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100-t-Module unterm Lichtbogen

Schweißtechnik: 1000 t schweres Prozessabhitzesystem in den USA verschweißt
100-t-Module unterm Lichtbogen

Unterpulver-Schweißen | Die größte Gesellschaft der österreichischen Bertsch Group hat in den USA ein über 1000 t schweres Prozessabhitzesystem fertiggestellt – in Modulen aus Bludenz verschifft. Zentrale Rolle spielte vor Ort das UP-Schweißen mit Equipment von Oerlikon.

Gerd TrommerFachjournalist in Gernsheim

Bertschenergy verschickte die einzelnen Module des Systems zu maximal 100 t per Spezial-Lkw und anschließend mit dem Schiff vom Werk Bludenz in die USA. Die Arbeiten waren in der zweiten Jahreshälfte 2015 abgeschlossen – ein Vorzeigprojekt des Mittelständlers aus Bludenz, bei dem das UP-Schweißen als Spezialdisziplin im Mittelpunkt stand.
„Höchst belastete Stahlelemente sind unsere Kernkompetenz. Da finden Sie Dampftrommeln von Kesseln, Spaltgaskühler oder Wärmetauscher“, umreißt Gerhard Brandtner das Spektrum. „Dazu verarbeiten wir von unlegierten bis zu hochwarmfesten Stählen und Nickelbasiswerkstoffen alle Sorten, die für die spätere Anwendung sinnvoll sind.“ Der 49jährige European Welding Engineer (EWE) verantwortet bei Bertschenergy das gesamte Feld der Schweißtechnologien. Brandtner begleitet das Schweißen von der Verfahrenswahl, den konstruktiven sowie fertigungstechnischen Vorgaben bis zur Qualitätskontrolle und -sicherung. Kunden von Bertschenergy sind sowohl Industrie- und Kraftwerksunternehmen als auch Ingenieurunternehmen, die als Generalunternehmen fungieren. Das Schweißen ist eine Kernkompetenz. Von den 250 Beschäftigten sind 60 ausgebildete Schweißer, die sich halbjährlich einer Prüfung unterziehen müssen, bevor ihr Schweißerzeugnis verlängert wird.
Anlage operiert mit 897 °C heißen Mega-Gasströmen
Bei dem aktuellen Projekt handelte es sich um eine Industrieinstallation. In Beaumont, Texas, soll eine Mega-Methanolanlage täglich 5 000 000 kg Methanol produzieren. Als Nebenprodukt entsteht ein Gasstrom von 358 000 kg/h mit 897 °C Temperatur im Dampfreformer, der auf 179 °C zu kühlen ist. Dies übernimmt das Prozessabhitzesystem „NATGas“. Die Wärmeleistung von 168 MW dient dem Aufheizen von Medien wie Erdgas, Dampf, Luft und Wasser.
Im NATGas verbauen die Bertsch-Mitarbeiter circa 870 t Stahl verschiedener Sorten und circa 130 t Feuerfestauskleidung, insgesamt rund 1000 t. Die Module von jeweils etwa 100 t entstehen in Bludenz. Nach dem Transport in die USA folgt die Montage und Inbetriebnahme in Beaumont. Die fertige Anlage kommt auf 50 m Länge und 15 m Höhe. Temperaturen, Aggressivität der genutzten Heizgase und auftretende Drücke sind entscheidende Einflussgrößen auf die Werkstoffwahl: überwiegend hitzebeständige austenitische Stähle von unlegiert bis hin zu 2,5 % Chrom- und 0,5 % Molybdänanteilen. Für das NATGas-Projekt sind sie nach US-amerikanischen Normen definiert.
Die Fertigungstiefe ist im Bludenzer Werk sehr hoch. Um bei großen Teilen unabhängig von Lieferanten und Lieferzeiten zu sein, hat Bertschenergy auch in eine moderne Walze investiert. Sie formt Bleche bis zu 100 mm Dicke und 4000 mm Breite. Das bewährt sich auch beim NATGas-Projekt. Die Werker bringen die zu fügenden Bleche durch Brennschneiden auf Maß.
