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Durchbruch in der Composite-Produktion

Leichtbau: Neue Technologie leitet einen Paradigmenwechsel ein
Durchbruch in der Composite-Produktion

Fiber Patch Placement (FPP) | Mit der FPP-Technologie wird es nun möglich, auch komplexe Composites vollautomatisiert zu fertigen – in einem durchgehenden Prozess vom Entwurf bis zum Faserbauteil. Damit rücken komplexe Serienbauteile aus Carbon-Composites in greifbare Nähe.

Felix MichlCTO und Co-Founder der Cevotec GmbH, TaufkirchenKerstin JaroschDirector Marketing and Business Development bei Cevotec

Ihr außergewöhnliches Leichtbaupotenzial machen Carbonfaser-verstärkte Kunststoffe (CFK) überall dort attraktiv, wo besonders hohe Anforderungen an massereduzierte Bauteile gestellt werden. Wie hoch das CFK-Leichtbaupotenzial ist, zeigt ein Blick in den Flugzeugbau, wo verringertes Gewicht zu signifikanten Kerosin-Einsparungen führt: Rund 50 % der Strukturbauteile neuer Flugzeuge bestehen heute aus CFK. Weitere klassische Carbon-Anwendungen finden sich zum Beispiel im Automotive-Bereich, der Medizintechnik und natürlich in der Raumfahrt. Und immer mehr Branchen besinnen sich auf den neuen Werkstoff, zum Beispiel auch der Maschinenbau mit seinen schnell bewegten Massen.
Die Entwicklungsingenieure der CFK-verarbeitenden Industrie streben eine immer stärkere Automation der Verarbeitungsprozesse an, um künftig das größtmögliche Spektrum an Bauteilen seriell fertigen zu können. Die Wahl von automatisierten oder halbautomatisierten Verfahren orientieren sich dabei an den zu fertigenden Bauteilen: Automatisierungshemmnisse treten bislang bei komplexen Formen auf. Geometrisch einfache Bauteile wie ebene, nur leicht gekrümmte oder hohle Teile lassen sich bereits heute automatisiert fertigen. Hingegen können kleine und komplexe Formen sehr oft nur teilautomatisiert oder gänzlich in Handarbeit hergestellt werden: beispielsweise zweiachsig gekrümmte Oberflächen, Bauteile mit 90°-Winkeln, stark gekrümmte konkave oder konvexe Formen sowie Hinterschneidungen. Sie erschweren oder verhindern zum Beispiel das automatisierte Abfahren der Bahnen durch Roboter.
Die Cevotec GmbH hat in den vergangenen Jahren zusammen mit dem Lehrstuhl für Carbon Composites (LCC) der TU München, der Airbus Group und weiteren Industriepartnern ein vollautomatisiertes Fertigungsverfahren entwickelt, das die Automatisierungshemmnisse überwindet. Das Münchner Unternehmen bringt diese Technologie nun in den Markt und will damit einen Paradigmenwechsel in der CFK Branche einleiten. Die von Cevotec weiterentwickelte, leistungsfähige Produktionsanlage basiert auf der Fiber Patch Placement Technologie (FPP) und ermöglicht erstmals die Serienfertigung von Preforms mit komplexen und anspruchsvollen Geometrien – ein Novum. Preforms sind vorfixierte Faserhalbzeuge, aus denen nach Besäumen und Imprägnieren mit Kunststoff CFK-Bauteile entstehen.
Die FPP-Fertigungsanlage bietet durch ihr neuartiges Automatisierungskonzept signifikante wirtschaftliche Vorteile. Dazu gehören eine gesteigerte Qualität bei gleichzeitig gesenkten Produktionszeiten und eine attraktive Optik der Bauteile. Darüber hinaus ist vor allem die Materialeinsparung durch verringerten Verschnitt im Produktionsprozess hervorzuheben, ebenso wie die Materialeinsparung im Bauteil, weil die optimierte Faserarchitektur einen hohen Materialausnutzungsgrad ermöglicht.
Entwicklungsingenieure profitieren von verkürzten Produktentwicklungszeiten durch FPP, da die Anlage softwaregestützt programmiert wird. In der Praxis bedeutet das, dass die Ingenieure die CFK-Bauteile gänzlich am Computer entwerfen: beginnend bei der Konstruktion über das Simulieren der Bauteileigenschaften bis hin zu deren Optimierung und der Programmierung der Maschinen. Bevor ein Bauteil in die Fertigung geht, wird der Produktionsprozess einmal komplett virtuell durchlaufen. Stimmen alle Parameter, werden die Daten an die vollautomatische FPP-Anlage übergeben und die Produktion kann starten. Das robotergestützte Fiber Patch Placement bietet eine vollumfängliche Qualitätskontrolle und schließt damit Qualitätsschwankungen in der Serienproduktion aus.
So stark automatisiert wie das Spritzgießen
