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Mehr Transparenz sorgt für eine bessere Einkaufsorganisation

Kennzahlenmanagement
Mehr Transparenz sorgt für eine bessere Einkaufsorganisation

Welchen Anteil der Einkauf am Unternehmensgewinn hat, ist vielen Unternehmen gar nicht bewusst. Er zeigt sich erst, wenn neben den Beschaffungspreisen auch die Prozesskosten untersucht werden. Dazu müssen Unternehmen einige Kennzahlen definieren, die aufzeigen, wie effizient der Einkauf arbeitet.

Dass sich die Einkaufsabteilung vom Beschaffer zum strategischen Partner, vom Verhandlungskünstler zum Wertschöpfer entwickeln muss, ist den meisten Unternehmen inzwischen klar. In großen Konzernen ist die Transformation weitgehend abgeschlossen. In kleinen und mittelständischen Betrieben hingegen gibt es bei der Umsetzung oft noch Hürden, die zum Teil mit dem antiquierten Bild des Einkaufs innerhalb der Organisation zu tun haben. Daher müssen sich Einkaufsleiter erst einmal selbst vermarkten. Ist der Einkauf in der Vorstandsebene verankert, funktioniert auch die Kooperation mit anderen Abteilungen leichter, etwa mit den Ingenieuren aus der Forschung und Entwicklung. Dort können die Einkaufsleiter beweisen, dass sie nicht nur Bestellungen schreiben können, sondern auch Ahnung von der Materie haben und durch Konstruktionsanpassungen (sofern die Entwickler dies zulassen) günstiger einkaufen und Produktionsprozesse optimieren können.

