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Bei 63 g weniger war das Ziel der Diät erreicht

Bremsen: Volle Kraft für Roboter bei weniger Gewicht
Bei 63 g weniger war das Ziel der Diät erreicht

Gewicht reduzieren. So lautete das oberste Gebot für alle Bauteile und Komponenten des Leichtbauroboters, der am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelt wurde. Um rund 40 % leichter wurde die Bremse des Antriebstechnik-Anbieters Mayr.

Hermann Bestle ist Mitarbeiter der Chr. Mayr GmbH + Co. KG in Mauerstetten

Als echte Kraftpakete könnte man eine neue Leichtbauroboter-Generation bezeichnen: Bei einem Eigengewicht von nur 18 kg bewegen sie Lasten von über 7 kg. Das war nur zu erreichen, indem alle hochbelasteten Bauteile auf Steifigkeit, Festigkeit, Lebensdauer, Gewicht und Fertigungstechnik überprüft und den Anforderungen des Leichtbaus angepasst wurden.
Neben Weltraumanwendungen soll es eine Vielzahl von terrestrischen Einsatzmöglichkeiten für diese Leichtgewichte geben: „Das Thema Mobilität spielt eine immer größere Rolle“, betont Prof. Gerd Hirzinger, Leiter des Instituts für Robotik und Mechatronik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen. Mitarbeiter seines Instituts haben die Roboter entwickelt und erstmals in Hannover auf der Messe präsentiert. „In unserem Projekt“, so Hirzinger, „kommen die Vorteile von Leichtbau und integrierter Elektronik voll zum Zug. Wir zeigen mit unseren Arbeiten neue Wege in der Roboterentwicklung auf, die in den kommenden Jahren mit Sicherheit auch in der Industrie zum Einsatz kommen.“
Mit Berechnungen nach der Finite-Elemente-Methode ließen sich die kritischen Elemente optimieren und in Zusammenarbeit mit den Zulieferern überarbeiten. Die Mauerstettener Chr. Mayr GmbH & Co. KG beispielsweise reduzierte das Gewicht ihrer elektromagnetischen Sicherheitsbremsen um 40 %. Diese Fliegengewichte erfüllen in den Gelenken des Leichtbauroboters fast ausschließlich Haltefunktion. In sehr seltenen Fällen müssen sie aber auch bei Not-Aus aus voller Bewegung abbremsen und die entstehende Reibarbeit aufnehmen.
Möglich wurde die Gewichtsreduktion, weil eine Steuerelektronik mit Leistungsabsenkung eingesetzt wird. Sie reduziert die Verlustleistung der Bremse und damit auch die freigesetzte Wärme um etwa 90 %. Das vereinfachte die thermische Auslegung des Gesamtsystems erheblich. Da nur noch eine geringere elektrische Leistung erforderlich war, ließ sich das Gewicht der Bremse beim Redesign von ursprünglich 218 g auf 155 g senken.
Die Steuerelektronik ist in der überarbeiteten Version direkt auf der Bremse montiert, und zwar auf der Rückseite des Spulenkörpers. So ist ein mechatronisches Element entstanden. Durch diese Anordnung sind weniger Anschlusslitzen erforderlich, die in einem Kabelstrang durch die Hohlwelle des Motors geführt werden müssen.
Die Bremse arbeitet in der Standardversion wie auch in der Leichtbau-Version nach dem Ruhestromprinzip: Solange kein Strom durch die Magnetspule fließt, drücken Schraubenfedern über die Ankerscheibe auf einen Reibbelagrotor. Sie erzeugen die Kraft, die für das geforderte Bremsmoment aufgebracht werden muss. Sobald die Magnetspule bestromt ist, wird die Ankerscheibe gegen die Kraft der Schraubenfedern an den Spulenkörper gezogen – die Bremse ist gelüftet. Wenn sie diesen Zustand erreicht hat, benötigt sie nur noch eine stark reduzierte Haltespannung zum Öffnen. Auf diesen Wert senkt die integrierte Elektronik die Spannung ab. Darauf basieren die geringere Verlustleistung und geringere thermische Belastung des Systems.
Im Gegensatz zu den herkömmlichen Roba-Stop-Bremsen ist die Variante für den Leichtbauroboter in offener Bauform ausgeführt. Im Automaten wiederum schützt sie ein komplett geschlossenes Gehäuse gegen äußere Einflüsse.
Neben dieser konstruktiven Anpassung weist die Roboter-Bremse einige weitere Besonderheiten auf. Der Spulenkörper beispielsweise übernimmt mehrere Funktionen. In ihm ist die Magnetspule integriert. Gleichzeitig dient er als Lagerschild für den Motor, trägt die Steuerelektronik und nimmt ein Motorlager auf.
Die Form aller Bauteile wurde konstruktiv untersucht und auf möglichst geringes Gewicht optimiert. Bei einigen Bauteilen ließen sich weitere Einsparungen erzielen, indem andere Werkstoffe verwendet wurden. Bei der Nabe beispielsweise ersetzt Aluminium Stahl. Der Rotor, der üblicherweise aus einem Aluminiumträger mit aufgeklebten Reibbelägen zusammengesetzt ist, besteht nun homogen aus dem Werkstoff des Reibbelags. Um den Schaltzustand zu erfassen und in erster Linie das Lüften zu überwachen, musste die Ankerscheibe von allen angrenzenden Teilen elektrisch isoliert werden. Diese Forderung ließ sich realisieren, indem auch hierfür der metallfreie Reibbelagwerkstoff oder spezielle Kunststoffteile verwendet werden.
Über den Einsatz im Roboter hinaus lässt sich die überarbeitete Bremse mit der stark reduzierten Leistung vor allem dort verwenden, wo unabhängig vom Stromnetz gearbeitet werden muss. In batteriegetriebenen Geräten wie beispielsweise Flurförderzeugen oder Behindertenfahrzeugen lässt sich so der Stromverbrauch besonders niedrig halten. In Flugzeugen und Hubschraubern könnte das Produkt das Bordnetz entlasten und wäre natürlich auch durch sein geringes Gewicht von Vorteil.
Entwicklungspartner: Bremsbeläge aus der Luft- und Raumfahrt
Der Leichtbauroboter war nicht das erste Projekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), an dem sich die Mauerstettener Mayr Antriebstechnik als Entwicklungspartner beteiligt hat.
Nicht nur die Roboterbremse, sondern auch die Hochleistungsbremse Roba-Stop ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Forschern und Industrie. Sie ist nicht wie üblich mit organischen Reibbelägen ausgerüstet, sondern mit hochtemperaturbeständigen keramischen Werkstoffen. Diese wurden von der DLR entwickelt.
Mit den keramischen Reibwerkstoffen übersteht die Hochleistungsbremse auch häufige Not-Aus-Bremsungen mit hohen Energieeinträgen. Die üblicherweise eingesetzten organischen Reibbeläge sind oft nicht ausreichend temperaturfest und nehmen durch Not-Aus-Bremsungen bei hohen Drehzahlen und Umfangsgeschwindigkeiten leicht Schaden. Im Extremfall müssen die Beläge schon nach einem einzigen Einsatz ausgetauscht werden. Der Hersteller hat auch weitere Sicherheitsbremsen entwickelt, unter anderem für Hafenkrananlagen, Personenaufzüge und bühnentechnische Einrichtungen.
Industrieanzeiger
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