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Aus dem Guss das Letzte herausholen

Konstrukteurstage vermittelten Gießerei-Wissen
Aus dem Guss das Letzte herausholen

Was Simulationen und moderne Entwurfsmethoden ausrichten können, zeigten Gießerei-Experten auf den Konstrukteurstagen von Claas Guss: Richtig gestaltet, können die Teile locker mit Alu-Produkten konkurrieren.

Von unserem Redaktionsmitglied Olaf Stauß – olaf.stauss@konradin.de

Es gibt Branchen, in denen Mittelalter und Informationszeitalter direkt aufeinander stoßen oder sich sogar überschneiden. Etwa in der Gießereitechnik. Mirko Schulze von der Claas Guss GmbH, Bielefeld, meinte etwa: „Vor zehn Jahren haben in Gießereien nur wenige einen Bildschirm gesehen.“ Bei Claas Guss hingegen sind heute Tools wie 3D-CAD, FE-Simulation, bionische Optimierungssysteme und CAM ein Teil des Alltagsgeschäftes. Zum technischen Personal gehören neben den Gießern zwei Ingenieure aus Maschinenbau und Gießereitechnik, eine Werkstoffwissenschaftlerin und ein promovierter Umformtechniker. Denn das Unternehmen sieht sich nicht nur als „Gießerei für den Maschinenbau“, sondern zugleich als Entwicklungspartner. Es bietet Beratung und Unterstützung beim Design bis hin zu eigenen Entwürfen an.
Winfried Hespers, Sprecher der Geschäftsführung, begründet dies so: „Das Design der Teile ist entscheidend für die Time-to-Market und die Kosten. 70 Prozent der späteren Gesamtkosten werden in der Konstruktionsphase festgelegt.“ Wenn die Konstrukteure das Know-how der Gießer von Anfang an in ihre Überlegungen einbeziehen, könnten sie teure Fehler vermeiden. Rechnergestützte Entwicklungsprozesse seien in der Lage, das Beste aus den Gusskonstruktionen herauszuholen. Manchmal machen sie drei oder vier Versuchs-Schleifen mit Prototypen überflüssig.
Auch um dieses Dienstleistungsangebot publik zu machen, hat Claas Guss im Oktober seine dritten Konstrukteurstage veranstaltet. Am Standort Gütersloh in der „Christophorushütte“ informierten sich 150 Gäste über Design-Methodiken und moderne Gusswerkstoffe wie das bainitische Gusseisen ADI, das zum Teil bessere Festigkeitswerte aufweist als Stahl. Für Hespers sind diese Tage mehr als nur kostenlose Informationsveranstaltungen. „Damit wollen wir Markt schaffen“, erklärt er. „Mit den Konstrukteuren erörtern wir neue Anwendungen und suchen nach Substitionen hin zu Guss.“ In vielen Fällen lohne es sich sogar, Aluminium zu ersetzen. Hespers erinnerte daran, dass die geltenden Normen für Guss bereits 30 Jahre alt sind. Während Wanddicken von 14 mm damals als normal galten, orientieren sich die Fachleute heute an 5 mm. „Immer noch sind die Gussteile viel zu stark und viel zu schwer ausgelegt“, bestätigte Schulze.
Als Gast-Referent kam Matthias Friedrich von der Karlsruher Fe-Design GmbH nach Gütersloh und stellte die bionische Software Tosca vor. Tosca optimiert technische Teile nach den Regeln des Knochenwachstums. Bei der Topologieoptimierung sucht das Programm nach der optimalen Materialverteilung: In einem iterativen Prozess verstärkt es die Bereiche mit hohen Spannungen, schwach belastete Zonen dünnt es aus. Das Ergebnis sind Bauteile mit verringerten Lastspitzen und minimiertem Gewicht. Ähnlich funktioniert auch die Formoptimierung, die sich um den Bauteilrand kümmert. Friedrich nannte ein Anwendungsbeispiel: Bei einem Pleuel modifizierte Tosca den Innenbereich und konnte dadurch die Beanspruchung um 17 % senken. „Oft stecken dahinter so kleine Änderungen, dass der Konstrukteur von selbst nicht darauf kommen würde.“
Schmelze erstarrt zuerst auf dem Computerbildschirm
Den Nutzen einer Erstarrungssimulation erklärte Claas-Guss-Mitarbeiter Sebastian am Beispiel eines „Bremsschildflansches“: Die Analyse deckte eine Zone im Gussteil auf, die länger warm blieb als der Speiser. Hier könnten Minder-Verfestigung oder sogar Lunker entstehen. Auf die Gefahr aufmerksam geworden, änderten die Gussexperten die Speiser-Geometrie und konnten das Problem beseitigen.
Solche Optimierungs- und Simulationsmethoden setzt die Automobilindustrie schon seit vielen Jahren ein. Sie seien bei den Anwendern durchaus geschätzt, versicherte Verkaufsleiter Dr. Ulf Schliephake: „Wir haben Kunden, die einen Mehrpreis von bis zu 20 Prozent akzeptieren, wenn wir zusätzlich Simulationen und Werkstoffanalysen einsetzen.“
Viel war in Gütersloh auch von Leichtbau die Rede. Einer der eingeladenen Konstrukteure wandte sich an Hespers: „Dass Sie leicht bauen wollen, freut mich besonders, denn wir mussten früher immer nach Gewicht bezahlen.“ Hespers: „Ja, aber heute rechnen wir nach Konstruktion und Durchsatz ab.“
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