Das Ziel der Faserverbundindustrie ist es seit jeher, die CFK-Verarbeitung im selben Maß zu automatisieren wie die Verarbeitung von anderen Werkstoffen wie Kunststoff oder Metall. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der automatisierten Prozesse angestiegen. „Carbon“ steht aber immer noch für Automatisierungshemmnisse. Fiber Patch Placement verfolgt nun einen völlig neuen Ansatz in der Automatisierung und überwindet einige der aktuellen Barrieren. Vergleicht man FPP mit den etablierten Verarbeitungsverfahren wie Automated Fiber Placement (AFP), Automated Tape Laying (ATL) oder auch Tailored Fiber Placement (TFP), lassen sich die Unterschiede deutlich erkennen: Diese drei beispielhaften Verfahren arbeiten mit Endlosfasern und legen sie auf einfachen Formwerkzeugen ab, um beispielsweise Rumpftonnen oder Fenstertrichter für Flugzeuge zu fertigen. Für solche Formen bieten sich diese Herstellungsverfahren an, weil sie aufgrund der Größen und Formen kaum Flexibilität erfordern und – verglichen mit anderen Technologien – eine einfache Automatisierung ermöglichen. So legt bei AFP und ATL ein Legekopf mit Anpressrolle die faserverstärkten Kunststoffbänder unter Druck und Temperatur auf einer dreidimensionalen Werkzeugoberfläche entlang eines vorgegebenen Pfads ab. Je größer das Formwerkzeug und je ebener die Oberfläche sind, um so einfacher wird es, dem vorgegebenen Pfad zu folgen. Grenzen gesetzt sind aber bei kleineren Bauteilen mit anspruchsvollen Geometrien, weil sich die Rolle nicht mehr an die stark gekrümmte Kontur anpassen kann. Die Konsequenz: Die Legeverfahren lassen in der Produktionsautomatisierung eine Lücke im Bauteilespektrum von kleinen und geometrisch komplexen Formen offen (s. Diagramm Seite 62).
Fiber Patch Placement als Ansatz für die Roboter-Fertigung
Die Ingenieure von Cevotec wählen für den seriellen Fertigungsprozess einen anderen Ansatz: Definierte Stücke, die so genannten Patches, werden automatisiert aus einem Faserband geschnitten und vereinzelt. Komplexe Geometrien lassen sich ähnlich wie beim 3D-Druck mit Hilfe von Robotern Patch für Patch additiv auf dem Formwerkzeug aufbauen.
Die individuelle Orientierung jedes Patches gemäß den Belastungsrichtungen steigert die mechanischen Eigenschaften der Bauteile. Eine besondere Herausforderung liegt darin zu wissen, wie diese Belastungspfade im Bauteil verlaufen und wie die Fasern entsprechend gerichtet sein müssen. In Faserrichtung sind Steifigkeit und Festigkeit wesentlich höher als quer dazu. Für den Konstrukteur bedeutet das, die Kohlenstofffasern so im Bauteil auszurichten, dass sie die auftretenden Belastungen (zum Beispiel Zug, Druck, Schub) ideal aufnehmen.
Diese lastpfadorientierte Faserausrichtung in den Patch-Laminaten erhöht die Steifigkeit und Festigkeit eines Bauteils vor allem mit Blick auf hochbelastete Bereiche. So können patchbasierte Verstärkungen das Gewicht eines Bauteils reduzieren und gleichzeitig die gewünschten mechanischen Eigenschaften steigern. Das Ergebnis sind werkstoffgerecht hergestellte Hochleistungsbauteile, die die Eigenschaften des hochwertigen Materials sehr gut nutzen.
Technische Umsetzung von FPP
Aus dem entwickelten FPP-Prozess entstand ein Anlagendesign zur Bereitstellung der Patches, dessen zentrale Elemente zwei Roboter und eine stationäre Einheit sind. Nach Zufuhr des Faserbandes über den so genannten Tapefeeder erfolgt die Trennung durch einen Laser. Er gewährleistet nicht nur optimale, feinste Schnittkanten, sondern ist mit Blick auf die Lebensdauer der FPP-Anlage auch wartungsarm. Nach dem Vereinzeln erfolgt über ein Bildverarbeitungssystem mit zwei Kameras die Qualitätsprüfung der Patches. Die erste Kamera ist für das Prüfen der Patch-Geometrie zuständig. Ihr Bildsensor ist durch seine native Auflösung von 0,05 mm/Pixel besonders wertvoll für den FPP-Prozess, weil er auch in Umgebungen mit ultra-heller Lichtintensität und spiegelnden Reflexionen arbeiten kann. Anschließend nimmt der Greifer den Patch auf. Der Greifer ist formadaptiv, seine Kontaktfläche mit den Patches ist beheizt. Er ermöglicht die Applikation der Patches auch auf gekrümmten Konturen. Durch seine Formadaptivität reduziert sich der Programmieraufwand für die Roboter. Höhendifferenzen, die durch bereits auf dem Werkzeug aufgebrachtes Material entstehen, müssen nicht aufwendig berücksichtigt und nachgeregelt werden.
