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Bauraum und Wirkungsgrad aus dem Katalog ablesen

Magnetlager: Günstigere Bauteile erweitern den Einsatzbereich
Bauraum und Wirkungsgrad aus dem Katalog ablesen

Magnetlager könnten mit einheitlichen Bauteilen nicht nur günstiger, sondern zum Standard-Element werden, vermutet ein Darmstädter Forscher. Auch Hersteller arbeiten an Produkten für den Low-Cost-Bereich.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann

Kein Verschleiß, keine Schmiermittel und eine Wellenlage, die sich einstellen lässt – trotz dieser Vorteile fielen die hohen Kosten für Magentlager bisher so schwer ins Gewicht, dass diese nur in Spezialfällen eingesetzt wurden. Forscher der Universität Darmstadt berichten jetzt, dass sich mit günstigen Bauteilen und Standard-Elementen der Preis für rotatorische Lager senken lässt.
„Die Zunahme an internationalen Patentanmeldungen könnte man als Zeichen dafür sehen, dass ein Durchbruch bei diesen Elementen bevorsteht“, sagt Christof Klesen, der das Projekt betreut. Als standardisierte, kostengünstigere Ausführung könnten die mechatronischen Elemente seiner Ansicht nach nicht nur in Turbo-Molekularpumpen, Verdichtern und anderen Spezialgeräten wirtschaftlich eingesetzt werden, sondern auch häufiger in Werkzeugspindeln oder Chemiepumpen.
Bislang ist ein Magnetlager in der Regel ein individuelles Bauteil, das eine Handvoll Hersteller mit dem Anwender gemeinsam entwickelt. Verbreitet sind vierpolige Ausführungen, in denen die magnetischen Kräfte auf elektronischem Wege erzeugt werden.
In Zusammenarbeit mit einem Industriepartner hat Klesen nun Ansatzpunkte für Standards gefunden. „Statt jedes Blech als Spezialanfertigung herzustellen, können auch IEC-Normbleche die Aufgaben übernehmen“, schlägt er vor. Daneben könnten für die Leistungselektronik Prozessoren verwendet werden, wie sie in Standard-Frequenzumrichtern millionenfach in der Industrie oder auch im privaten Bereich für Waschmaschinen eingesetzt werden. Die großen Stückzahlen wirken sich positiv auf ihren Preis aus. „Solche Bauteile haben genug Kapazität, um sie mit Magnetlagern zu kombinieren“, lobt Klesen und betont im gleichen Atemzug: „Das heißt aber nicht, dass wir ein Magnetlager an einen Umrichter anschließen wollen.“ Die Regler, die heute auf dem Markt sind, seien für Drehstromantriebe optimiert worden. „Mit Drehstrom als Energiequelle verliert man einige Freiheiten beim Betrieb von Magnetlagern“, warnt Klesen. Auch mit dem günstigen Prozessor müssten Abstriche im Vergleich zu einer optimalen Regelung in Kauf genommen werden. „Höchstleistungen sind immer nur mit einem Prozessor zu erreichen, der speziell für das jeweilige Lager entwickelt wurde. Aber genau davon wollen wir ja weg, um zum Low-Cost-Lager zu kommen“, so Klesen.
Auf diesem Weg dringt die Schweizer Mecos Traxler AG, Winterthur, bis in die Praxis vor. In ihre Verstärker für Magnetlager ist der Prozessortyp integriert, mit dem auch die Darmstädter arbeiten. „Wir haben uns auf die vierpoligen Lager konzentriert, da diese sich schon durchgesetzt haben“, berichtet Entwicklungsleiter Dr. Raoul Herzog. Er sieht einen wachsenden Markt für Magnetlager und die Low-Cost-Kontrollsysteme.
