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Mit Sercos Interface steile Flanken in Hochgeschwindigkeit produzieren

Liebherr Verzahntechnik reduziert den Automationsaufwand
Mit Sercos Interface steile Flanken in Hochgeschwindigkeit produzieren

Das Herstellen von Zahnkränzen forderte bei Liebherr in Kempten seit jeher außergewöhnliche Steuerungslösungen. Technologisch wird der Bogen geschlagen von den Ende der 80er Jahre selbst entwickelten CNC bis hin zu standardisierten Komponenten und Sercos Interface.

Von unserem Redaktionsmitglied Werner Möller – E.Mail: ia-redaktion@t-online.de

An die ersten Gehversuche mit Sercos Interface erinnert sich Hans Zeitler noch heute ganz genau. Zuständig für die Steuerungsentwicklung bei der Liebherr Verzahntechnik GmbH in Kempten, setzte der diplomierte Ingenieur Ende der 80er Jahre auf Steuerungen vom Typ Procontic. Diese hatte man gemeinsam mit dem Stuttgarter Hochschulinstitut ISW konzipiert. Sie hießen damals MPST-Steuerungen, was für Mehrprozessor-Steuerungen steht: „Wir waren hier Mitbegründer dieses Systems, auf das zur damaligen Zeit auch Unternehmen wie ABB, Kraus Maffei und Gildemeister setzten. Die Schnittstelle zum Antrieb lief über eine analoge Sollwertvorgabe. Je nach Anwendung gab es einen inkrementalen Geber oder einen Absolut-Geber. Bis 1994 war dies der Standard, dann kam Sercos Interface.“
Die damalige Indramat GmbH aus Lohr präsentierte in Kempten nicht nur das neue Konzept für digitale Schnittstellen über einen Ring aus Lichtwellenleitern, sondern auch den Arbeitskreis Sercos. Neben der Faszination, in der Steuerung keine Karten mehr für Geber einbauen zu müssen, versprach eine weitere Eigenschaft von Sercos ersten handfesten Nutzen. „Plötzlich hatten wir keine Probleme mehr mit elektromagnetischen Störungen, die waren wir auf Grund der Lichtwellenleiter ja los“, berichtet Steuerungsentwickler Zeitler. Und die Kemptener benötigten keine zusätzlichen analogen Ausgabe-Einheiten mehr. In der Vergangenheit übernahm die Steuerung ebenfalls die Lage-regelung. Zeitler: „Wir benötigten selbstentwickelte inkrementale Geber und ein SSI-Interface. Mit der Einführung von Sercos konnten wir den Lageregelkreis im Antrieb schließen.“ Von da an waren keine Inter-facekarten mehr für Geber erforderlich, gleichfalls gab es jetzt nur noch einen Interpolator. Die Folge: Von den bisher vier Prozessorkarten konnten drei entfallen. In die eine integrierte kam der Interpolator für Sercos Interface.
„Damals haben wir unsere Steuerung drastisch abgespeckt“, erinnert sich Zeitler. Kostengünstige Steuerungen für Verzahnmaschinen, Wälzfräsmaschinen und Profilschleifmaschinen zu entwickeln, war immer erklärtes Ziel bei Liebherr. Man wollte weg von großvolumigen und damit teuren Rack-Aufbauten. Man setzte schon früh auf standardisierte PC-Karten. Ließ sich doch PC-Elektronik nur mit großem Aufwand selbst fertigen. Zeitler: „Wir produzieren nur das selbst, was für uns spezifisch ist, was es ohne weiteres nicht auf dem Markt zu kaufen gibt.“ Heute fertigt Liebherr lediglich die Trägerkarte selbst, auf der sich auch das Sercos Interface befindet. Darauf aufgeschoben wird eine übliche PC-Karte. Zeitler: „Beim MPST-System hatten wir noch E/A, die wir ins 19-Zoll-System schieben mussten. Für dieses System setzten wir dann den Profibus mit dezentraler Peripherie ein, mit einem Modul von Hilscher, COM DPN, dem Profibus Master.“ Das sei preiswerter gekommen, als all dies selbst zu entwickeln.
„Bisher haben wir das Handrad-Interface bei einem Mehrachsen-Steuerungssystem auf eine übliche Achsenkarte gebaut. Die hatten wir aber bei Sercos plötzlich nicht mehr zur Verfügung“, sagt Zeitler. Die Alternative wäre gewesen, dies über den Profibus zu machen. Das aber hätte bedeutet, die Signale für das Handrad durch die SPS zu schleifen. Eine diffizile Aufgabe, denn dreht man das Handrad schnell, häufen sich eine Menge Inkrement-Werte. Da war die Gefahr gegeben, dass Werte verloren gehen. Steuerungsmann Zeitler: „Dieses Risiko wollten wir nicht eingehen.“ Heute ,packt’ Liebherr das Handrad auf die Trägerplatine. Hinzu kommt die batteriegepufferte Spannungsversorgung sowie Wandler und Filter. „Für lange Zeit galt diese als die kleinste und kompakteste Steuerung ihrer Art,“ freut sich der Experte. Bei Liebherr arbeitet dieses System heute in allen Werkzeug-Maschinen. Standardmäßig sind bis zu sechs Antriebe in einer Maschine vorhanden. Bei größeren Maschinen kommen Sonderachsen hinzu, so dass es bis zu zwölf Achsen werden können. Bei Fräsmaschinen reichen die Abtastzeiten an 4 ms, bei Schleifmaschinen an 2 ms mit sinkender Tendenz. Die neue Generation an Schleifmaschinen arbeitet mit 1 ms.
