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Alles im Fluss

Kawasaki-Roboter im Einsatz bei der Float- oder Flachglasherstellung
Alles im Fluss

Die Hegla GmbH ist ein Spezialist im Bereich der Float- oder Flachglasherstellung und baut Förder- und Schneidanlagen sowie Puffer- und Lagersysteme. Nach dem Schneiden des Glases kommen Roboter von Kawasaki zum Einsatz, die zuverlässig und kontinuierlich die Scheiben aus der Floatglasanlage entnehmen.

Die Floatglasherstellung ist ein heikler Prozess und das nicht nur wegen der Scherben, die dabei entstehen können. Die größte Schwierigkeit bei der Herstellung besteht darin, das Glas fortlaufend in einem kontinuierlichen Prozess zu produzieren. Im Prozess wird die 1100 °C heiße Glasschmelze auf ein Zinnbad (Schmelzpunkt 232 °C) geleitet, auf dem die erheblich leichtere Glasschmelze gleitet und bis zur vollständigen Erkaltung weiter transportiert wird. Hieraus leitet sich auch der Name Floatglas ab. Der Einleitebereich wird warmes Ende, der Endbereich kaltes Ende genannt. Das Glas durchläuft auf diesem Weg einen Kühlofen, wird spannungsfrei abgekühlt, geprüft und schließlich mehrfach bis auf Wunschgröße geschnitten. Das Ausgangsmaß nach dem ersten Schnitt beträgt dabei beachtliche 6000 x 3210 mm. Glasdicken von unter 1 mm bis 24 mm Stärke können über dieses Verfahrens hergestellt werden.

