Als Lagereinheit, Regalbediengerät oder Handlinggerät können die Fahrzeuge einer Elektrohängebahn (EHB) dienen, was deren Einsatz in der automatisierten Intralogistik interessant macht. Der Anwender profitiert vor allem von einer hohen Flexibilität solcher Anlagen.
Dipl.-Ing. Gerhard Meyer ist Mitarbeiter der Bremer Louis Schierholz GmbH
Heben, Drehen, Schwenken und Greifen – viele Elektrohängebahnen beherrschen heute ein ganzes Bündel an Aufgaben. Damit kann die Elektrohängebahn (EHB) zu einem intelligenten Transportmittel in der Intralogistik werden. Der Anwender muss aber die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten vor Augen haben, wie die folgenden Anwendungsfälle zeigen.
1. Lagerfahrzeug:
Bei der Fertigung von Pkw-Kunststoffteilen sollen etwa komplette Transportrahmen, beladen mit den jeweiligen Teilen, nach der Fertigung und vor der Weiterbearbeitung und Auslieferung zwischengelagert werden. Realisieren lässt sich solch eine flexible und automatische Verkettung verschiedener Fertigungsstufen mit zwischengeschalteten Puffern mit einem, auf einer Elektrohängebahn basierenden Transportsystem.
Ein Kennzeichen dieser Anlage ist, dass das Fertigungsprodukt in allen Stufen in gleichen Rollcontainern bewegt wird. Der Transport zu den Fertigungs-, Speicher- und Versandbereichen wird durch eine konventionelle EHB bewältigt. Die Fahrzeuge überwinden ohne zusätzliche Hilfsmittel Steigungsstrecken bis 30°. Die jeweiligen Speicherbereiche können damit vom Anwender ohne Probleme zweistöckig oder im Deckenbereich angeordnet werden.
Im Lagerbereich befinden sich mit zusätzlichen Funktionselementen ausgestattete Spezialfahrzeuge. Sie übernehmen mit einer heb- und senkbaren Teleskopgabel den Rollcontainer und lagern ihn in einem statischen Speicher ein. Ein Lagerfahrzeug bedient jeweils zwei Gassen und kann den Rollcontainer nach rechts oder links abgeben.
Zielsetzung war hier, eine nicht kontinuierlich laufende Fertigung aufzufangen und einen regelmäßigen, kontinuierlich laufenden Versand der Teile aufrecht zu erhalten. Der jeweilige Speicher durfte – neben einem vollautomatischen Ablauf – nur geringe Kosten pro Platz verursachen. Diese Aufgabe ließ sich mit standardisierten EHB-Komponenten lösen. Zudem bietet das Lagerfahrzeug eine Alternative zum herkömmlichen Regalbediengerät.
2. Regalbediengerät:
Für die Just-in-time-Fertigung von Pkw-Bodenbelägen wird eine Speichermöglichkeit für Sonderfarben benötigt. Die Lösung liefert kein aufwändiges Hochregal-, sondern ein einfaches Durchlauflager, das von einer EHB umkreist wird. Die Fahrzeuge übernehmen das Ein- und Auslagern und damit Aufgaben, die sonst von einem Regalbediengerät durchgeführt werden.
Die Teppichböden werden im Fertigungsbereich in Kunststoffschalen gelegt, die als Warenträger für das gesamte System dienen. Ein EHB-Fahrzeug transportiert sie in den Speicherbereich, wo die Übergabe an das Ein- und Auslagerfahrzeug des neuartigen „Dynamik-Lagers“ erfolgt. Beide Fahrzeugtypen sind mit angetriebenen Gurtbandförderern ausgestattet, so dass der Warenträger automatisch von einem zum anderen Fahrzeug gelangt. Da die Übergabe im Deckenbereich erfolgt, bleibt der Bodenraum als Produktionsfläche erhalten. Die Fahrzeuge umkreisen das Dynamik–Lager wie Satelliten. Sie sind damit immer bereit, kurzfristig einen Ein- oder Auslagerauftrag zu erfüllen. Das auf der normalen EHB basierende Dynamik–Lager übernimmt so sämtliche Funktionen, vom Transport bis hin zur Ein- und Auslagerung, und bildet damit eine kostengünstige Alternative zu konventionellen Lagersystemen.
3. Handlingsgerät:
Handlingsgeräte, bisher nur stationär eingesetzt, werden über die EHB räumlich beweglich. Die Grundidee dieser Lösung ist im Prinzip ganz einfach: Die Nutzlast ist nicht mehr an das Transportmittel gebunden, wenn keine Bewegung stattfindet. Das heißt im Umkehrschluss, die Anzahl der Fahrzeuge richtet sich nach den Umschlag-Erfordernissen, und nicht nach der Anzahl der zu speichernden Nutzlasten. Damit ist der erste Schritt zur Entwicklung des statischen Lagers gemacht.
Einsatzgebiete sind etwa ein Kommissionier- und Transportsystem für Sitzbezügesets oder ein Speichersystem für Radhausvarianten von Sondermodellen. Beide Einsatzfälle beruhen auf produktionsnotwendigen Veränderungen, der Anhebung der Variantenzahl und der Erhöhung der Losgrößen. Der Zwang zur Kosteneinsparung in der Produktion führt hier zur Schaffung von Speicherkapazitäten innerhalb des Materialflusses, wobei aber gleichzeitig die damit verbundenen Kosten zu senken sind – beides lässt sich mit dem statischen Lager erreichen. Denn das per EHB bediente statische Lager bietet neben der Minimierung der Fahrzeugzahl eine hohe Flexibilität.
Diese drei Beispiele zeigen, dass sich durch flexibel einsetzbare Lastaufnahmemittel und neue Übernahme- und Übergabetechniken der Einsatzbereich der EHB innerhalb der Produktion, Montage und Distribution erweitert. Heute können Fahrzeuge – ausgerüstet mit einer eigenen Steuerung – automatisch das Vor- und Rückwärtsfahren einleiten, punktgenau halten oder das Fördergut während der Fahrt oder bei Übergaben genau positionieren. Befehle, Signale und ganze Bewegungsabläufe kommen dabei – Stichwort dezentrale Intelligenz – aus der bordeigenen Steuerung. Die Vereinfachung und weitere Miniaturisierung der elektrischen und elektronischen Bauteile, verbunden mit der Standardisierung der Steuerungssoftware, werden weitere Schritte in Richtung zusätzlicher Handlingsfunktionen und mitfahrender Intelligenz bringen.
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