Greift bei einer Kündigung die Sozialauswahl, haben jüngere Arbeitnehmer schlechtere Karten – selbst dann, wenn sie unterhaltspflichtige Kinder haben.
Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit seiner Entscheidung (4 Sa 1122/10) verdeutlicht, dass die gemäß § 1 Abs. 3 KSchG im Rahmen der Sozialauswahl zu beachtenden Kriterien zwar grundsätzlich gleichrangig sind, hat jedoch ein Arbeitnehmer altersbedingt schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, so ist das Lebensalter regelmäßig höher zu bewerten als Unterhaltspflichten. Somit ist in einem solchen Fall die Kündigung eines erheblich jüngeren Arbeitnehmers auch dann gerechtfertigt, wenn dieser gegenüber Kindern unterhaltspflichtig ist.
Der Kläger dieses Verfahren war seit 1991 bei der Beklagten beschäftigt. Im Rahmen der Sozialauswahl ging es um die Frage, ob ihm zu kündigen war oder aber einem Kollegen, der ebenfalls seit 1991 bei der Beklagten beschäftigt war. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Kündigung 53 Jahre alt, sein Kollege 35 Jahre. Im Gegensatz zu seinem Kollegen hat er keine Kinder.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, auf die Berufung hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Nach Auffassung des LAG ist die Kündigung unwirksam, weil dem Arbeitgeber bei der Kündigungsentscheidung die Kriterien des § 1 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht hinreichend berücksichtigt hat. Eine betriebsbedingte Kündigung ist danach sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebsdazugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.
Grundsätzlich sind zwar alle vier Kriterien gleichrangig, der den Arbeitgeber insoweit eingeräumte Wertungsspielraum darf aber nicht dazu führen, dass das Gebot der sozialen Auswahl gänzlich unterlaufen und praktisch jede Auswahl akzeptabel wird.
Nach Auffassung des Gerichtes ist im entschiedenen Fall der Wertungsspielraum überschritten, da das Lebensalter des Klägers mit 53 Jahren im schlechtest möglichen Bereich hinsichtlich der Chancen auf dem Arbeitsmarkt liegt. Sein Kollege ist dagegen mit 35 Jahren, einer guten Qualifikation und seiner Berufserfahrung als Führungskraft in einem nahezu optimalen Alter, um eine neue Anstellung zu finden.
Stefan Engelhardt Landesregionalleiter „Hamburg“ der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.
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