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Leichtbau: Composite-Blattfeder schlägt Stahlfeder

Leichtbau
Composite-Blattfeder schlägt Stahlfeder

Zulieferer Mubea kann GFK-Federn fertigen, die im Automobil bis zu 45 kg einsparen und noch andere Vorzüge aufweisen. Im Mercedes Sprinter sind sie als Sonderausstattung erhältlich. Noch höhere Effekte verspricht die jüngste Entwicklung.

Kai Nowadnick
Leiter Industrialisierungsprojekte Faserverbundfedern bei der Mubea Fahrwerksfedern GmbH, Attendorn

Die Muhr und Bender KG (Mubea), Attendorn, ist als globaler Automobilzulieferer mit einem Schwerpunkt im Leichtbau für hochbeanspruchbare Federkomponenten und verwandte Produkte bekannt. Neben klassischen Fahrwerkskomponenten, wie Achsfedern und Stabilisatoren, entwickelt Mubea auch Faserverbundfedern. Erfahrungen damit hat die Unternehmensgruppe aus dem Rennsport, für den Carbo Tech leichte Verbundwerkstoff-Komponenten entwickelt und herstellt: Carbo Tech gehört seit Beginn 2011 zu Mubea und erweitert die Leichtbau-Kompetenz des Zulieferers in Richtung zukunftsträchtiger Werkstoffe.

Die von Mubea entwickelte Blattfeder aus Glasfaser-verstärktem Kunststoff (GFK) substituiert eine klassische einlagige Stahlfeder mit linearer Kennlinie, wie sie in Transportern und kleinen Nutzfahrzeugen zum Einsatz kommt. Ihr Leichtbaupotenzial kann sich sehen lassen: Der Zusammenbau eines Grundkörpers aus GFK mit Aluminiumaugen und Gummilagern bietet eine Gewichtsersparnis von bis zu 60 % gegenüber einer vergleichbaren Stahlblattfeder. Seit Ende 2016 gibt es die Innovation als Sonderausstattung im Mercedes Sprinter.

GFK-Feder bietet bis zu 13 kg Gewichtsvorteil

Die Feder ist optional für Kastenwagen und Pritschen mit Hinterradantrieb und 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht verfügbar. In dieser konkreten Anwendung bietet sie einen Gewichtsvorteil von bis zu 13 kg pro Fahrzeug. Diese Ersparnis entspricht in gleicher Höhe dem Gewinn an Zuladung, die insbesondere für Flottenkunden und Aufbauhersteller von großem Interesse ist. Daneben gibt es jedoch noch weitere Vorzüge einer Composite-Blattfeder.

Neben Gewichtseinsparung und Korrosionsbeständigkeit bietet der GFK-Laminataufbau auch im Schadensfall ein günstigeres Verhalten. Da die GFK-Blattfeder ein sukzessives Versagen zeigt und nicht spontan bricht (wie eine Stahlblattfeder), lässt sich rechtzeitig eine Wartung vorsehen.

Dass die GFK-Blattfeder in den Anschlusspunkten mit Aluminiumaugen und Gummilagern ausgestattet wird („gebaute Feder“), ist kein Nachteil, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag. Da es sich um ein Sicherheitsbauteil handelt, werden die im Kraftfluss liegenden Verschraubungen Drehmoment- und Drehwinkel-überwacht. Die Gummilager sind bewährte Elemente aus der Stahlfeder. Und das Anschrauben der Augen bietet gegenüber der Stahlfeder einen Toleranzvorteil. Dies erschließt sich mit einem Blick auf die konstruktiven Details:

In der Fahrzeugmontage werden Stahlblattfedern nur gepaart verbaut, um den Unterschied zwischen linker und rechter Feder in der Toleranzlage der vorderen Halbarmlänge zu kompensieren. Weichen die Halbarmlängen zu weit voneinander ab, kommt es durch die Schiefstellung der Hinterachse zum sogenannten „Dackellauf“, der ein ständiges Gegenlenken des Fahrers erfordert und zu einem erhöhten Reifenverschleiß führt. Bei der GFK-Blattfeder hingegen kann dies nicht passieren. Die Länge des vorderen Halbarms lässt sich durch die definierte Montage der Federaugen exakt einstellen – die Notwendigkeit einer Bauteilpaarung entfällt.

Blattzugfeder spart noch mehr Gewicht

Eine weit höhere Gewichtsersparnis als die genannten 13 kg kann die von Mubea patentierte Technologie einer „Blattzugfeder“ erzielen. Klassische Blattfedern benötigen beim Einfedern zusätzliche Konstruktionselemente, um die zunehmende Länge auszugleichen, sogenannte Schekel oder Laschen. In der Blattzugfeder wird darauf verzichtet, was Gewicht und Kosten spart. Mit der Blattzugfeder entsteht eine Zugkraft-Komponente, die bei richtiger Auslegung zu einer progressiven Feder-Kennlinie führt. Stahlblattfedern hingegen erreichen ihre Progression durch geschichtete Blatt- oder Parabelfedern. Die Progression ist durch die zunehmende Lagenanzahl immer an ein höheres Bauteilgewicht gekoppelt.

Mit der Mubea Blattzugfeder wird es somit möglich, eine mehrlagige Stahlblattfeder zu substituieren und eine Gewichtsersparnis von bis zu 75 % zu realisieren. Je nach Anwendung und Anzahl der Blätter liegt die Gewichtsersparnis bei 30 bis 45 kg pro Achse beziehungsweise pro Fahrzeug.

