Startseite » Allgemein »

Filigranarbeit im Chaos von Kühlschmiermittel und Funkenflug

Produktionsnahe Fertigungsmesstechnik sichert die Qualität während der Bearbeitung
Filigranarbeit im Chaos von Kühlschmiermittel und Funkenflug

Die Hundertprozent-Kontrolle am Ende der Fertigung ist nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen rückt die Messtechnik mitten hinein in den industriellen Prozess. Fehler lassen sich während der Bearbeitung korrigieren. Heraus kommen Gutteile, an denen es nichts mehr zu messen gibt.

Dr. Torsten Edler ist Mitarbeiter der Mahr GmbH in Göttingen

Lange Zeit dominierte in der Großserienproduktion die Post-Process-Messtechnik mit ihrer Hundertprozent-Kontrolle. Jedem Fertigungsprozess folgte dabei eine vollautomatisierte Mess-Station. Durch die zunehmende Stabilität der Prozesse können inzwischen die Prüfintervalle zurückgefahren werden. Der Trend geht jetzt zu flexiblen, prozessnahen Vorrichtungen für die halbautomatisierte Stichprobenkontrolle. Für den Anwender entsteht dadurch ein immenser Investitionskostenvorteil, der etwa dem Faktor fünf entspricht. Dieser kommt in erster Linie deswegen zustande, weil der Automatisierungsgrad entsprechend geringer wird. Zudem fallen Transfervorrichtungen weg, da der Werker diesen Arbeitsgang von Hand durchführt. Die Personalkosten, die hierbei neu entstehen, verfälschen den Gesamtvorteil aber nicht.
Die typische fertigungsnahe Messkette besteht aus einer Messvorrichtung, den Aufnehmern, einem Verstärker und meistens einem vernetzten Auswerterechner. Um die Messmittelfähigkeit der Kette auszuschöpfen, müssen alle analogen Komponenten wie Taster und Eingangsverstärker optimal aufeinander abgestimmt sein. Mangelnde elektrische Kompatibilität kann zu Linearitäts- und Empfindlichkeitsabweichungen führen, was letztlich die Messmittelfähigkeit unnötig eingeschränkt.
Ein wesentlicher Anteil der Messmittelfähigkeit wird bereits am Anfang der Messkette durch die Qualität der Aufnehmer geprägt. Neben induktiven und inkrementalen Tastern werden häufig auch pneumatische Aufnehmer eingesetzt. Derzeit gewinnen optische Verfahren an Bedeutung. Spitzenreiter unter den Sensorprinzipien ist gegenwärtig das induktive Verfahren. Es zeichnet sich durch einen günstigen Preis und hohe Robustheit aus. Durch auswechselbare Tastspitzen, Umlenkköpfe oder Messnormteilvorrichtungen lassen sich die Induktivtaster flexibel an unterschiedliche Anforderungen anpassen.
Inkrementale Taster mit optischen Glasmaßstäben schließen preislich an das obere Segment der Induktivtaster an. Die fortschreitende Miniaturisierung der Auswerteelektronik hat auch dazu geführt, dass sich die Baugrößen annähern. Hervorzuheben ist die konstante Systemgenauigkeit von typischerweise 1 µm über den gesamten Messbereich von 12 mm, die sich bei hochpräzisen Tastern auf maximal 0,2 µm steigern lässt.
Pneumatische Messaufnehmer besitzen keine beweglichen Teile und sind daher ein robustes Messmittel. Der Selbstreinigungseffekt durch die Druckluft prädestiniert die Technik für den Einsatz in der rauen Umgebung einer Großserienfertigung. Das Verfahren arbeitet genau: Beim Messen eines Durchmessers lässt sich eine Reproduzierbarkeit von 0,2 µm erreichen.
Die rauhe Umgebung beim Anwender wird oft unterschätzt