Sie schleifen die Schneidkanten und prüfen sie. Soweit technisch möglich und die Fügestellen zugänglich sind, dominieren automatisierte Schweißverfahren. Für das UP-Schweißen gilt das generell. Bei dieser Technologie setzen die Bludenzer auf einen bewährten Partner: die Oerlikon Schweißtechnik GmbH mit Sitz in Eisenberg. „An Oerlikon schätzen wir besonders die Kombination von ausgezeichneten UP-Anlagen mit großem Verfahrens-Knowhow und Kompetenz in Schweißzusatzwerkstoffen“, begründet EWE Gerhard Brandtner die langjährige Zusammenarbeit.
Bertschenergy nutzt aktuell das Gleichstrom(DC)-Eindrahtverfahren. „Insgesamt kann eine Naht aus bis zu zweihundert Raupen bestehen“, erläutert Brandtner. Die meisten UP-geschweißten Werkstücke sind zylinderförmig: Zu fügen sind die Längsnaht und anschließend die Rundnähte zum Verbinden der einzelnen Rohrschüsse. „Wir walzen erst die Grundform und heften die Längsfuge. Dann schweißen wir von der Innenseite. Ein Wurzelschutz entfällt beim UP-Schweißen, denn anschließend fräsen wir von der Außenseite die Wurzellage mit einer Rundnahtfräse aus. Bei Längsnähten wird gegengefugt. Nach dem Überprüfen der überarbeiteten Nähte folgen die UP-Schweißungen von außen.“
Die geschweißten Bauteile erhalten eine Wärmebehandlung. Bei un- und niedriglegierten Werkstoffen per Spannungsarmglühen, bei höherlegierten, chromhaltigen Werkstoffen per Anlassglühen oder bei hochlegierten mit Stabilglühen. Abschließend prüfen unternehmensinterne Qualitätsbeauftragte je nach Wanddicke die Nähte mit Ultraschall- oder Röntgengeräten.
Oerlikon unterstützt bei Technologie und Zusatzwerkstoff-Auswahl
EWE Brandtner und seine Mitarbeiter haben ein umfangreiches Knowhow zum UP-Schweißen angesammelt. Dazu ergänzt er: „Wir arbeiten in diesem Bereich eng mit Oerlikon zusammen. Das schließt ein, dass wir Grundlagen- und Erfahrungswissen der UP-Experten nutzen und uns Tipps geben lassen.“ Dies betrifft sowohl die Technologie als auch die Schweißzusatzwerkstoffe. „Denn bei unserer sehr großen Werkstoffpalette können wir nicht die jeweils beste Draht-Pulver-Kombination kennen.“ Eine qualifizierte Beratung spielt bei speziellen Anforderungen eine wichtige Rolle. In die Wahl von Draht und Pulver können Anwendungseinflüsse wie Tieftemperaturen oder Versprödungsneigung eingehen. „Themen, die ohne Experten-Knowhow zu teuren Erfahrungen führen können“, sagt Gerhard Brandtner.
Beim NATGas-Projekt legten die Schweißexperten die Elektrodendrahtdurchmesser für un- und niedriglegierte Stähle mit 4 mm und für hochlegierte mit 3 mm fest. Die dazugehörigen Stromwerte betragen beim UP-Schweißen für niedriglegierte Stähle 550 bis 650 A bei 29 bis 32 V Spannung und 50 bis 60 cm/min Schweißgeschwindigkeit. Für hochlegierte Stähle betragen sie 350 bis 450 A bei 29 bis 31 V und 50 bis 55 cm/min. Mit dem Eindraht-DC-Verfahren erreichen die Bludenzer 12 kg/h Abschmelzleistung.
Das Schweißpulver steht beim UP-Schweißen im Zentrum. Es übernimmt hier ähnliche Aufgaben wie die Umhüllung bei Stabelektroden. Dazu gehören die Verbesserung der Leitfähigkeit des Lichtbogens, seine Stabilisierung und die Erleichterung des Zündens. Weiter schützt die Schlacke den in das flüssige Schmelzbad übergehenden Tropfen. Die Schlacke formt die Schweißnaht und vermindert die Abkühlgeschwindigkeit.