Weiter ergibt sich ein Komfort-Vorteil, da die Composite-Blattzugfeder eine stetig progressive Kennlinie aufweist und nicht einzelne Lagen erst nach und nach zur Anlage kommen. Mit GFK-Blattzugfedern folgt auch die Aufbau-Eigenfrequenz des Fahrzeugs stetig seinem Beladungszustand, wodurch sich der Fahrkomfort spürbar erhöht.

Mit GFK-Blattfedern lassen sich marktgerechte Leichtbaukosten von 2,50 Euro pro eingespartem Kilogramm Bauteilgewicht erzielen. Bei der GFK-Blattzugfeder können die Leichtbaukosten sogar auf 1,50 Euro /kg sinken.

Mehr Gestaltungsfreiheit dank Prepreg-Verfahren

Die GFK-Blattfedern werden im Prepreg Verfahren hergestellt. Dieses Verfahren bietet eine erheblich freiere Formgestaltung als bei einer konventionellen Stahlfeder, aber auch gegenüber anderen GFK-Herstellmethoden. Die Querschnitte lassen sich über dem gesamten Verlauf mit gleichmäßigen Übergängen weitgehend frei variieren.

Die hohen Freiheitsgrade treiben den Berechnungsaufwand im Designprozess nach oben, erlauben aber auch eine sehr hohe Ausnutzung des Materials: Die Freiheiten in der Formgebung sind der Schlüssel zu den herausragenden Gewichtseinsparungen durch Faserverbundfedern. Das Abstimmen der Federraten in den verschiedenen Bereichen stellt den Berechnungsingenieur hier vor besondere Herausforderungen. Unterstützung erhält er durch spezielle Berechnungsroutinen und Auswertesequenzen, die konventionelle Finite-Elemente-Programme ertüchtigen, um die komplexen Berechnungen zu erledigen.

Der größte Unterschied zur Berechnung gewöhnlicher, isotroper Bauteile liegt in der virtuellen Ausrichtung der Fasern in den einzelnen Elementen. Kritische Bereiche sind bei Faserverbundwerkstoffen die Schnittstellen und Lasteinleitungen, an denen mehraxiale Spannungszustände auftreten. Hier sind konstruktive Lösungen gefordert, um die Komponenten entsprechend den jeweiligen Kundenanforderungen betriebs- und verschleißsicher auszulegen.

Längsblattfedern, wie auch die Blattfeder und Blattzugfeder aus GFK, werden nicht nur durch vertikale Federkräfte beansprucht. Querkräfte treten auch beim Kurvenfahren auf, ebenso wie Längskräfte beim Bremsen, Anfahren und Überfahren von Hindernissen. All diese Beanspruchungen gehen in die Belastungshistorie der Federn mit ein. Während die Federn bei Vertikallasten rein auf Biegung belastet werden, führen Querkräfte zu Beanspruchungen quer zur Faserrichtung. Diese müssen in Form von Schub und Querzug beim Auslegen der unidirektional verstärkten Federn besonders berücksichtigt werden. Um eine fundierte Lebensdauerabschätzung treffen zu können, werden die Federn in der Berechnung teils mehreren hundert Belastungskonfigurationen ausgesetzt, die aus dem realen Fahrzeugbetrieb abgeleitet sind.

Drapier-Prozess als Schlüsseltechnologie bei der Herstellung von GFK-Federn

Neben der Auslegung der Feder und der Entwicklung des Pressprozesses stellt das präzise Drapieren eine Schlüsseltechnologie in der Composite-Feder-Fertigung dar. Die Klebrigkeit des Prepregs und das dadurch erschwerte Handling stellen hohe Anforderungen an den Drapier-Prozess, der von Mubea selbst entwickelt und zu einer robusten Serienreife gebracht wurde. Zur Online-Qualitätssicherung überwacht eine Kamera den Bahnverlauf des Prepregs. Sie stellt sicher, dass Folienreste und Verschutzung automatisch ausgeschleust werden.

Die schließlich montierte GFK-Feder verbindet Fahrzeug-Aufbau und Hinterachse miteinander. Das Konstruktionselement der Hinterachsfeder wird damit zum achsführenden Bauteil und als Sicherheitsbauteil eingestuft. Um die Qualitätsanforderungen an Sicherheitsbauteile zu erfüllen, wird schon der drapierte Rohling mit einem Data-Matrix-Code beschriftet. Diese Kennzeichnung und die installierte Stückgutverfolgung erlauben eine lückenlose Dokumentation jedes einzelnen Prozessschrittes. Sie reicht bis zur Identifikation jeder einzelnen Rolle Rohmaterial, die zur Herstellung des Federgrundkörpers verwendet wurde.

Die Entwicklungsarbeit von Mubea bleibt bei innovativen Blattfederanwendungen nicht stehen. Daneben beschäftigt sich der Automobilzulieferer mit neuartigen Achskonzepten. Insbesondere im Bereich der E-Mobilität gilt es Mehrgewicht durch intelligente Leichtbaulösungen zu kompensieren und Verbräuche zu minimieren. Auch hier zeigt sich Mubea als Partner der Automobilindustrie.


Mubea

Als inhabergeführtes Familienunternehmen beliefert Mubea weltweit alle Automobilhersteller und führenden Tier-1-Systemlieferanten. Mubea sieht sich in vielen Segmenten der Federindustrie als Marktführer und beschäftigt heute weltweit über 13 000 Mitarbeiter in 36 Produktions-, Vertriebs- und Entwicklungsstandorten auf vier Kontinenten mit über 2 Mrd. Euro Umsatz.

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