Die Firma Hegla hat sich im Glasherstellungsprozess auf den Bereich hinter dem kalten Ende spezialisiert und konzipiert und baut Förder- und Schneidanlagen sowie Puffer- und Lagersysteme. Hierbei kommen nach dem Schneiden und somit bei Erreichen der Endgröße Roboter von Kawasaki Robotics zum Einsatz, die zuverlässig und kontinuierlich die Glasscheiben aus der Floatglasanlage entnehmen.
Für den amerikanischen Floatglashersteller Cardinal hat die Hegla eine Floatglasanlage mit mehreren Seitenausgängen inklusive Zuschnitt- und Brechanlagen gebaut. Das Handling der Glasscheiben an den Seitenarmen übernehmen je zwei Roboter vom Typ ZX165U. Diese zuverlässigen Modelle sind hier für die Entnahme der auf Kundenmaß geschnittenen Glasscheiben zuständig. Mit passenden Geogreifern und Vakuumtechnik heben sie die Glasscheiben von der Förderanlage im laufenden Betrieb ab und stapeln sie auf bereitgestellte L-Böcke ab. Die Böcke stehen auf Drehtellern, so dass sie ebenfalls im laufenden Betrieb durch eine Drehung um 180 Grad gewechselt werden können. Auch hier steht wie in der gesamten Floatglasherstellung der kontinuierliche Prozess im Vordergrund.
„Oft dürfen die Glasscheiben nur auf der Unterseite, der sogenannten Zinnseite, gegriffen werden, um Verunreinigungen auf der Oberseite zu verhindern“, so Stefan Reuter, Mitkonstrukteur der Anlage und Leiter des Engineerings bei Hegla. „Die Oberseiten der Scheiben werden meist noch in nachgelagerten Prozessen behandelt oder beschichtet. So auch bei dieser Anlage. Wir saugen daher die Scheiben durch eine Lücke im Förderband kämmend von unten an und heben sie aus der laufenden Anlage heraus.“
Der Prozessschritt des so genannten Kämmens war eine Herausforderung. Das Herzstück ist ein Förderband mit einer definierten Lücke, durch die der Greifer die Scheiben von unten entnehmen kann. Der Roboter fährt hierzu in Fördergeschwindigkeit parallel zum Band, saugt gleichzeitig die Glasscheibe an und hebt sie im Fluss vom Band ab. Durch die konstruktive Lücke im Band kann der Roboter nach dem Abheben der Scheibe den Förderbereich problemlos verlassen. Um diesen Ablauf sauber ausführen zu können, ist der Roboter mit einer Zusatzoption, dem so genannten „Conveyer Tracking“ ausgerüstet. Diese Funktion erlaubt eine absolute Synchronbewegung des Roboters zum Band, wodurch die heikle Aufnahme der Scheibe durch den Roboter im Fluss überhaupt erst ermöglicht wird.
Hierzu nimmt ein Encoder an der Förderstrecke den Bandvorschub auf. Gleichzeitig registriert ein Sensor die momentane Position der Scheibe. Diese beiden Informationen werden von der Robotersteuerung genutzt, um die sich ändernde Position der Scheibe auf der Fördereinheit nachzuhalten und den Kämmprozess auf das Zehntel genau zu steuern. Die daraus entstandene Gesamtfunktion, das kämmende Abnehmen der Scheiben „on the flow“, ist eine Entwicklung von Hegla.
Die Glasscheiben werden während des Förderprozesses auf dem Band ausgerichtet, so dass der Roboter immer eine exakte Aufnahmeposition hat und die Scheiben sauber und geordnet auf den Böcken stapeln kann. Zur genauen Ausrichtung auf den Böcken fährt der Roboter zusätzlich an eine definierte Scheibenkante und drückt die Scheiben vorsichtig in Position, um eine saubere und definierte Stapelkante zu gewährleisten. Für diesen aktiven Ausrichtvorgang wurde konstruktiv eine spezielle Ausrichtkante am Greifer installiert, die als Referenz dient.
Die Scheibenmaße in dieser Anlage variieren von 500 x 500 mm bis zu einer Größe von 2450 x 1850 mm. Die Dicke liegt zwischen 2,2 und 6 mm. Das Scheibengewicht beträgt dabei 1,4 bis 70 kg. Zur Entnahme der unterschiedlichen Scheibenformate werden allerdings nur zwei Greifervarianten eingesetzt, die je nach Bedarf von den beiden Robotern automatisch gewechselt werden. Die Taktzeit beträgt dabei je nach Größe der applizierten Scheiben 12 bis 18 s.
Das Gewicht von Greifer inklusive Glasscheibe variiert stark und reicht an die maximale Traglast des Roboters heran. Die Ingenieure von Kawasaki haben deshalb eine spezielle Anpassung vorgenommen und sich die Tatsache zu Nutzen gemacht, dass das Modell in gleicher Bauart auch als 200-kg-Maschine angeboten wird. Technisch unterscheiden sich die beiden Roboter im Setting der Beschleunigungs- und Verzögerungsrampen sowie der Maximalgeschwindigkeit der einzelnen Achsen. Kawasaki hat hier eine Möglichkeit geschaffen, tief in die Steuerung einzugreifen. So können jetzt die unterschiedlichen Settings im Betriebssystem der Roboter automatisch neu gesetzt werden, so dass je nach Bedarf die Variante mit 165 oder 200 kg in Betrieb ist. Dies minimiert den Verschleiß und garantiert die Langlebigkeit der Roboter bei gleichzeitig maximaler Taktzeit. Bei den genannten Scheibengrößen und Gewichten, der erheblichen Varianz und der kontinuierlichen Förderung der Scheiben wäre diese Applikation manuell nicht realisierbar.
Ein theoretischer Wert von ein bis zwei Personen pro Schicht mit passender Handhabungshilfe ergibt einen Amortisierungszeitraum von zwei bis drei Jahren. Trotzdem wäre die Arbeitsbelastung zu hoch, um eine manuelle Entnahme kontinuierlich im Fluss zu gewährleisten. Eine ideale Aufgabe für die beiden Roboter von Kawasaki, die den Fluss in der Anlage sichern.
Carsten Stumpf Mitarbeiter bei der Kawasaki Robotics GmbH in Neuss
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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