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Roboter verputzt in Ruhepausen Wannen

Entgraten: Rile stellt automatische Zelle vor
Roboter verputzt in Ruhepausen Wannen

Roboter, die Bearbeitungsmaschinen beschicken, haben viel Freizeit. Besser wäre es, wenn die flinken Helfer nicht herumstünden, sondern weitere Aufgaben übernähmen – zum Beispiel entgraten. Die Deggendorfer Rile-Gruppe präsentiert zur Emo eine Lösung.

Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Preuß

Wenn ein Mitarbeiter am Band herumsteht, weil die vorgelagerten Prozesse gerade keine Teile liefern, wird der Chef sauer. Wenn ein Roboter nicht ausgelastet ist, erst recht. Glaubt man Peter Radlsbeck, Geschäftsführer der Rile Roboter- und Anlagentechnik GmbH in Deggendorf, kommt das in der Praxis gar nicht selten vor: „Viele unserer Kunden beschicken ihre Bearbeitungszentren mit Robotern. Aber die sind so schnell, dass sie auf die Drehmaschine warten müssen.“
Radlsbeck machte aus der Not der Anwender eine Tugend und gibt den Robotern ein bisschen Arbeit für zwischendurch: Zur Emo wird Rile eine Standard-Entgratzelle vorstellen, in der ein Roboter undefinierte Grate von Werkstücken entfernt (Halle 23, Stand C42). „Die Zelle kann an jeder Bearbeitungsmaschine aufgebaut werden“, sagt Radlsbeck, „und das bei konstantem Raumbedarf.“ 80 % der Entgratzeiten sollen sich auf diese Weise einsparen lassen. Der Rile-Geschäftsführer bekommt glänzende Augen angesichts der bevorstehenden Messe. „Es gibt nur einen ernst zu nehmenden Wettbewerber auf dem deutschen Markt“, schätzt er die Lage ein. „Dabei interessiert sich eigentlich jeder Metallbearbeiter für das automatisierte Entgraten.“ Rile scheint gerüstet.
Die Niederbayern befassen sich mit Automatisierungslösungen rund um die spanende Fertigung. Das Know-how der Zerspanung existiert im Betrieb, ist man doch seit Jahrzehnten als Lohnfertiger tätig. „Dadurch war der Weg zur Peripherie und zum Komplettanbieter recht kurz“, erläutert Peter Radlsbeck.
Eigene Erfahrung regte ihn und seine Leute zu den automatischen Entgratzellen an: „Bei der Fertigung von Getriebegehäusen und anderen Teilen wurden wir häufig mit Entgratproblemen konfrontiert“, sagt der Rile-Manager. Das Hauptproblem: Das Entgraten hat eine weit höhere Wertschöpfung als etwa das Greifen oder Spannen. „Wenn da etwas schief geht, kann man das Werkstück wegwerfen.“ Den Totalverlust gilt es zu vermeiden. Noch einen anderen Grund nennt Radlsbeck: „Viele Werker arbeiten nur ungern in diesem Bereich oder suchen andere Einsatzmöglichkeiten im Unternehmen.“ Ferner führe der Facharbeitermangel dazu, dass manche Betriebe die Mitarbeiter schlichtweg an anderer Stelle benötigten.
Dafür kommt die Emo-Neuerung, die Rile seit Anfang des Jahres in der Automobilindustrie und bei deren Zulieferern getestet hat, gerade recht. Vor allem, wenn undefinierte Grate oder schwierige Konturen geglättet werden sollen. Damit der Roboter die Anforderungen erfüllt, werden spezielle Werkzeuge eingesetzt und die Software so programmiert, dass das System aus Roboterarm und Werkzeug zur rechten Zeit nachgibt.
Im Rahmen einer Hausausstellung, die im Juli in Deggendorf stattfand, konnten sich rund 100 Besucher schon mal vorab einen Eindruck verschaffen. Dort bearbeitete ein Fanuc-Roboter S-430iF Schutzgehäuse-Wannen. Ein Bediener reicht aus, um die Rohteile in definierter Lage auf einen Drehtisch zu legen und die fertigen Wannen zu entnehmen. Der Drehtisch transportiert das Rohteil in die Zelle, dann beginnt der Roboter mit der Arbeit. Er fährt zur Greiferwechselstation, entnimmt ein Werkzeug und bearbeitet die Wanne: fräst Konturen, entgratet an verschiedenen Stellen, bürstet, um eventuelle Sekundärgrate zu verhindern, und senkt ein paar Bohrungen an. Einige Male muss er das Werkzeug wechseln. Manche, die speziell für den Einsatz an Robotern weiterentwickelt wurden, damit sie beim Entgraten nachgeben können, kosten gut 20000 DM.
