Alte Bäume kann man doch verpflanzen

Reinhold Kuchenmeister ist Fachjournalist in Höchberg

Bereits weit vor der Übernahme in 1998 durch die neuen Gesellschafter Rainer Baehrens und Heinz Müller-Buttmann fertigte das Unternehmen Lenser Präzisionstechnik in Ulm-Senden großflächige Werkstücke und blickt auf eine über 50-jährige Tradition zurück. Heute werden insbesondere stählerne Heiz- und Kühlplatten für hydraulische Pressen, Kunststoff-Pressformen und Werkstücke mit Stückgewichten von bis zu 100 t bearbeitet.

Um das Kerngeschäft und zugleich die führende Marktposition als unabhängiger Anbieter in Europa zu sichern, aber auch um weitere Expansion zu ermöglichen, wollte Lenser eine zusätzliche Maschine in den bestehenden Werkzeugmaschinenpark integrieren. Diese musste eine Reihe von Mindestanforderungen erfüllen. Hierzu zählten eine Tischlänge von 9 m sowie eine Durchgangsbreite von mindestens 2,50 m, besser noch 3 m. Eine hohe Hauptspindelleistung zum Materialverschruppen war eine weitere Bedingung.

Zunächst wurden Angebote für entsprechende Neumaschinen eingeholt. Dann erhielt Geschäftsführer Rainer Baehrens einen Tipp. Beim Druckmaschinenbauer MAN Roland wurde eine entsprechende Gebrauchtmaschine zum Verkauf angeboten. Das Produkt schien hinsichtlich der Tischbelastbarkeit und den Abmessungen für die vorgesehenen Aufgaben wie geschaffen. Die Maschine war im Drei-Schichtbetrieb eingesetzt und konnte im laufenden Produktionsbetrieb besichtigt und begutachtet werden. So konnte sich der Kaufinteressent sofort ein Bild von der Leistungsfähigkeit der Maschine machen.

Die Verantwortlichen von Lenser konnten sich die Waldrich Portalfräsmaschine vom Typ 20–10 FP 250 CNC nicht nur vor Ort anschauen. Sie hatten auch Einblick in die Maschinenbücher und wussten danach, dass die Fräsmaschine seit der Installation im Jahr 1981 einer regelmäßigen Instandhaltung unterzogen war.

Im Vorfeld der Kaufentscheidung wurde Hellwig Elektrotechnik als Sachverständiger für Fragen zur Maschinensteuerung hinzugezogen. Und um ein Höchstmaß an Investitions-Sicherheit zu erhalten, wurde zudem ein Fachbetrieb für mechanische Maschinenüberholung eingeschaltet. Nach relativ kurzer Zeit war Rainer Baehrens klar, dass der Kauf der Gebrauchtmaschine und deren Überholung und Modernisierung die optimale Lösung ist. Auf der anderen Seite hätte der Kauf einer Neumaschine den Kalkulatoren in Senden zweifellos schwer im Magen gelegen.

Schließlich kaufte man die Waldrich gleichsam aus der laufenden Produktion heraus, auch wenn man in Senden wusste, dass die Steuerung zu erneuern war. Klar war auch, dass der Auf- und Abbau der Maschine inklusive Transport sowie die mechanische Überholung mehr als ein Taschengeld kosten würde. Hinzu kam der erforderliche Hallenneubau auf dem Sendener Betriebsgelände und das Maschinen-Fundament. Trotzdem wäre unter dem Strich die Investition für eine Neumaschine um ein Mehrfaches höher gewesen, obwohl der direkte Vergleich natürlich nicht möglich ist. Dies wußte man bei Lenser genau, denn die Angebote lagen auf dem Tisch. Ein Restrisiko blieb dennoch, denn niemand konnte die Maschine und deren Zustand wirklich ganz genau einschätzen.

Eine für Lenser wichtige Voraussetzung war der Austausch der alten Siemens-Steuerung gegen eine neue Steuerung von Heidenhain. Dadurch sollte vor allem die Produktivitäts- und Bediensicherheit gesteigert werden. Es gab natürlich einen Grund, warum gerade diese Steuerung gewünscht war: Alle wichtigen Produktionsmaschinen im Hause Lenser folgen einer Heidenhain. Die Maschinenbediener kennen sich bestens damit aus und können so flexibel in der Fertigung eingesetzt werden. Auch die Arbeitsvorbereitung ist auf diese Steuerungsumgebung vorbereitet. Zu guter Letzt sollten eventuelle, steuerungstechnische Wartungs- und Serviceaufgaben in einer Hand bleiben.

Die Erneuerung der CNC war in Verbindung mit einer neuen speicherprogrammierbaren Steuerung das Kernstück der Modernisierung. Zum Einsatz kam die CNC Bahnsteuerung Heidenhain Typ TNC 426 M für digitale Antriebsverstärker mit integrierter Anpass-Steuerung. Ebenfalls neu sind ein elektronisches Handrad und ein Farbdisplay mit einer Bildschirm-Diagonalen von 15″ und einer Lenser-spezifisch ausgelegten Bedienoberfläche. Für die direkte Wegmessung kommen jetzt inkrementale, gekapselte Heidenhain Längenmess-Systeme zum Einsatz. „Das Herzstück der Anlage jedoch ist die von Hellwig Elektrotechnik konzipierte und installierte neue Steuerung“, schwärmt Thomas Zimmer, der unter anderem für die Technik zuständig ist.

Voraussetzung für die Erneuerung aller Steuerungen war der Tausch der bisherigen Antriebe. Ausgeführt in digitaler, wartungsfreier Drehstrom-Servotechnik wurden Motoren mit 38 Nm und 2400 min-1 für die Y- und Z-Achse eingebaut. Für die X- und W-Achse liegen die Leistungsdaten bei 43 Nm bei 4500 min-1 beziehungsweise 64 Nm und 3875 min-1. Mit diesen Antrieben werden die bisherigen Eilgangs-Achsengeschwindigkeiten erreicht.

„Die Maschine ist in das vom Landkreis Neu-Ulm ausgezeichnete Ökoprofit-Konzept eingebunden und entspricht den Anforderungen hinsichtlich Umweltschutz und Energieverbrauch“, erwähnt Thomas Zimmer mit einem gewissen Stolz. Die keramikbeschichteten Fräsköpfe arbeiten trocken. Das Problem mit den Kühlmitteln tritt also gar nicht erst auf. Auch Geschäftsführer Rainer Baehrens zeigt sich am Ende zufrieden: „Wir sind mit der umgerüsteten Waldrich gut gefahren. Der Modernisierer hat gute Arbeit geleistet, die Maschine produziert zuverlässig.“ Heute arbeitet das Fräsportal im Zwei-Schichtbetrieb mit Überstunden. Wenn sich die Marktsituation für Lenser weiterhin gut entwickelt, sollen in Senden bald drei Schichten gefahren werden.

Trotz Zusatzkosten für Überholung und Transport optimale Lösung

Neue Steuerung verlangt den Austausch bisheriger Antriebe