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Mittelstand hat noch Nachholbedarf bei Robotern

Auch kleine Unternehmen können mit Gewinn automatisieren
Mittelstand hat noch Nachholbedarf bei Robotern

Der Einsatz gebrauchter Roboter bringt kleinen und mittleren Unternehmen sehr schnell Gewinne. Und dies nicht nur in der Massenfertigung, sondern auch bei Klein- und Kleinstserien.

Sven Hardt ist freier Journalist in Neuenhagen bei Berlin

Kaum jemand weiß, was Gasfedern wirklich sind“, wundert sich Gerhard Schopf, Prokurist bei der Bansbach Easylift GmbH & Co. KG in Lorch. „Mit Stoßdämpfern haben sie jedenfalls nichts zu tun.“ Gasfedern sorgen für kraftunterstützte Bewegung in Heckklappen von Autos, an ausklappbaren Treppen von Flugzeugen oder in verstellbaren Krankenbetten. Die Federn sind gefragt, wenn etwas Schweres zu heben, senken, dämpfen oder steuern ist. Bansbach produziert mit 140 Mitarbeitern ausschließlich Gasfedern – und erwirtschaftet damit rund 30 Mio. DM im Jahr.
„Wir gehören zu den wenigen, die diese Technologie perfekt beherrschen“, freut sich Schopf. Bansbach ist auf kleinere Serien bis 5000 Stück spezialisiert. Dank eines selbst entwickelten Baukastensystems kann das Unternehmen praktisch jede Gasfeder in kürzester Zeit fertigen und ausliefern. Ein Hochregallager beherbergt dazu hunderte Typen an Kolbenstangen und Zylindern mit unterschiedlichen Längen und Oberflächengüten. Die Anwendung entscheidet über die optimale Konfiguration der Gasfeder. Für jede neue Anwendung wird eine neue Feder entwickelt.
„Obwohl wir individuelle Nischenprodukte herstellen, versuchen wir, gleichartige Tätigkeiten zu automatisieren“, sagt der Prokurist. Bansbach setzt in der Vorfertigung und der Montage gebrauchte Roboter für Handlingaufgaben ein. In der Vorfertigung arbeiten zwei kleine Geräte der Fanuc Robotics Deutschland GmbH, Neuhausen, an Werkzeugmaschinen. Sie kürzen Kolbenstangen, schleifen Gewinde oder bearbeiten die Enden. Die Roboter greifen die Teile von einer Trägerpalette, lassen sie in der Maschine bearbeiten und stellen sie wieder auf der Palette ab. Spannende Erkenntnis: Die Maschinen rechnen sich bereits bei kleinen Teilmengen. Schopf erklärt, warum: „Wenn ein Kunde sofort 50 Gasfedern einer bestimmten Länge braucht, und wir haben die Kolbenstangen in dieser Länge nicht auf Lager, dann lohnt sich eine Neufertigung nicht. In diesem Fall kürzen wir Lagerware.“
Nur mit einem gebrauchten Roboter ist diese Arbeit in kurzer Zeit wirtschaftlich und mit hoher Präzision zu machen. Qualifiziertes Personal muss nicht an anderer Stelle abgezogen werden. Umrüstzeiten fallen praktisch nicht an, da veränderte Längen einfach im Bedienprogramm eingegeben werden. Mit dem Roboter kann Bansbach schnell und flexibel auf Kundenwünsche reagieren. Die Fanuc-Maschinen haben die Schwaben fast neu als Vorführgeräte mit einem Nachlass von etwa 20 % auf den Neupreis erworben.
Rolf Peters hat Bansbach vor einigen Jahren fünf gebrauchte Hitachi-Roboter für die Endmontage der Gasfedern verkauft. Heute ist er Geschäftsführer der K-Robotix GmbH in Bremen, die für den Deutschland-Vertrieb von Kawasaki-Robotern verantwortlich ist. „Wir müssen den deutschen Mittelstand bei der Automation auf einen international üblichen Standard bringen“, ist Peters überzeugt. „Deutschland hat in Westeuropa die geringste Roboterdichte. Der Nachholbedarf bei kleinen und mittleren Unternehmen ist riesig.“
Peters will diesen Bedarf verstärkt mit gebrauchten Geräten bedienen. Gemeinsam mit den Kawasaki-Systemhaus-Partnern in ganz Deutschland hat er den Team-Partner-Verbund Robot Second Hand gegründet. Die Systemhaus-Partner übernehmen die Anpassung und Integration beim Kunden. „Wir überholen die Geräte und geben drei bis sechs Monate Garantie“, wirbt Peters. „Unsere Partner führen Schulungen durch. In Bremen werden wir ein Schulungszentrum für gebrauchte Hitachi- und Kawasakiroboter errichten. Denn jeder Roboter ist nur so gut wie sein Programmierer.“ Ein Kurs kostet etwa 1200 Mark pro Mann und Woche.