In der Gasphase der Lichtbogenkaverne beeinflusst das Schweißpulver die metallurgischen Eigenschaften des Schweißgutes zum Beispiel durch die Reaktion zwischen beiden Stoffen. Weitere Funktionen sind das Desoxidieren und Auflegieren des Schweißgutes durch Zugabe entsprechender Elemente. Die Auswahl der Drahtelektrode treffen die Schweißexperten dann passend nach ihrer chemischen Zusammensetzung. Ihr Durchmesser beeinflusst die mögliche Stromstärke und bestimmt damit wesentlich die Abschmelzleistung.
Für die mittellegierten Stähle verwenden die Schweißexperten die Drahtelektrode OE-S2CrMo1 mit 4 mm Durchmesser. Das dazu ausgewählte Pulver OP 121TT erfüllt hohe Ansprüche an die Schweißnahtverbindung für die Bereiche im Behälter- und Anlagenbau sowie Großrohrbau.
Für hochlegierte Stähle ist hingegen die Drahtelektrode OE-347 mit 3 mm Durchmesser geeignet. Das dazu passende Pulver OP 76 ist ein agglomeriertes Schweißpulver vom fluridbasischen Typ zum Schweißen von nichtrostenden und hitzebeständigen Stählen. Kombiniert wird es mit hochlegierten Drahtelektroden, die auf die Anforderungen abgestimmt sind.
Im Werk Bludenz arbeitet Bertschenergy mit fünf UP-Schweißanlagen, zwei UP-Traktoren und zwei UP-Stutzenschweißgeräten. Die älteren UP-Anlagen sind inzwischen mit neuen Steuerungen und überwiegend mit Oerlikon-Stromquellen retrofitted. Von den fünf sind vier mit den Stromquellen Starmatic 1303 DC ausgestattet.
Typisch ist die Anlage MFT 40 x 35 SO (s. Kasten). Sie besteht im Wesentlichen aus dem Automatenträger mit Bodenfahrwerk inklusive Fernbedienung, der Ausrüstung zum Innen-/Außen-Längs- und Rundnaht-UP-Schweißen mit Schweißkopf. Weiter aus Stromquelle, Pulverzuführung und -absaugung, Fernüberwachung und dem Zentralschrank mit Bedientableau für die Elektroversorgung.
Kennzeichnend sind die aufeinander abgestimmten Komponenten. Oerlikon errichtet die Anlagen schlüsselfertig. Hohe Produktivität, Bedienerkomfort und Ergebnisqualität zählen zum Grundnutzen. In den Schweißstromquellen Subarc 5 sind auch die von anspruchsvollen Anwendern erwarteten Funktionen integriert: digitale Anzeige von Stromstärke, Spannung und Drahtvorschub, Speichern der Istwerte sowie die Draht-Werkstück-Kurzschlusserkennung. Die Stromquelle Starmatic 1303 DC zeichnet sich durch die bewährte Technik und Zuverlässigkeit mit einer Stromstärke von 1300 A bei 100 % Einschaltdauer aus.
„Mit dem UP-Schweißen erreichen wir von der Qualität und Wirtschaftlichkeit her die besten Ergebnisse. Deshalb ist es das Hauptverfahren, das wir am liebsten einsetzen“, resümiert EWE Gerhard Brandtner. Auch über das AC(Wechselstrom)-UP-Schweißen denken die Bludenzer nach, insbesondere für weitere Leistungssteigerungen durch Doppeldraht- oder Tandemschweißen. „Hier sind wir mit unseren Partnern von Oerlikon intensiv im Gespräch.“

UP-Schweißanlage MFT 40 x 35 SO
UP-Schweißträger
Gesamthöhe ca. 5000 mm
Spurweite 1435 mm
Fahrgeschwindigkeit 0,1-6 m/min
Hubgeschwindigkeit 11-300 cm/min
Vorschubgeschwindigkeit 15-300 cm/min
Hubhöhe von OK Boden 4000 mm
Max. Ausladung Arm 4500 mm
Max. Belastbarkeit 400 kg
UP-Schweißtechnik
SubArc 5
Schweißkopf mit Parameter-Vorwahl zum mechanisierten UP-Schweißen für Gleichstrom
Gleichstromquelle Starmatic 1303 DC, Kennlinie flach (CC) oder fallend (CP)
Zuführ-/Pulverabsauganlage
Frischpulvertank 50 l
Heizung bis 350 °C
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