsgefahr große Mengen Strom aus dem Netz herausziehen, um einen Zusammenbruch zu verhindern. Mit Blick auf die massiv steigende Anzahl immer häufigerer kritischer Netzsituationen sei von großer Bedeutung, dass Pumpspeicher schwarzstartfähig sind. Das heißt, ein Kraftwerk kann aus abgeschaltetem Zustand auf volle Leistung hochfahren. Nach eventuellen Netzzusammenbrüchen können die Kraftwerke so schnell und unabhängig große Mengen Strom zur Verfügung stellen.
Die PSW-Branche hofft nun auf entsprechende politische Unterstützung, damit Netzdienstleister und Stromspeicher wirtschaftlich arbeiten können. „Sonst wird es den notwendigen Zubau weiterer Speicher nicht geben“, gibt Römer zu bedenken.
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