Und je älter, desto schlimmer? Wenn Sie vor seinem Schreibtisch stehen, schaut er Sie von oben herab an und Sie denken unvermittelt ans Kündigen? Oje, Kollegen, hier liegt womöglich ein fatales Missverständnis vor. Und bevor Sie nun StepStone studieren und den Fachkräftemangel verschlimmern, muss ich diesen Fehlschluss aufklären und kann es auch – aber nur weil ich 60 bin. Bitte folgen Sie mir, Sie werden nicht selbst darauf kommen. Mit 45 schwante mir, dass ich eine Brille brauche und mit 50, dass es laufend eine stärkere sein muss. Was das mit dem Chef zu tun hat? Geduld, Geduld, ich komme gleich dazu. Am besten ist dann eine Gleitsichtbrille: Da schaut man in der oberen Zone in die Ferne und unten, wo die Linsen stärker sind, in die Nähe – beispielsweise auf den Industrieanzeiger. Hat der Chef nun den Zeitpunkt fürs neue Nasenfahrrad verpasst (vielleicht weil er zu geizig ist), hebt er immer stärker den Kopf hoch, um durch die untere Nahzone zu blicken – und schaut also von oben herab auf Sie. Aber doch nur, damit er überhaupt etwas sieht!
Jetzt ist die Chance zum Punkten: „Ach, Sie brauchen wieder eine neue Brille?“, sagen Sie einfühlsam. „Woher wissen Sie denn das?“, wird er verdutzt fragen angesichts solch unvermuteter Empathie. Nun aber muss die Antwort sitzen: „Ja ich sehe doch, wie Sie sich abquälen“ – und seine angestrengten Gesichtszüge verwandeln sich in ein wohlmeinendes Schmunzeln. Was aber, wenn die Antwort ganz anders ausfällt, nämlich so: „Nein, wie kommen Sie denn darauf in aller Welt? Ich bin up-to-date und hab immer die besten Gläser!“ Was dann? Dann bleibt nur eins: Sofort kündigen. (os)