Peters sieht einen deutlichen Trend zum Gebrauchtroboter. Aus der Automobilindustrie fließen große Mengen gebrauchter Schweißroboter zurück, die auch für Handling-Aufgaben eingesetzt werden können. Die Autobauer tauschen derzeit im großen Stil Fünf-Achsen- durch flexiblere Sechs-Achsen-Roboter aus. Für kleine Handlinganwendungen wie bei Bansbach reichen fünf Achsen völlig aus. Allerdings muss man einen spitzen Bleistift ansetzen. „Beim Schweißen ist der Roboter gegenüber dem Menschen um den Faktor drei produktiver“, erklärt Peters. „Beim Handling aber ist menschliche Arbeitskraft billiger als beim Schweißen.“
In jüngster Zeit engagieren sich immer mehr Roboterhersteller im Gebrauchtgeschäft. Ein Motor dieser Entwicklung ist die ABB Flexible Automation GmbH, Friedberg. Die Hessen modernisieren gebrauchte Roboter aus dem eigenen Hause. Techniker zerlegen die Maschine, tauschen Verschleißteile aus und ertüchtigen die Mechanik. Sie bringen außerdem die Sicherheitsvorkehrungen auf den neuesten Stand.
Frank Schmidt, Abteilungsleiter Reconditioning bei ABB, weiß, dass auch gebrauchte Roboter High Tech sind: „Die Anwendungen und damit die Kinematiken haben sich in den letzten Jahren kaum verändert. Software und Steuerungstechnik können wir hingegen aktualisieren, so dass der Gebrauchtroboter fast wie neu ist.“ Besonderes Bonbon: Mit der ABB Structured Finance GmbH steht ein Finanzdienstleister zur Verfügung, der Leasingverträge für gebrauchte ABB-Roboter anbietet. Für Mittelständler eine interessante Option, sind doch deren Hausbanken bei der Finanzierung gebrauchter Maschinen eher zurückhaltend.
Die Kuka Roboter GmbH, Augsburg, ist im April auf den Gebrauchtroboterzug gesprungen. Die Augsburger wollen kleine und mittlere Unternehmen für ihre Marke gewinnen. Grundüberholung und Garantie sind selbstverständlich. Kosten: rund 60 % des Neupreises. Dabei ist ein Roboter nicht nur Rationalisierungsinstrument: „Die Maschinen arbeiten im Zwei- und Drei-Schicht-Betrieb zuverlässig und verbessern die Qualität“, sagt Michael Hauptmann, Referent für Öffentlichkeitsarbeit.
Auch der Schweißroboterhersteller Cloos GmbH, Haiger, bietet überholte Gebrauchtgeräte für 50 bis 60 % des Neupreises an. Verschleißteile wie Lager, Zahnradverbindungen, Verkabelung und Wegmesssystem werden ausgetauscht. Die Westfalen gewähren ein halbes Jahr Garantie und den gleichen Service wie bei neuen Maschinen.
In der Endmontage für blockierbare Gasfedern haben die Bansbach-Techniker vier Fertigungsinseln mit umgebauten Schweißrobotern von Hitachi geschaffen. Je nach Fertigungstiefe war einiges an Tüftelei erforderlich, bis die Montagestation funktionierte. In der ersten Fertigungsinsel setzt ein Roboter an den Maschinen Gasfedern aus vorgefertigten Teilen zusammen und befüllt sie mit Stickstoff. In der zweiten hat es der Automat nur mit Einzelteilen zu tun. „Hier mussten wir mehr Zuführungen bauen und mehr Maschinen vernetzen“, erklärt Bernd Maier, bei Bansbach zuständig für Handhabung und Automation. „Außer dem Roboter und seiner Steuerung haben wir an dieser Station alles selbst entwickelt und zusammengebaut, beispielsweise die Greifwerkzeuge oder die Magazine. Die SPS haben wir selbst programmiert und verdrahtet. Sensorik und Aktorik sind ebenfalls von uns.“
In der dritten Station werden die montierten Gasdruckfedern von einem Roboter gereinigt und etikettiert. Der letzte Roboter in der Reihe schraubt ein Endstück auf, das der Montage am Einsatzort dient. Bansbach fertigt an einer Station etwa 150 Gasfedern pro Tag. Die auf 10 kg Nutzlast ausgelegten Roboter müssen bis zu 3,5 kg bewegen. „Die Roboter bleiben bei dieser Auslastung an ihrer unteren Leistungsgrenze“, sagt Schopf. „Ein gut gewartetes und überholtes Gebrauchtmodell reicht hier völlig aus.“ Für die Hitachi-Roboter hat die Firma ein Drittel des Neupreises bezahlt. Maier ist zufrieden: „Die Roboter laufen seit zehn Jahren, wir hatten nur sehr wenige Ausfälle.“
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