Liebherr kann so konturgenauer fahren. Obwohl dieses Argument nicht das Entscheidende ist, immerhin kann der Indramat-Antrieb zwischen zwei 1-ms-Intervallen noch mit 250-µs-Raster interpolieren. Von einem Sollwert zum nächsten wird noch geglättet, die Sollwerte-Vorgabe verschiebt sich um einen Takt. „Das reicht momentan aus“, bekräftigt Hans Zeitler. Eher sieht er das Problem beim Bedienen: „Die Maschinen-Steuerung umfasst nicht nur die Bedienoberfläche, sondern auch noch die SPS. Das heißt, die Reaktionszeit auf einen Tastendruck muss so sein, dass der Rechner noch vernünftig reagiert. Noch setzen wir auf Windows 3.11, künftig aber auf NT oder XP Embeded.“
Für die Sicherheitstechnik müssen Endschalter überprüft und Türen bedient werden. Kurzum, das Steuern der Sicherheitseinrichtungen übernimmt die SPS, alles per Software. Separate Hardware ist lediglich für die E/A des Profibus erforderlich. Sie steuert die gesamte Automation, wie sie zum Beladen erforderlich ist, ebenso steuert sie die Ventile, das Kühlen oder Schmieren. Über Sercos werden allein die Antriebe gesteuert. Zwar bevorzugt Liebherr schon seit Jahren Antriebe von Indramat, denkbar wäre es aber, auch einmal andere einzubauen, wenn das der Prozess benötigt. Zeitler stellt klar: „Voraussetzung ist aber, dass sie eine Sercos-Schnittstelle haben.“
Bei Liebherr gehen die Entwicklungen kräftig weiter. Künftig wollen die Kemptener in ihren Werkzeugmaschinen Technologien wie Sampling einsetzen oder Beschleunigungssensoren einbauen. Nutzen will man dabei Technik von Baumele. Bei Schleifmaschinen gilt die Technologie als ausgereizt. Zeitler: „Hier stehen wir technologisch am Anschlag. Von den Antrieben her geht es nicht genauer. Was fehlt, ist ein besseres Regelgerät, das dazu führen könnte, dass wir auch eine noch kürzere Abtastzeit benötigen.“ Damit es hier technisch weiter geht, muss der Kunde erst noch höhere Anforderungen an seine Werkstücke stellen, eine höhere Qualität fordern.
Bei Schleifmaschinen setzt derzeit der Antrieb die Grenzen – und hier wiederum das Regelgerät. So baut Liebherr in seine neuen Maschinen Direktantriebe von Etel ein. Dieser schweizerische Hersteller ist einer der wenigen, der die von Liebherr geforderten Anforderungen erfüllt. Zeitler bringt das auf einen Nenner: „Wir reden hier von Mikrometern auf der Flanke eines Zahnrades.“ Das Anpassen der Antriebe an die geforderte Genauigkeit läuft wie folgt ab: Liebherr liefert Indramat die Daten des vorgesehenen Antriebs und lässt die Sercos-Parameter berechnen. Diese werden in das System eingelesen. Das Schöne ist das einmalige Parametrieren des Regelgerätes. „Dann müssen wir nur noch die Regelstrecke anpassen und optimieren und schon passt jeder Motor“, berichtet Hans Zeitler.
Maschinen aus dem Baukasten
Wenn Liebherr Maschinen fertigt, dann greifen die Kemptener auf Baukästen zurück. Schwerpunktmäßig fertigt man CNC-Wälz- und Profilschleifmaschinen, CNC-Wälzfräsmaschinen sowie Universalfräsmaschinen und in Zusammenarbeit mit der Maschinenfabrik Lorenz GmbH in Ettlingen auch Verzahnmaschinen in vier Größen:
– Baukasten 1 ist zugeschnitten auf Zahnraddurchmesser von 80 bis 150 mm. Gefräst werden überwiegend Lenkritzel, Getrieberäder und auch Getriebe für Fentsterheber.
– Für den Bereich Lastwagengetriebe ist die Baukastengröße 2 konzipiert, für Zahnraddurchmesser von 380 bis 400 mm.
– Der Baukasten der Größe 3 für Durchmesser von 1 500 mm.
– Die vierte Baustufe reicht bis zu 5 m Durchmesser für beispielsweise Teile für Windkraftanlagen.
Bei den CNC-Steuerungen für Universalfräsmaschinen kann der Anwender zwischen Liebherr LH 90 mit Indramat-Antrieben oder Siemens 840 C mit Siemens-Antrieben 611D wählen. Bei den CNC-Wälzfräsmaschinen gibt es drei Alternativen: Liebherr PC-NC, Siemens CNC 840D oder Fanuc 160-1. Wesentliche Merkmalei: PC-basierte Steuerungstechnik, digitale Antriebstechnik und integrierte SPS. Die Steuerungstechnik bei den CNC-Wälz- und Profilschleifmaschinen setzt auf das MPST-Konzept, das man zur PC-NC weiterentwickelte. Ein Prozessor nimmt dabei alle Steuerungsaufgaben wahr. Die Windowsoberfläche ermöglicht einfaches Bedienen und Programmieren sowie Diagnosefunktionen.
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