Rile bietet für alle Arbeiten passende Tools und dazu das Wechselsystem Changer 01 an. Damit kann der Roboter Werkzeuge und Greifer automatisch tauschen. Das Handhabungsgewicht des Systems liegt zwischen 12 und 60 kg. Rile arbeitet mit der Neuhausener Fanuc Robotics Deutschland GmbH als Systempartner zusammen (Halle 15, Stand D46), doch auch alle anderen Roboterfabrikate kommen in Frage. Für solche Fälle stehen verschiedene Anbauadapter zur Verfügung. Für den Einsatz an Robotern hält Rile folgende Werkzeuge bereit, die sich für metallische Werkstoffe ebenso eignen wie für nicht metallische:
– Flexicut 2500 zum Entfernen von starken Primärgraten an Gussstücken. Die maximale Drehzahl der Hochfrequenzspindel von 36000 min-1 soll hohe Vorschubgeschwindigkeiten bei konstanter Entgratqualität erlauben. Die Anpresskraft auf die Werkstückkante kann programmgesteuert variiert werden. Mit Hilfe der Pendellagerung lässt sich das Werkzeug in beliebige Richtungen ohne Orientierungsänderung verfahren, wichtig bei Kreisen oder Ecken.
– Vergleichbare Merkmale weist die Druckluftspindel Flexicut 240 auf, die ebenfalls starke Grate entfernt.
– Für Sekundärgrate hält Rile das Fräswerkzeug Flexicut 100 bereit. Es kombiniert eine schnell drehende Druckluftspindel mit 3-mm-Hartmetallfräsern und eignet sich „für sehr feine und komplexe Entgrataufgaben“, wie Radlsbeck zu Protokoll gibt. Was Pendellagerung und Einsatzmöglichkeiten angeht, gelten die Angaben wie beim Flexicut 2500.
– Zum Entfernen von Graten in schmalen Schlitzen und Nuten an Werkstücken dient die Feile Flexifile 2000. Auch Aluminium-Druckgussteile sollen sich damit gut verputzen lassen.
– Wer größere Werkstücke entgraten, scharfe Kanten verrunden oder Oberflächen behandeln muss, kann dies mit den Axial-Bürstwerkzeugen Flexibrush der Serie 200 tun. Der Bürstenverschleiß wird per Sensor überwacht und programmgesteuert kompensiert.
Die Entgratzellen sind aber nicht alles, was die Deggendorfer zu bieten haben. So trat auf der Hausausstellung auch die Systemkompetenz von Rile zu Tage. Im Aufbau befand sich eine Linie, in der zwei Roboter Drehmaschinen bestücken. Das System umfasst Fördertechnik, Roboter, Wendeplätze und Steuerung. Der Ablauf: Ein Roboter entnimmt ein Werkstück von der Zuführung, dreht es auf der Wendestelle und gibt es an die erste Drehmaschine, wendet es erneut und beschickt die zweite Drehmaschine. Über das Förderband gelangt das Teil zur nächsten Station, der zweite Roboter entnimmt es und bestückt Drehmaschine Nummer drei. „Nichts Neues eigentlich“, gibt Peter Radlsbeck zu. „Aber die Ingenieurleistung steckt darin, die Linie mit wenigen Vorrichtungen zu verwirklichen.“ Der Anwender soll mit so wenigen Greifern und Werkstückträgern wie möglich sehr viele unterschiedliche Teile bearbeiten können.
Derartige Linien haben die Deggendorfer Anlagenbauer für Kunden in der Automobilindustrie verwirklicht. Weitere Abnehmer des Hauses sitzen im allgemeinen Maschinenbau, bei Getriebe- und Schienenfahrzeugherstellern oder in der Kunststoffbranche, speziell den Spritzgießmaschinenbauern. Durch die breite Streuung bleibt Rile unabhängig von Branchenkonjunkturen. „Wir haben mal 60 Prozent unseres Umsatzes mit VW getätigt“, erinnert sich Radlsbeck grimmig, „das hat uns nicht gut getan, als Lopez kam.“
Nun lautet die Vorgabe, für keine Branche die Produktion zu mehr als 30 % auszulasten. Wie klug das war, zeigt ein Beispiel: Im Jahr 2000 hat Rile 100 DVD-Anlagen gefertigt, in denen die Polycarbonat-Scheiben verklebt werden und aushärten. Heuer wurden erst vier Maschinen abgerufen.
Industrieanzeiger
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