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Abwägen des Für und Wider ergibt klares Jein

Manuelle und automatische Regalbediengeräte im Vergleich
Abwägen des Für und Wider ergibt klares Jein

Die Entscheidung für manuelle oder automatische Regalbediengeräte hängt vom konkreten Anwendungsfall ab. Zwei Beispiele verdeutlichen, dass nicht nur der Preis pro Pick und die Kommissionierleistung den Ausschlag geben, sondern auch die Fehlerquote und der Raumbedarf eine Rolle spielen.

Dr.- Ing. Jürgen Baier ist Abteilungsleiter im Produktbereich Regalbediengeräte der Mannesmann Dematic AG in Wetter

Wer Lager über 6 m Höhe plant, sollte den Einsatz von Regalbediengeräten (RBG) erwägen. Oberhalb der von Staplern erreichbaren 14-m-Marke gibt es meist sogar keine Alternative zu dieser Technik. Wichtigste Auswahlkriterien sind die individuellen Anforderungen des Betreibers. Die Entscheidung, ob manuell unterstützte oder automatische Lagerspiele sinnvoller sind, lässt sich nur nach eingehender Betrachtung aller anwenderspezifischen Gegebenheiten treffen.
Die Aufwendungen für verschiedene Lagertypen und Bedientechniken weichen erheblich voneinander ab. Eine isolierte Analyse der Investitionen betrachtet allein die Kosten pro Zugriff. Doch dies wäre eine eindimensionale Kalkulation, die dem Problem nicht gerecht würde. Für den Anwender sollte im Vordergrund stehen, dass das System den gestellten Anforderungen entspricht.
Von den in den letzten Jahren in Deutschland errichteten Hochregallagern werden annähernd 90 % automatisch betrieben. Mit guten Gründen: Zum einen ist der Personalaufwand wesentlich geringer, so dass sich die Automation schnell bezahlt macht. Außerdem macht die Technik praktisch keine Fehler. Gerade das kann entscheidend sein, beispielsweise für einen Lieferanten der Automobilindustrie, die keine Fehler duldet.
Außerdem lassen sich die Kommissionier-Arbeitsplätze automatischer Systeme, die so genannte zweite Kommissionierstufe, ergonomisch vorteilhafter gestalten als die Kabinen der Regalbediengeräte. Das motiviert die Mitarbeiter, beugt Ermüdungen und Ausfallzeiten vor und senkt letztlich die Kosten. Ein zusätzliches Argument für die Automation: In beschäftigungsarmen Zeiten können Umlagerungen selbstständig initiiert werden, um später Zugriffszeiten zu verkürzen.
Den höheren Investitionen in automatische Regalbediengeräte, die manchen Anwender trotz der oft kürzeren Amortisationsphase vom Kauf abhalten, begegnen die Systemanbieter mit preisgünstigen automatischen Lagermodulen aus Standardelementen.
Manuelle Technik
Manuelle RBG sind unentbehrlich, wenn auf einer Kommissionierfahrt verschiedene Artikel eingesammelt werden sollen. Die weiteren Vorteile gegenüber automatischen Geräten:
– Der Rücktransport angebrochener Ladungsträger in das Hochregallager entfällt.
– Das System ist flexibler in Bezug auf unterschiedliche Ladehilfsmittel und wechselnde Sortimente.
Zwar ist die Fehlerwahrscheinlichkeit höher, dies lässt sich aber durch laufenden Datenabgleich mit dem Lagerverwaltungssystem mindern.
Bei der Nutzenanalyse beider Arbeitsweisen ist zu berücksichtigen, dass die Wirtschaftlichkeit eines automatischen Regalbediengerätes im Vergleich zum manuellen mit der Anzahl der Schichten pro Tag steigt; denn längere Arbeitszeiten erhöhen beim manuellen System den Personalaufwand.
Der Schraubenhersteller ABC Altenloh, Brinck & Co., Ennepetal, versorgt seine Kunden aus einem manuellen, gut 21 m hohen Lager. Der Spezialist für Verbindungstechnik produziert täglich rund 40 Millionen Verbindungselemente, die alle das Hochregallager durchlaufen. Dessen drei Gassen sind jeweils mit einem Regalbediengerät des Typs Destamat 1020 II der Mannesmann Dematic AG, Wetter, ausgestattet. Die mit Teleskopgabeln versehenen, 1000 kg tragenden RBG ver- und entsorgen 7200 Palettenplätze. Die Abläufe werden von einem Lagerverwaltungssystem über Belege gesteuert. Zum Kommissionieren der etwa 1500 Artikel lässt die Software Pickzettel in wegeoptimierter Reihenfolge ausdrucken. Obwohl bis zu 30 Produkte auf einer Kommissionier-Palette lagern, erzielt ABC eine sehr geringe Fehlerquote; ein Ergebnis der Werker-Selbstkontrolle. Nach der Entnahme wird die Ware auf Ketten- und Rollenförderern zum Versand transportiert.
