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Alu-Schaum als Kitt in Lampen

Werkstoffe: Metallschäume eröffnen neuartige Anwendungen
Alu-Schaum als Kitt in Lampen

Eine clevere Idee: Osram nutzt Aluminium-Schaum, um Lampen-Werkstoffe hochtemperaturbeständig zu verbinden. Das Beispiel zeigt, dass Metallschäume weit mehr Einsatzmöglichkeiten bieten, als bisher angenommen.

Bisher zielte der Einsatz von Aluminiumschaum besonders auf den Leichtbau und die Schwingungsdämpfung. Das Potenzial dieses Werkstoffes ist jedoch viel größer.

Da das Material beim Schäumen ein Vielfaches an Volumen gewinnt, kann es problemlos große Spaltmaße überbrücken. Hinzu kommt, dass Alu-Schaum bis etwa 500 °C thermisch beständig ist, sich im Schäumprozess mit anderen Metallen verbinden kann und beim Abkühlen immens schrumpft. Gegenüber zahlreichen Medien zeigt er eine hohe Beständigkeit. Fasst man diese Fakten zusammen, drängt sich der Gedanke „Aluminiumschaum – ein Fügewerkstoff“ geradezu auf.
Die Richtigkeit dieses Ansatzes unterstreicht die im folgenden vorgestellte Entwicklung der Osram GmbH, Berlin, mit dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU), Chemnitz. Sie ist ein schönes Beispiel für die Vielseitigkeit des Konstruktionswerkstoffs Aluminiumschaum und für das Potenzial interdisziplinärer Lösungsansätze.
Die Sparte Display/Optic von Osram stellt in Berlin Hochdruckentladungslampen von 50 bis 18 000 W her. Ihr Einsatzbereich reicht von medizinisch-wissenschaftlichen Applikationen über Home Entertainment und Film-Anwendungen bis hin zur effektvollen Aus- und Anleuchtung von Konzerten, Veranstaltungen und Großereignissen.
Im Leistungsbereich oberhalb 100 W stoßen die Lampenwerkstoffe jedoch schnell an ihre Belastbarkeitsgrenze. Das sogenannte Entladungsgefäß – von der Funktion her mit der Glühbirne zu vergleichen – erreicht außen Temperaturen von mehreren 100 °C. Statt normalem Glas (wie bei herkömmlichen Glühlampen) wird aus diesem Grund je nach Einsatzgebiet Quarzglas oder Keramik für das Entladungsgefäß verwendet. Gehalten wird es beidseitig von Schäften, die mit metallischen Sockelhülsen kontaktiert sind. Aufgrund der hohen Temperaturen sorgen üblicherweise Kleber auf mineralischer Basis für die Verbindung. Organische Kleber kommen nicht in Frage, weil ihre Temperaturgrenzen deutlich überschritten werden, etwa bei einer Fehlfunktion der Leuchte oder bei einigen Anwendungen sogar im Routine-Betrieb. Lediglich mineralische Kittsorten erfüllen bisher einigermaßen befriedigend die Anforderungen nach leichter Verarbeitung, Ausbildung einer robusten Verbindung, thermischer und mechanischer Beständigkeit sowie nach Langzeitstabilität. Der begrenzte Verarbeitungszeitraum dieser Keramik-Kleber (Topfzeit) ist jedoch ein Nachteil. Nachteilig sind außerdem der langwierige Ausheizprozess zum Aushärten und die teilweise unbefriedigende Langzeitstabilität unter schwierigen klimatischen Bedingungen. Hinzu kommt, dass sich bei einigen Lampen- und Sockelgeometrien der Verklebprozess nur sehr schwer automatisieren lässt.
Eine Lösung dieses Problems bietet Aluminiumschaum, der nach dem schmelz-pulvermetallurgischen Verfahren gefertigt wird: Aluminiumbasispulver wird mit einem Treibmittel vermischt und zu schäumbaren Strängen verpresst. Eine Wärmebehandlung dieser Stränge löst dann das Schäumen aus. Da das Vormaterial mit nahezu beliebiger Geometrie hergestellt werden kann, lässt es sich auch in Form einer Hülse auf das Entladungsgefäß aufschieben. Dieser lose Verbund wird in den zu kontaktierenden metallischen Sockelhülsen positioniert. Initiiert durch eine Wärmebehandlung schäumt die Vormaterialhülse auf und überbrückt den Spalt zwischen Entladungsgefäß und Sockelhülse. Die dabei entstehende Verbindung erhält ihre Stabilität durch das Aufschrumpfen des Alu-Schaums auf dem Entladungsgefäß, und weil sich eine metallische Bindung zwischen Schaum und Metallhülse bildet.
Das Sockeln mit Alu-Schaum lässt, wenn induktiv geführt, kurze Prozesszeiten mit einer einfachen Prozessführung zu und birgt daher ein erhebliches Rationalisierungspotenzial: Die Prozesszeiten für das Schäumen und Verbinden liegen unter 1 min, während beim Einsatz des mineralischen Klebers mit mindestens 30 min gerechnet werden musste (jeweils einige 10 min für Topfzeit und Aushärtezeit). Da die Lagerzeiten des zu schäumenden Vormaterials prinzipiell unbegrenzt sind, sinkt der Aufwand für Logistik und Lagerhaltung. Der Metallschaum behält seine Festigkeit auch unter tropischen Bedingungen langfristig bei und vereinfacht damit das Lagern der fertigen Lampen in Gegenden mit schwierigem Klima.
Interne Untersuchungen bei Osram haben gezeigt, dass die mit Alu-Schaum gesockelten Lampen die geforderten Standzeiten von 1500 h problemlos erreichen und die Anforderungen an Temperaturbeständigkeit, Temperaturwechselbeständigkeit und Festigkeit ohne Weiteres erfüllen.
  • Dr. Clemens Wesseling Leiter Entwicklung HMI/HTI bei der Osram GmbH, Berlin
  • Dr. Jörg Hohlfeld Gruppenleiter Leichtbau und Metallschaum am Fraunhofer IWU, Chemnitz
  • Dr. Thomas Hipke Abteilungsleiter Produktionssysteme und Leiter des Metallschaumzentrums am IWU

