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Robot macht Träume der Automobil-Bosse wahr

Autonome Werkstückträger revolutionieren Zuführtechnik
Robot macht Träume der Automobil-Bosse wahr

Acht Jahre haben Entwickler an einem autonomen Werkstückträgertransportsystem gearbeitet, das über Infrarot kommuniziert und die Produktion flexibel machen soll wie nie vorher. Ihre „Weltneuheit“ kommt ohne zentrale Steuerung aus.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

„Ich bin hier.“ „Ich sehe dich.“ Das Sprechen haben die Werkstückträger des neuen Servus-Systems zwar nicht gelernt, aber Informationen tauschen sie über eine Infrarot-Schnittstelle aus. Durch den direkten Kontakt zueinander und zu diversen Bearbeitungsstationen finden die Transporteinheiten den schnellsten Weg, um ihren Auftrag zu erledigen – ganz ohne die bisher erforderliche zentrale Steuerung.
Es war leidvolle Erfahrung, die die Entwickler dazu brachte, ein solches System zu erfinden. „Wir haben vor einigen Jahren eine Fertigungsstraße für die Zulieferindustrie gebaut“, berichtet Christian Beer, Geschäftsführer der Servus Robotics GmbH im österreichischen Lustenau. Weil im letzten Moment die Chefs des Automobil-Konzerns auf Änderungen an der Lenkradverstellung bestanden, schlugen sich zunächst die Konstrukteure des Zulieferers die Nächte um die Ohren. Auf den allerletzten Drücker mussten dann die Fertigungstechnik-Experten zusehen, wie sie die Produktion rechtzeitig in Gang bekamen. „In dieser Zeit ist uns klar geworden, dass wir Systeme für die Fertigung sehr viel flexibler gestalten müssen, um selbst in solchen Fällen schneller und besser reagieren zu können“, sagt Beer.
Wenn ein Programmierer so viel Komplexität verwaltet und jedem Werkstückträger seinen Weg vorschreiben muss, ist es mit der Flexibilität aber nicht weit her. Das Servus-System soll in dieser Hinsicht allen bisherigen Lösungen überlegen sein und gar einen „Paradigmenwechsel“ auslösen, denn laut Beer bekommen hier „die Transporteinheiten erstmals die Freiheit, Entscheidungen selbst zu treffen“.
Acht Jahre hat es gedauert, bis Servus-Robotics-Mitarbeiter ihre Lösung präsentieren konnten. Wenn Beer deren Funktionsweise beschreibt, drängt sich der Gedanke an das unter Materialflussexperten heiß diskutierte „Internet der Dinge“ auf: Jeder Werkstückträger – von der Servus-Mitarbeitern wegen der eingebauten Intelligenz als „Robot“ bezeichnet – bewegt sich auf einem Schienennetz mit eingebauten Bearbeitungsstationen und arbeitet einen Auftrag ab, der aus einer Abfolge von Einzelschritten bestehen kann. Wie er den Auftrag erfüllt und auf welchem Weg er die erforderlichen Stationen anfährt, stimmt er mit anderen Robots selbst ab – genau so, wie Datenpakete im Internet auf unterschiedlichen Wegen zusammenfinden und schließlich die Informationen für eine Seite liefern, die auf dem Bildschirm erscheint.
An den Bearbeitungsstationen geht die Einheit über eine Weiche auf Parkstation, so dass andere Werkstückträger ungehindert passieren können. Während an der Last geschraubt, gefügt oder gemessen wird, füllt der Robot bei Bedarf seine Energievorräte, sprich einen Superkondensator, der sich laut Beer unendlich oft wieder aufladen lässt.
„Die Intelligenz im Robot macht uns von einer zentralen Steuerung unabhängig“, schwärmt Beer, „so dass wir bei Änderungen in der Fertigung nicht das gesamte System neu programmieren müssen.“
Sobald der Robot die bearbeitetenTeile an der Zielstation abgegeben hat, fährt er zum Order Board, wo er den nächsten Auftrag erhält. An der intuitiven Benutzeroberfläche können Orders eingegeben und bestehende überwacht werden. „Wenn sich an einer Messstation herausstellt, dass beim Fügen etwas schief gegangen ist, nimmt der Robot selbstständig einen zusätzlichen Schritt in seine Auftragsabfolge auf und fährt eine Station an, wo Fehlteile gesammelt werden oder sich der Fehler beheben lässt“, sagt der Geschäftsführer.
Diese Sichtung kann automatisiert erfolgen. Das nächste Ziel für den Werkstückträger kann aber auch der Griffbereich eines Mitarbeiters sein, der das Werkstück begutachtet. „Das verstehen wir unter Flexibilität“, sagt Beer. So kann der Anwender seine Montage oder andere Prozesse in Produktion und Logistik an veränderliche Stückzahlen anpassen.
Keiner der Robots steht in diesem System untätig herum, sondern wie im Straßenverkehr sind die Träger immer unterwegs und bereit, einen neuen Auftrag zu übernehmen. Orientieren können sie sich, weil ihre kundenspezifisch angeordneten Schienen wie im Stadtplan von Manhattan mit definierten Kreuzungen und eindeutigen Adressen versehen sind.
Diesen Entwicklungsaufwand habe man sich leisten können, sagt Beer, da die Nachfrage nach Produkten der Mutterfirma Heron Robotunits die Investition ermöglicht habe. Auch wenn das System bisher nicht eingesetzt wird, sei bei der Motek-Messepremiere das Echo auf die kommunizierenden Robots „enorm“ gewesen. Der Abschiedsgruß „Servus“ bleibt allerdings dem Chef vorbehalten und wurde nicht in Infrarot übersetzt.
Werkstücktransport nach dem Prinzip des Internets der Dinge

Alleskönner auf dem Schienennetz

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Folgende Basisdaten kennzeichnen das Servus-System:
  • Robots transportieren Werkstücke bis zu einem Gewicht von 12 kg.
  • Jeder Robot hat einen Antrieb aus Gleichstrommotor und Reibrädern und bewegt sich damit in zwei Schienen mit Geschwindigkeiten von bis zu 90 m/min.
  • Die Zahl der Robots im System ist fast unbegrenzt.
  • Die Robots orientieren sich in einem Schienenraster aus „Avenues“ und „Streets“.
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