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66 666 Funken pro Sekunde erzeugen natürliche Oberflächen

Senkerodiermaschine Agietron Hyperspark
66 666 Funken pro Sekunde erzeugen natürliche Oberflächen

Hohe Abtragsleistung bei geringem Elektrodenverschleiß und hoher Oberflächengüte, das kennzeichnet die Senkerodiermaschine Agietron Hyperspark. Ihre spezielle Generatortechnik macht´s möglich.

Von unserem Redaktionsmitglied Haider Willrett haider.willrett@konradin.de

„Die Hyperspark ist die schnellste und genaueste Senkerodiermaschine, die sich flexibel an wechselnde Teilespektren anpassen lässt“, betont Rudolf Riedel. Der Löwenanteil des Fortschritts geht auf das Konto der neuen Generatortechnik, die der Maschine ihren Namen gab, ergänzt der Geschäftsführer der Schorndorfer Agie GmbH. Lag der Wirkungsgrad beim Vorgängermodell Innovation noch bei 75 %, so setzt die neue Technik 85 % der zugeführten Energie in Impulse um. Sie ist gekennzeichnet durch die intelligente Interaktion von sechs Funktionen.
Da ist zunächst die spezielle Impulsgeometrie des Hyperspark-Generators. Während die Stromamplitude am Anfang des Impulses klein gehalten wird – das kommt dem Elektrodenverschleiß zugute –, sorgt eine große Amplitude am Ende des Impulses für einen Ausschleudereffekt an der Erodierstelle und damit für einen höheren Abtrag. Letzterer wird zusätzlich durch die intelligente Dynamik der Abhebebewegung vergrößert. Dazu beschleunigt eine Timer-Funktion die Elektrode dynamisch. Das System erhöht die Geschwindigkeit, kontrolliert die Bewegung und passt sie an die aktuellen Bedingungen an. Mit Hilfe einer verbesserten Elektronik lassen sich Ströme und Spannungen feiner abstimmen. Zudem haben die Entwickler in die Prozesskontrolle neue Algorithmen implementiert, die schneller reagieren und die Produktivität steigern sollen. Bei der Planetärerosion speichert und analysiert das so genannte Predictive Learning System (PLS) fortlaufend die Erodierbedingungen und optimiert danach Schritt für Schritt den Prozess. Last but not least spielt die Datenbank Tectron eine entscheidende Rolle für die Flexibiltät der Maschine. In ihr sind Datensätze enthalten für die Standard- und Lamellenbearbeitung, für maximale Abtragsleistung sowie für hohen Abtrag bei geringem Verschleiß mit spitzen Elektroden. Der Anwender muss lediglich die Geometriedaten und die geforderte Qualität angeben, die jeweils beste Bearbeitungssequenz erstellt das System dann automatisch. „In Tectron haben wir das Wissen und die Erfahrung unserer besten Erodierspezialisten eingearbeitet“, betont Riedel. Außerdem seien die iterativ optimierten Prozessparameter eingeflossen, die sich beim Bearbeiten Hunderter Kundenwerkstücke ergaben. „Hyperspark berücksichtigt rund 20 Haupt- und ebenso viele Nebenparameter und stimmt diese gezielt aufeinander ab“, sagt Riedel.
Seit November 2003 hat die Agie SA mit Stammsitz im schweizerischen Losone rund 120 Hyperspark verkauft. Für die kleinere Baugröße 2, deren Verfahrwege in X-, Y- und Z-Richtung 350, 250 und 350 mm betragen, muss ein Interessent in der Grundausstattung rund 125 000 Euro investieren. Die größere Schwester Hyperspark 3 verfährt in den Achsen X und Z jeweils um 500 mm und in Y um 350 mm. Angetrieben werden die Achsen von Kugelumlaufspindeln. Sowohl Riedel als auch Marco Boccadoro, in Losone für den Produktbereich Senkerodiermaschinen verantwortlich und in diesem Segment Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, sind sich sicher, dass linear angetriebene Achsen beim Erodieren derzeit keinen Vorteil bringen. Im Gegenteil. Die Mechanik brauche zu lange, um auszuschwingen. Und die in der Pinole entstehende Wärme bedinge ein Kühlsystem. Das daraus resultierende Aufwärmen und Abkühlen wirke sich negativ auf die Präzision aus. „Ein ganz entscheidender Nachteil des Linearmotors ist aber die begrenzte Abhebekraft“, sagt Boccadoro. „Die liegt lediglich bei 3000 N und das ist speziell bei großen Elektroden zu wenig, um einen vernünftigen Prozessverlauf sicherzustellen.“ Der Kugelumlaufantrieb der Hyperspark bringt bei Bedarf 11 000 N auf. Chef-Entwickler Boccadoro resümiert: „Ich will nicht ausschließen, dass Direktantriebe in der Zukunft interessant werden könnten, derzeit erreichen wir aber mit unserer Technik bessere Ergebnisse.“
Einen Wettbewerbsvorteil sieht Boccadoro auch in der hauseigenen CNC-Steuerung Agievision: „Handelsübliche CNC sind für die Erosion nicht geeignet. Im Gegensatz zu den Spanern müssen wir in extrem kurzer Zeit nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts interpolieren.“ 1 µs hat das Gehirn der Maschine, um die X-, Y- und Z-Koordinaten eines Punktes im Raum sowie den Wert der C-Achse zu berechnen. Nach 3 ms beginnt die mechanische Reaktion der Pinole, und die Elektrode bewegt sich auf den berechneten Punkt zu. Dabei müssen alle vier Achsen gleichzeitig verfahren. „Zudem muss die Steuerung alle 15 Mikrosekunden einen Impuls verarbeiten.“ Das bedeutet 66 666 Funken in jeder Sekunde. Agievision bietet außerdem Schnittstellen, um CAD/CAM-Daten zu übernehmen und ein beliebiges Netzwerk aus Erodieranlagen, Messmaschinen, Identifikations- und Automatisierungssystemen sowie Peripheriegeräten aufzubauen. Dieses Netzwerk kann durch externe Systeme gesteuert und überwacht werden – bei Bedarf auch von zu Hause aus. Als Option gibt´s einen integrierten Werkstück- und Elektrodenwechsler.
