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Ein Gefühl von Carbon

CFK: Leichtigkeit, Festigkeit und Dämpfungsvermögen sind mehr als messbar
Ein Gefühl von Carbon

Kann man Carbon wirklich spüren? Und ob. Man muss nur eine ambitionierte Radsportlerin fragen, die viele Kilometer macht und mit ihrem CFK-Renngerät nahezu verschmelzt, wenn sie auf Tour geht.

Rund 3000 Streckenkilometer im Jahr, oft gleich nach dem Büro. Im Sommer dann die zehnstündige Extremtour am Gardasee mit 2500 Höhenmetern über den Altissimo (2079 m). Reicht das aus, um über das Carbongefühl im Sattel zu reden? Zweifellos. Bei meiner Kollegin Daniela Engel bin ich zum Thema fündig geworden. Ihre beruflichen Wurzeln liegen im Sportfachhandel. Vor eineinhalb Jahren hat sie sich das erste Rennrad mit CFK-Rahmen, -Gabel, -Hinterbau und –Sattelstütze zugelegt. „Du hast das Gefühl, du fliegst, wenn du von Aluminium auf Carbon umsteigst“, sagt sie. Dahinter steckt das überwältigende Feeling, plötzlich 2 kg weniger Masse unter dem Sattel zu haben. „Doch das relativiert sich im Laufe der Zeit. Was bleibt, ist das neue Fahrgefühl. Das Rad ist steif, nichts verwindet. Du bleibst einfach immer in der Spur als ob du auf einer Schiene fährst.“

Auf ihren Touren beobachtet sie oft ganz andere Phänomene bei Bikern, die mit 70 km/h den Hang herunterbretzeln. Einen hat sie gesehen, der fast stürzte, weil sein Hinterbau Schlangenlinien vollführte – „ein schlechtes Rad“, urteilt sie, früher im Fahrradverkauf tätig. Doch dem Fahrer scheint nichts aufgefallen zu sein.
Nicht jeder entwickelt ein feines Gespür. Das kann Oliver Keßler bestätigen. Er arbeitet bei Felt, einem Hersteller technisch anspruchsvoller Räder. Als Brand Manager testet er selbst Prototypen, die zwei Jahre später auf den deutschen Markt kommen. „Die meisten Biker spüren die Schläge nicht bewusst, die das Rad weitergibt“, sagt der Experte. „Aber dass sie mit einem gut dämpfenden Carbon-Rahmen nicht so schnell ermüden, das merken sie schon nach langen Touren!“ Rennprofis hingegen spüren sofort, was los ist. Beispielsweise, ob das Rad steif genug ist und ihren Antritt verlustfrei in Vortrieb umwandelt. So brauchen sie es im Wettkampf.
Leicht, steif und trotzdem schonend? „Das ist der große Vorteil von Carbon. Dieser Werkstoff ist ungemein flexibel“, erklärt Keßler. „Anders als bei Aluminium lässt sich jedes Segment individuell gestalten.“ Der Tretlagerbereich muss zum Beispiel besonders steif sein, damit beim Antreten keine Verwindungen entstehen. Ebenso der Lenkkopf. Also sieht der Ingenieur dort mehr Carbonfasern vor. Die Sitzstreben dürfen dagegen nachgiebiger sein. „Die drei Eigenschaften Steifigkeit, Leichtigkeit und Haltbarkeit lassen sich wunderbar kombinieren. Ihr Gleichgewicht gilt es immer sorgfältig individuell auszutarieren – und das geht mit Carbon gut.“ Rennfahrer wollen zum Beispiel ein Minimum an Gewicht bei hoher Steifigkeit. Die Ingenieure gehen für sie an die Werkstoffgrenze. Das Ergebnis sind um die 750 g leichte Rahmen mit niedriger Haltbarkeit, die sehr spröde sind und leicht splittern – für Freizeitsportler völlig ungeeignet, für Radprofis okay. „Wir liefern an unser Profi-Rennteam etwa 200 Carbonrahmen im Jahr“, sagt Oliver Keßler.
Daniela Engel hat ihr Carbon-Rad übrigens gekauft, um den Rücken zu schonen. Sie wusste von den guten Dämpfungseigenschaften des Werkstoffes (der deswegen auch für den Maschinenbau attraktiv ist). „Die kleinen Unebenheiten des Asphalts spürst du bei Carbon nicht mehr. Das Material schluckt die Schläge.“ Das Rad war allerdings doppelt so teuer wie das alte aus Alu. Ob sich das gelohnt hat? „Mein Carbon-Rad gebe ich aber bestimmt nicht mehr her“, weiß unsere agile Redaktionsassistentin genau.
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