  • Aluminiumschaum
    Im Maschinenbau ist Aluminiumschaum kein Unbekannter. Vor allem im Verbund mit Stahl spielt Alu-Schaum seine Stärken aus: Als schubsteifer Kern in Sandwiches sorgt er für ein hohes Flächenträgheitsmoment und hält die Stahl-Deckbleche auf Distanz. Gegenüber massegleichen Blechen erzielt ein solcher Verbund bis zu 40fache Biegesteifigkeiten. Auch Stahlprofile lassen sich stabilisieren und sind nach dem Ausschäumen weniger knickgefährdet als Hohlprofile.
    Alu-Schaum kann also Stahlstrukturen abspecken, aber auch sehr gut Schwingungen dämpfen. Typische Anwendungen, die mittlerweile Serienstatus haben, sind bewegte Komponenten wie Maschinenschlitten und Gestellbaugruppen. Wie in Industrieanzeiger 30/2005 berichtet, konnte das Gewicht eines Maschinenschlittens um 50 % gesenkt, seine Eigenfrequenz um 30 % angehoben und die Dämpfungswerte um 720 % erhöht werden.
    Das zum Schäumen verwendete Vormaterial wird pulvermetallurgisch hergestellt. Es lässt sich mit nahezu beliebigem Querschnitt fertigen (rechteckig, rund, rohr- oder auch kreuzförmig), sodass durch Zuschneiden und anschließendes Biegen komplizierte 3-D-Konturen ausgeschäumt werden können.

    Neue Technologien
    Alu-Schaum erweist sich als thermisch und mechanisch belastbarer Kitt für Werkstoffe wie Metall und Keramik. Der Fügeprozess lässt sich gut automatisieren mit Taktzeiten unter 1 min
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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