Agie-Chef Rudolf Riedel ist überzeugt, dass die Zeit, in der die HSC-Bearbeitung dem Erodieren Anteile abnahm, vorüber ist: „Wir haben Kunden, die massiv aufs Hochgeschwindigkeitsfräsen setzten, inzwischen aber erkannt haben, dass beide Technologien notwendig sind.“ Riedel sieht im Fortschritt der spanenden Kollegen sogar eine Chance für die Erodierer. „Erst durch das HSC-Fräsen und die modernen, diamantbeschichteten Werkzeuge ist es möglich, Grafitelektroden schnell und wirtschaftlich herzustellen.“ Für das abtragende Verfahren spreche auch, dass es sehr viel einfacher sei, Fräsprogramme für die Elektrodenfertigung zu erstellen, als fürs Hartbearbeiten einer Form mit höchster Präzision und Oberflächengüte. „Durch die neue Generatortechnik sind wir so schnell geworden, dass es bei einer Reihe von Anwendungen schneller und wirtschaftlicher ist, den gesamten Prozess abtragend zu gestalten.“ Zumal dann, wenn enge und tiefe Taschen oder Rippen, gebogene Bohrungen oder die geforderten Oberflächenstrukturen ohnehin eine erosive Bearbeitung zwingend erfordern. Die natürlich wirkende Oberflächenrauheit sei beispielsweise in der Medizintechnik häufig ein Muss, oder auch dort, wo eine angenehme Haptik gefragt ist, etwa bei Kameras oder Telefonen.
Zwei der bisher ausgelieferten Hypersparks fertigen bei Siemens Com in Bocholt, einem Unternehmensbereich der Siemens AG, unter anderem Spritzgießformen für schnurlose Telefone. Bernhard Schaffeld, der Leiter des Werkzeugbaus, erinnert sich an die ersten Versuche mit der neuen Maschine: „Anfangs hatte ich regelrecht Angst um unsere Elektroden, als ich sah, mit welcher Geschwindigkeit die dünnwandigen Grafitstege im Werkstück schmale, tiefe Taschen erzeugten.“ Doch gerade hier bringt das Generator-Konzept besonders viel. Bis zu 50 % kürzere Erodierzeiten überzeugten Schaffeld. Bei großflächigen Elektroden falle der Vorteil gegenüber der Vorgängermaschine zwar geringer aus, „im Schnitt ist die Hyperspark bei uns aber 30 bis 35 Prozent produktiver als die rund drei Jahre alte Innovation.“ Ein weiterer Vorteil der jüngeren Maschine: Besonders in den tiefen, engen Spalten ist die hochwertige und gleichmäßige Oberfläche mit geringen Rautiefen wichtig. Sie sorgt dafür, dass die spritzgegossenen Telefongehäuse problemlos ausgeformt werden können und die extrem kurzen Taktzeiten möglich sind. „Bisher mussten wir diese Stellen von Hand nachpolieren. Das können wir uns hier in Deutschland aber nicht mehr leisten“, gibt Schaffeld zu bedenken. Er hat zwei seiner fünf Innovation durch Hypersparks ersetzt. Zusammen mit der auf 40 h verlängerten Wochenarbeitszeit soll diese Kapazitätserhöhung ausreichen, um in Zukunft 40 statt der bisher 35 Großformen im Jahr zu bauen.
Als einer der ersten Kunden bedient Siemens zwei Hypersparks mit einem Automatisierungssystem. Hier hätte Schaffeld dann doch noch einen Verbesserungswunsch: „An unsere Agie-Maschinen können wir nur von einer Seite einen Roboter heranstellen. Um mehrere Einheiten miteinander zu verketten, eventuell auch HSC-Bearbeitungszentren für die Elektrodenfertigung einzubinden, müssten sie von zwei Seiten automatisierbar sein.“ Agie-Chef Riedel gesteht: „Unser Maschinen-Layout lässt das im Moment nicht zu.“ Es sei aber durchaus möglich, dass dieser Wunsch bei der nächsten Generation berücksichtigt werde. Derzeit sei das Gros der Kunden jedoch an einer doppelten Automatisierung nicht interessiert. Vielen Anwendern fehle noch das Vertrauen in eine komplett automatisierte Prozesskette, von der Elektrodenfertigung mittels HSC-Fräsen bis zum fertig erodierten Werkstück. Überhaupt blickt Riedel gelassen in die Zukunft: „Wenn ich bedenke, dass einige unserer Wettbewerber der Meinung sind, am Erosionsfunken sei kein wesentlicher Fortschritt mehr möglich, kann ich nur sagen: Wir haben da noch eine Menge Ideen.“
Datenbank gibt Prozessparameter automatisch vor

Referenzteil

416378

Beim Erodieren der gezeigten Form bewirkten die Hyperspark-Impulse und die großen Beschleunigungswerte beim Abheben hohe Abtragsraten
Werkstückmaterial Stahl
Elektrodenmaterial Grafit
Oberflächenrauheit Ra < 1,25 µm
konventionelle Generatortechnik
Erodierzeit 19 h 30 min
Elektrodenverschleiß 0,54 mm
Hyperspark
Erodierzeit 9 h 48 min
Elektrodenverschleiß 0,12 mm
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