Die zweite Kameraprüfung detektiert eventuelle Lageabweichungen des Patches am Greifer. Um den Patch an der errechneten Position abzulegen, werden seine Position und Orientierung am Greifer vermessen und basierend auf den Abweichungen die Zielkoordinaten des Positionierroboters korrigiert. Der mit Binder versehene Patch wird jetzt am Greifer thermisch aktiviert und auf dem Formwerkzeug abgelegt und fixiert.
So entsteht Patch für Patch das gewünschte Faserhalbzeug. Alle Prozessparameter werden aufgezeichnet. Sie können nach der Produktion ausgelesen und ausgewertet werden. Damit wird eine Prozessüberwachung und Qualitätssicherung aller Arbeitsschritte realisiert, die für die mechanischen Eigenschaften eines CFK-Bauteils relevant sind. Dies ist ein bedeutender Fortschritt in der Fertigung komplexer Faserverbundbauteile.
Digitalisierung der Prozesskette
Bei Cevotec arbeiten Faserverbundingenieure eng mit Softwareentwicklern zusammen. Nicht nur der Produktionsprozess komplexer CFK Bauteile wird automatisiert, sondern auch das im Vorfeld erforderliche Entwerfen der Laminate aus den Patches: Durch eine vollständige Digitalisierung der Prozesskette setzt die Automatisierung bei FPP also bereits in der Laminaterstellung ein. Dazu entwickelten die Ingenieure eine Software-Plattform, die die Patches automatisiert so ausrichtet und anordnet, dass sie auch gekrümmten Lastpfaden folgen können.
Nach jahrelanger Entwicklungsarbeit kennen die Faserverbundingenieure alle geometrischen Parameter, um ein Laminat ideal auszulegen: Relevante Qualitätsparameter wurden in vielen Versuchsreihen verifiziert und anschließend in die Software integriert. So erhält der Anwender Unterstützung beim automatisierten Laminatentwurf. Das Modul optimiert die Überlappungen der Patches im Laminat so, dass eine ideale Verteilung der Stoßstellen stattfindet und damit das mechanische Verhalten des Laminats gezielt optimiert wird.
Die Laminatdaten sind die Grundlage für das Erzeugen der Maschinendaten in einem weiteren Modul. Dort errechnet ein Algorithmus für jede geplante Patch-Ablageposition optimierte Bewegungen, die ein 4-Achs-Fastpicker und ein 6-Achs-Roboter vollziehen müssen, um Formwerkzeug und Patch zusammenzuführen.
In den Software-Modulen wird letztlich der gesamte Produktionsprozess im Vorfeld virtuell abgebildet, geplant, simuliert und optimiert, bevor es in die Fertigung geht. Das eliminiert auch das Crash-Risiko der Roboter und minimiert Rüst- und Ausfallzeiten.
Flugzeuge werden noch leichter
Die Synergie aus digitalisierter Prozesskette und vollautomatisierter Produktion ermöglicht erstmals die Serienherstellung von komplexen Carbon-Composites. Der FPP-Prozess steigert die Produktivität, ermöglicht eine belastungsgerechte Faserorientierung und sichert die Qualität entlang der gesamten Prozesskette. Für Branchen wie den Automobilbau, die Luft- und Raumfahrtindustrie oder auch die Medizintechnik eröffnet Fiber Patch Placement völlig neue Freiheitsgrade.
So kann das Strukturgewicht von Flugzeugen weiter gesenkt werden – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eines der Kernthemen im Flugzeugbau. Forschungen aus den Bereichen Triebwerk, Flugzeugzelle, Aerodynamik zeigen, dass „…neben dem spezifischen Kraftstoffverbrauch (SFC) und der Aerodynamik das Strukturgewicht für eine Verbrauchsreduzierung entscheidend ist“. Laut dieser Studie* wird der Anteil an Faserverbundwerkstoffen in Luftfahrzeugen auf prognostizierte 65 % im Jahr 2020 wachsen und circa weitere 20 % an Gewicht einsparen. Das kann den Kraftstoffverbrauch von Langstreckenflugzeugen um ungefähr 15 % und von Mittelstreckenflugzeugen um etwa 10 % Prozent senken. Fiber Patch Placement wird für den Leichtbau in der Luftfahrt und anderen Branchen einen wertvollen Beitrag leisten.
* Studie „Zusammenfassende Darstellung der Effizienzpotenziale bei Flugzeugen unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Triebwerkstechnik sowie der absehbaren mittelfristigen Entwicklungen“, Gmelin, Hüttig, Lehmann, Berlin.

Cevotec GmbH

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Die Cevotec GmbH wurde Anfang 2015 als Spin-off der TU München durch das heutige Management-Team und Mentor Prof. Klaus Drechsler gegründet. Das große Thema sind patchbasierte Fertigungstechnologien wie Fiber Patch Placement (FPP), das seit 2008 in mehreren Verbundprojekten mit 5 Mio. Euro Budget entwickelt wurde.
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