Optische Messverfahren arbeiten berührungslos und sollen die Dynamik und Flexibilität der Messung erhöhen. Beim automatischen Vermessen von rotationssymmetrischen Teilen kommt in erster Linie das sogenannte Schattenbildverfahren zum Einsatz. Das Verfahren funktioniert auch beim Prüfen von Kurbel- oder Nockenwellen. Sauberkeit und Oberflächenbeschaffenheit der Werkstücke haben entscheidenden Einfluss auf die Genauigkeit. Gleiches gilt für Umweltparameter wie Feuchtigkeit oder Lichtverhältnisse. Ein Hauptvorteil des optischen Verfahrens ist die weitestgehende Lageunabhängigkeit des Prüflings und der damit verbundene problemlose Wechsel von Typen ohne mechanische Umrüstung. Tendenziell werden optische Verfahren oft mit konventioneller Messtechnik kombiniert. Typisches Einsatzgebiet dieser Symbiose ist zum Beispiel die Montagekontrolle.
Bei den Messaufnehmern haben neben der Linearität und der Kompatibilität auch Umweltparameter einen großen Einfluss auf die Messunsicherheit. Temperaturschwankungen und Schwingungen im Prozess verfälschen nicht selten das Ergebnis. Oftmals haben die Hersteller von Fertigungsmesstechnik eine sauberere Produktionsumgebung als der spätere Anwender. Eine Vorrichtung, die während der Abnahme beim Hersteller noch als fähig bewertet wurde, kann in der rauen Umgebung des Anwenders schlechter abschneiden.
Eine erhebliche Störgröße sind elektromagnetische Einstreuungen in das Mess-Signal. Diese können zum Beispiel durch hochfrequente Datenleitungen oder magnetische Spannmittel verursacht werden. Herkömmliche Edelstähle sind magnetisierbar und schirmen den Messtaster nur unvollkommen ab. Optimierte Schirmeigenschaften lassen sich nur durch hochwertige, weichmagnetische Metalle erreichen.
Die Dynamik einer Messvorrichtung hat natürliche Grenzen und kann nicht beliebig strapaziert werden. Die Grenzfrequenz von Induktivtastern beträgt etwa 50 Hz, wenn dabei eine Messkraftfeder von 0,75N verwendet wird. Taktraten von einer Messung pro Sekunde werden dabei normalerweise nicht unterschritten. Bei pneumatischen Aufnehmern geht es wesentlich gemütlicher zu. Da die Druckluft eine gewisse Zeit braucht, um sich einzuschwingen, sollte ein Takt von 5 s nicht unterschritten werden.
Letztendlich bestimmt der Anwender die weitere Entwicklung. Der Trend geht hin zu möglichst wartungsarmen Einheiten mit modularem Aufbau, damit sich die Komponenten leichter austauschen lassen. Bei den Auswerterechnern sind Windows-Oberflächen und Netzwerkfähigkeit en vogue. Natürlich sollen diese Hardware-Komponenten wartungsarm funktionieren und einfach zu handhaben sein. Aus Anwendersicht wären standardisierte Auswertemasken und Programme sinnvoll, aber bei der Vielzahl von Anbietern ist das nicht zu realisieren. Es gibt allenfalls einige Software-Systeme auf dem Markt, die sich als De-Facto-Standards hervortun.
Hundertprozent-Kontrolle: Wenn der Hauch eines Fehlers tödlich ist
Je stabiler die industriellen Fertigungsprozesse werden, desto weniger Messtechnik wird gebraucht. Die Hundertprozent-Kontrolle am Ende der Fertigung ist rückläufig, der Trend geht hin zur fertigungsnahen Stichprobenkontrolle. Trotzdem gibt es eine Reihe von Applikationen, bei denen sich der Hersteller nicht den Hauch eines Fehlers leisten kann. Und plötzlich ist die Hundertprozent-Kontrolle wieder gefragt. Zu den kritischen Anwendungen zählen
– das Prüfen von sicherheitsrelevanten Teilen wie Fahrwerke, Bremsenzubehör oder Flugzeugteile,
– das Testen von teuren Fahrzeugteilen, bei denen zu spät erkannter Ausschuss besonders teuer wäre,
– die hochgenaue Fertigung, bei denen Toleranzen im µm-Bereich zum Tagesgeschäft gehören sowie
– der gesamte Bereich der Automobil-Zulieferer. Hier muss die Qualität dem Kunden gegenüber lückenlos dokumentiert werden.
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de