Die Effizienzsteigerung im Einkauf selbst ist größtenteils ausgereizt. Die meisten Unternehmen nutzen E-Procurement und andere IT- und kataloggestützte Beschaffungsmöglichkeiten. „Die Potenziale organisatorischer Restrukturierungsmaßnahmen wie Procurement Shared Services und Outsourcing sind beträchtlich, lassen sich aber nur einmal heben“, betont Felix Theisinger, Partner bei der Managementberatung Detecon. „Einkaufsorganisationen nähern sich nun dem Wendepunkt, an dem die klassischen Einspar- und Effizienzpotenziale ausgeschöpft sind.“ Aus seiner Sicht muss der Einkauf sein Silo der reinen Unterstützungsfunktion verlassen und eine breitere Rolle als strategischer Partner und Bindeglied zu den Lieferantenmärkten einnehmen. „Statt Spezialisierung ist ein Verständnis der gesamten Wertschöpfungskette erforderlich“, findet Theisinger, „Einkäufer müssen sich vom verhandlungsstarken Fachexperten zu vernetzten Wertsteigerern entwickeln, die einen substantiellen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten – und zwar auch auf Umsatzseite.“ Das heißt: Profitabilität statt Preiskampf.
Um den Beitrag des Einkaufs zur Wertschöpfung zu ermitteln und sichtbar zu machen, müssen klare Ziele vorgegeben und mit Kennzahlen versehen werden. „Voraussetzung ist die Einbindung des Einkaufs in die Unternehmensplanung und die systematische Umsetzung von Unternehmenszielen“, sagt Jürgen Lamparth, zuständig für Corporate Purchasing, Controlling and Systems bei Balluff, einem Anbieter von Sensortechnik. Das heißt: „Die Einkaufsaufgaben müssen zielgerichtet gesteuert und die Einkaufsleistung bewertbar gemacht werden.“ Bewerten bedeute jedoch nicht, Controlling auf die Kostenarten zu reduzieren, die im Einkauf verantwortet werden. „Es muss eine systematische Erfassung aller Maßnahmen erfolgen, die sich auf die Kosten und Leistungen anderer Abteilungen auswirken.“ Die Herausforderung liegt darin, den Anteil des Einkaufserfolgs auf das Gesamtergebnis zu erkennen.
Die Maxime des US-Wirtschaftsprofessors Robert S. Kaplan, dass man nichts managen kann, was man nicht misst, ist bei SMS Siemag Programm. Der Spezialist für Hütten- und Walzwerkstechnik erarbeitet seine Kennzahlen direkt aus den Unternehmenszielen. „Aus der strategischen Ausrichtung der Organisation, dem geforderten Beitrag des Einkaufs und dem Nutzen im Tagesgeschäft ergeben sich die Kennzahlen von ganz allein“, findet Andreas Ripkens, Fachreferent Strategischer Einkauf. Er rät zu stringenten, aussagefähigen und zeitnahen Reports.
Zu den wichtigsten Key Performance Indicators (KPI) gehören etwa die Materialkostenveränderung, die Cash-Out-Quote (also die Frage, wie viel des Beschaffungsvolumens über den Einkauf abgewickelt wird) und die Rahmenvertragsnutzungsquote. „Bei der Definition des Einkaufsergebnisses geht es darum, welche Einsparungen im Einkauf tatsächlich in die Gewinn- und Verlustrechnung einfließen“, erklärt Ripkens. Bei SMS Siemag hat das Reporting bereits die nötige Transparenz geschaffen. „Das Interesse des Top Managements am Einkauf und dessen Kennzahlen ist nachweislich gestiegen.“
Bei Brückner Maschinenbau setzt man auf ein modulares Konzept. „Es sind nicht immer die großen Reorganisationsprojekte, die zum Erfolg führen“, findet Franz Kamml, Leiter Logistikprozesse und Kalkulation, „sondern ineinandergreifende Bausteine, die schrittweise entwickelt und in der Organisation etabliert werden.“ Zu diesen Bausteinen gehören beispielsweise die Anliefersteuerung, die Einbindung eines Logistik-Dienstleisters, die Steuerung der Fertiger, das C-Teile-Management über ein Dienstleister-Netzwerk sowie eine strukturierte Bestellabwicklung.
Dazu wurden die Endloslisten und unsystematischen Terminverfolgung von einem Logistikspiegel abgelöst. Nun haben die Mitarbeiter einen tagesaktuellen Überblick der Bestellsituation und erhalten Warnmeldungen bei Terminverschiebungen und Lieferortänderungen. Auch für die Montagesteuerung ist der Logistikspiegel ein Segen: „Wenn sich früher der Montagestandort änderte, gab es keine Verbindung zur Anlieferadresse“, so Kamml. So wurden ganze LKW-Ladungen an der falschen Stelle abgeladen. Und während die Abholaufträge früher zeitverzögert an die Spediteure gegeben wurden, übernimmt nun ein Logistik-Dienstleister den Job des Terminjägers, und der Einkauf muss sich nur noch um die Bearbeitung gemeldeter Terminverzögerungen kümmern.
Optimal für den Einkauf ist es, wenn er Einsicht in die Lieferantenkalkulation erhält. „So lassen sich Kostentreiber aufdecken“, erklärt Michael Rudorf, Einkaufsleiter bei der Maschinenfabrik Reinhausen. Mit seinen Lieferanten arbeitet er seit mehreren Jahren im „Open-Book-Verfahren“. Der Grundstein sollte so früh wie möglich gelegt werden, „am besten bereits bei der Lieferantenauswahl“, so Rudorf, „denn in dieser Phase zeigen die Lieferanten die höchste Bereitschaft, Einsicht zu gewähren.“ Wenn der Einkäufer eine starke Position hat, kann er es später nachholen, auf einem Verkäufermarkt hingegen geht das nur über eine vertrauensvolle Basis. Das bedeutet in der Praxis: „Man muss bereit sein, die Einsparungen gerecht zu teilen.“
Neben der Senkung der Einkaufs- und Prozesskosten gibt es einen weiteren Hebel, um das Aufwand-Nutzen-Verhältnis zu verbessern: Verschwendung vermeiden. Heidelberger Druckmaschinen hat sich damit intensiv auseinandergesetzt: „Wertstromoptimierung wird eingesetzt, um Prozesse über Bereichsgrenzen hinweg zu analysieren und zu optimieren“, fasst Produktionssystem-Berater Ivo Richter zusammen. Neben der Verschwendung wie etwa Ausschuss oder Suchen gehören auch Botengänge und Maschinenrüstzeiten zu den nicht wertschöpfenden Tätigkeiten (siehe Grafik). Zur Verschwendung gehören alle Aktivitäten, die Ressourcen binden, für den Kunden aber keine Wertschöpfung beinhalten. „Die Wertstrommethode betrachtet Verschwendung, nicht Kosten“, betont Richter, „dies erschließt ein großes Produktivitätspotential, da Kostensenkungsbemühungen bisher weder Gemeinkosten noch Durchlaufzeiten adäquat berücksichtigten.“
Ein Element ist die Darstellung des Ist-Prozesses, in der alle relevanten Aktivitäten, Material- und Informationsflüsse transparent gemacht werden. „Eine wichtige Kenngröße ist das Verhältnis von Wertschöpfungszeit zu Durchlaufzeit“, so Richter. Seiner Meinung nach kann der Einkauf in besonderer Weise davon profitieren. „Vor allem bei Schlüssellieferanten, die nicht einfach austauschbar sind, kann Wertstromoptimierung eine neue Qualität der Zusammenarbeit bewirken.“
Kirsten Seegmüller Freie Journalistin in Leinfelden
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