Dreipolige Magnetlager, die Klesen neben der gängigen vierpoligen Bauweise untersucht hat, sieht Herzog „eher als Exoten“. „Bei beiden Ausführungen lässt sich durch die Standardisierung einiges tun“, lobt Klesen. Er räumt jedoch ein, dass bei sehr hohen Frequenzen oder extrem präziser Position der Welle Probleme auftreten könnten. Daher sei eine Beratung zwischen Anwender und Hersteller unvermeidlich. Dennoch hält er es für realistisch, dass sich die Magnetlager dem Status eines standardisierten Maschinenelementes nähern könnten. „Ich stelle mir einen Katalog vor, in dem der Konstrukteur nachschlägt, welchen Bauraum er benötigt, welche Elektronik erforderlich ist und mit welchem Wirkungs-grad er rechnen kann.“ Mit so einer Zusammenstellung könnte den Entwicklern schon früh eine Entscheidungshilfe gegeben werden. Die Reglerauslegung wird laut Klesen aber auch in Zukunft weitgehend individuell erfolgen müssen.
In Werkzeugmaschinen sind Magnetlager zur Zeit eher selten zu finden. Neben den Kosten spielt hier die im Vergleich zu Wälzlagern geringere dynamische Tragfähigkeit im unteren Drehzahlbereich eine Rolle, wie Motorspindelhersteller berichten. Dennoch schätzt Mecos-Entwicklungsleiter Herzog, dass in etwa fünf Jahren die Zeit reif sei für einen häufigeren Einsatz auch in den Maschinen.
„Die technische Akzeptanz ist grundsätzlich vorhanden – trotz des Todesurteils für den Transrapid“, stellt Ulf Kanne fest, Mitarbeiter bei der Lahnauer Levitec GmbH. Das Tochterunternehmen der Lust Antriebstechnik GmbH baut dreipolige Magnetlager für Vakuumpumpen und Spezialmaschinen. Die Lahnauer wollen den Aufwand beim Entwickeln und Herstellen ihrer Produkte sowie die Betriebskosten senken. „Wir bieten Hybridlager mit Permanentmagneten für die Vorpolarisierung an“, so Kanne. „Das reduziert die Verlustleistung, und wir kommen wegen des verringerten Grundstroms mit kleinerer Leistungselektronik aus.“ Zudem ließe sich bei gleicher Baugröße ein größerer Luftspalt überwinden. Die Vorteile der hybriden Konstruktion betonen auch die Darmstädter.
Darüber hinaus kombiniert Levitec die dreipoligen Lager mit Umrichtern. „Wir schalten unsere Lagerwicklungen sternförmig, so dass wir bei Bedarf robuste Standard-Umrichter aus Großserien zum Steuern nutzen können“, berichtet Ulf Kanne. „Mit einem Umrichterhersteller wie bei uns Lust an der Seite lassen sich die Elemente aufeinander abstimmen.“ Kanne hat die Magnetlager zusammen mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) und der Sulzer Electronics GmbH, Zürich, entwickelt. Alle drei halten das Patent für die Kombination mit den Umrichtern. „Probleme mit der Regelung gibt es auch bei hohen Drehzahlen nicht“, betont Kanne. Dieser Lagertyp senke den Energieverbrauch von Turbopumpen und könne auch in Werkzeugmaschinen verwendet werden.
Darüber hinaus kennt der Erfindergeist keine Grenzen, was weitere Einsatzbereiche angeht. Eine Anfrage bei Mecos-Mitarbeiter Herzog betraf Mechatronik-Systeme in Fahrrädern. „Das ist natürlich Blödsinn“, lacht der Entwicklungsleiter. Daran, dass sich Magnetlager als Maschinenelemente durchsetzen werden, zweifelt er jedoch nicht im Geringsten.
Magnetlager: Schwebende Wellen und wenig Verschleiß
Rotatorische Magnetlager sind mechatronische Systeme, die eine Welle durch Zugkräfte in der Schwebe halten. Da nur Luftreibung auftritt, entfallen Verschleiß und damit Wartungsaufwand. Lediglich die Leistungselektronik ist nicht auf unbegrenzte Zeit wartungsfrei. Drei oder vier elektromagnetische Aktoren sind ringförmig angeordnet. Durch unterschiedliche Ansteuerung der Spulen lässt sich die Wellenposition in begrenztem Maß beeinflussen. Nachteile sind neben den Kosten der höhere Entwicklungsaufwand sowie der Stromverbrauch, der auch im unbelasteten Zustand anfällt, um die Welle zu halten.
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