Müsste der Schraubenhersteller erneut in Kommissionierlager investieren, würde die Entscheidung wieder zu Gunsten eines manuellen Hochregallagers fallen. Denn der inzwischen auf rund 70 % angewachsene Kommissionieranteil unterstreicht, dass die Konzeption stimmt. Zudem kann sich die Leistung aufgrund von Wegeoptimierungen mit derjenigen automatischer Systeme messen. Da wegen des Sortiments ohnehin Europaletten als Warenträger verwendet werden müssen, ist obendrein der Raumnutzungsgrad beim manuellen Verfahren höher, denn es entfällt der Platzbedarf für eine zweite Kommissionierstufe, in der die Behälter umgesetzt würden.
Lagerrechner optimiert die Wege für das Kommissionieren
Automatisches Kleinteilelager
Für den sinnvollen Einsatz eines automatischen Kleinteilelagers (AKL) mit Regalbediengeräten in Leichtbauweise steht exemplarisch die BMG Baugruppen und Modulfertigung GmbH in Glauchau, Sachsen. Das Unternehmen versorgt das VW-Werk Sachsen in Mosel und übernimmt dabei 95 % der anfallenden logistischen Aufgaben.
Bezogen auf alle Einzelteile für die Fahrzeug-Endmontage, ist BMG als logistischer Systemdienstleister verantwortlich für Disposition, Lager und Kommissionierung sowie für das Verwalten der Komponenten und deren Übergabe an einem genau definierten Punkt einer der VW-Montagelinien. Zu den Aufgaben zählt ferner eine Baugruppenvorfertigung mit Just-in-time-Anlieferung in Mosel.
In den neun jeweils 65 m langen Gassen des 8,5 m hohen Lagers liegen auf 52000 Stellplätzen etwa 2500 Artikel. Regalanlage und Regalbediengeräte, Materialflussrechner und die zu- und abführende Fördertechnik stammen von Mannesmann Dematic. Als Ladehilfsmittel dienen Kleinladungsträger (KLT) in fünf Abmessungen, die in Tiefe, Breite und Höhe variieren. Rund 70 % der Komponenten kommen bereits in solchen Kleinladungsträgern von den Produzenten; den Rest – Einwegverpackungen, Kartonagen und Großladungsträger – füllt BMG teilweise vor dem Einlagern um. Ob dies geschieht, ist, ebenso wie die Größe der Ladungsträger, vom Bedarf und Platz in der Endmontage abhängig. Grundsätzlich werden sämtliche Behälter komplett entnommen und mit Lkw in das VW-Werk gefahren. Hier würde ein manuelles System breitere Gassen erfordern und den Raumnutzungsgrad merklich reduzieren.
Für die neun Regalbediengeräte des Typs AKL 25 sind im Materialflussrechner verschiedene Strategien hinterlegt: Neben der Wegeoptimierung und der Gleichverteilung eines Artikels über mehrere Gassen werden beim Einlagern unterschiedliche, auf die fünf KLT-Größen abgestimmte Regaltiefen und Fachhöhen beachtet. Sind jedoch beispielsweise alle für den kleinsten Behälter vorgesehenen Plätze belegt, weicht man auf die nächste Fachgröße aus. In Zeiten mit geringerem Arbeitsaufkommen führt BMG Umlagerungen durch, um die Zugriffszeiten zu verbessern. Das Handling übernimmt eine Greifvorrichtung des RBG, die sich automatisch auf die Breite der KLT einstellt.
Der Nachschub erfolgt nach dem Kanban-Prinzip. Im VW-Werk Mosel setzt der Logistik-Dienstleister eigene Mitarbeiter ein, die Bestellungen auslösen, indem sie die Begleitzettel leerer Ladungsträger scannen. Die Daten werden vom VW-System an den Materialflussrechner und von dort an das RBG transferiert. Die Teile müssen innerhalb von drei Stunden an der Montagelinie in Mosel sein. Pro Schicht bewältigt der Betreiber, der nach dem Fifo-Prinzip (first in first out) umschlägt, etwa 1500 bis 1800 Abrufe.
Gegenüber der früheren manuellen Bodenlagerung treten nun weniger Fehler auf, und der Personalaufwand ist gering. So amortisiert sich das AKL bald. Das ist sehr wichtig, denn BMG muss während der mit VW vereinbarten Vertragslaufzeit von fünf Jahren den Break-even-Punkt überschreiten. Zudem ist das AKL schneller. Da es Abrufspitzen gibt – 60 % des gesamten Volumens werden innerhalb kurzer Zeit angefordert -, wäre man bei manuellem Handling gezwungen, zusätzliche Mitarbeiter für Spitzenzeiten zu beschäftigen. Dazu kommt, dass ein automatisches System Störungen an einzelnen Regalbediengeräten eher kompensieren kann.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 7
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