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Bei Ebbe in der Kasse die Chef-Karrosse versilbert

Finanzierung: Harter Sparkurs ermöglicht erfolgreichen Start
Bei Ebbe in der Kasse die Chef-Karrosse versilbert

Mit einem konsequenten Sparkurs, Improvisationstalent und fachlichem Können ist der Erfolg ohne fremdes Kapital aus eigener Kraft möglich, wie das Beispiel Polygraphische Maschinenbau Schkeuditz GmbH zeigt. Als das Unternehmen an den Start ging, winkten die Kreditinstitute ab. Heute stehen die Banker Schlange.

Stefan Schroeter ist Journalist in Leizpzig

Mit Banken hat Dirk Bahr keine Probleme mehr. Als der Geschäftsführer der PMS Polygraphischer Maschinenbau GmbH Schkeuditz ein neues Produktions- und Verwaltungsgebäude plante, flatterten ihm gleich vier Finanzierungs-Angebote in Haus. „Wir hatten eigentlich nur unsere Hausbank, die Sparkasse, gefragt“, erzählt Bahr. „Und ihre Konditionen waren so günstig, dass wir den Kredit von ihr genommen haben.“
Von einer solch komfortablen Situation dürften viele Mittelständler derzeit nur träumen: Auf Grund verschärfter Kreditvergabe-Richtlinien wird es für die Unternehmen immer schwieriger, zu erträglichen Konditionen an Finanzierungen zu kommen.
Auch Dirk Bahr hat bereits andere Erfahrungen mit den Kreditinstituten gemacht. 1993 ging er daran, das damalige Treuhand-Unternehmen PMS vor der bereits beschlossenen Liquidation zu retten. Damals hatte Bahr seine Stelle als Einkaufsleiter bei dem Leipziger Druckmaschinen-Hersteller Zirkon verloren und sich vergebens um eine neue Position in der Branche bemüht. „Als ich hörte, dass PMS liquidiert werden soll, habe ich mir einen ostdeutschen und einen westdeutschen Partner gesucht“, erzählt er. Der Manager kannte das Unternehmen gut, das früher im Kombinat Polygraph Zulieferteile für Zirkon gefertigt hatte. Zwar stieg der West-Partner aus, kurz bevor es ernst wurde. Der verbliebene Ost-Partner und Bahr konnten PMS dann aber von der Treuhand zunächst mieten.
11 von 20 Mitarbeitern übernahmen die beiden Manager und stürzten sich in die Arbeit: Aufträge hereinholen, Kredite beschaffen und Kosten kürzen. Durch gute Kontakte in der Branche gab es an Arbeit bald keinen Mangel. Aber keine Kredite: „Wir sind in der Leipziger Innenstadt von Bank zu Bank gezogen und haben unsere Konzepte vorgelegt“, erzählt Dirk Bahr: „Aber dass Ossis im Osten ein Maschinenbau-Unternehmen aufbauen, das wollte den Bankern damals nicht in den Kopf.“
Um die Löhne pünktlich zahlen zu können, verkaufte der Geschäftsführer damals seinen großen Mercedes und stieg auf einen gebrauchten Audi um. „Wir haben Tag und Nacht gearbeitet, um unnötige Versicherungs- und Werbeverträge ausfindig zu machen und zu kündigen.“ Mit den Lieferanten vereinbarten die Partner Skonto-Verträge mit 3 % Preisnachlass bei sofortiger Bezahlung. Das sparte nicht nur Kosten, sondern sorgte auch für den guten Ruf eines pünktlichen Zahlers.
Den PMS-Mitarbeitern gelang es, aus den alten Maschinen das Maximum herauszuholen, die Qualität und die Liefertermine abzusichern. Ein Streik in der sächsischen Metallbranche brachte damals einen Auftragsschub, der dem Unternehmen zum Jahresende schwarze Zahlen bescherte. Selbst den Konkurs zweier Kunden und die Einnahme-Ausfälle konnten die Schkeuditzer verkraften. 1995 kauften Dirk Bahr und sein Partner das Unternehmen von der Treuhand „zu einem angemessenen Preis“. Geld von einer Bank brauchten sie dazu schon nicht mehr.
Auch die nötige Sanierung des verwinkelten Produktionsgebäudes nahmen die Gesellschafter ohne fremdes Geld in Angriff. Dazu reichten die Gewinne, die vollständig in der Firma blieben. Das erste CNC-Bearbeitungszentrum kauften sie mit einem Lieferantenkredit, der erst nach einem halben Jahr fällig wurde. Konsequent aus-geschöpfte Fördermittel, für die eine darauf spezialisierte Unternehmensberatung sorgte, erleichterten die Anschaffung. Die neue Technik sorgte nun nicht nur für eine höhere Produktivität. „Wir konnten damit auch ein Teilespektrum fertigen, das mit den alten Maschinen nicht möglich gewesen wäre“, erklärt Bahr.
Das Hauptprodukt sind Greifersysteme für die Druckmaschinen der KBA Planeta AG in Radebeul, wo PMS schon 1994 zum A-Lieferanten aufstieg: Die Schkeuditzer Komponenten werden nicht mehr geprüft, bevor sie in die Druckmaschinen eingebaut werden. „Wir kämpfen gegen jede Mängelanzeige in der Montage“, so der Geschäftsführer. Wenn die Planeta-Montage doch einmal anruft, setzt sich ein PMS-Monteur ins Auto und fährt in einer Stunde die mehr als 100 km nach Radebeul. Auch andere namhafte Hersteller der Branche stehen auf der Kundenliste: Koenig & Bauer, Karat Digital Press, Heidelberg Finishing und Ferag.
Eine besondere Auszeichnung: Druckereien der Region haben es sich angewöhnt, dringend benötigte Ersatzteile bei PMS zu ordern anstatt das Originalteil zu bestellen. „Wenn bei der Tageszeitungs-Druckerei ein Teil kaputt geht, lassen wir alles andere liegen und bauen das Teil bis zum Nachmittag nach“, erklärt Bahr. „Das geht schneller, als wenn sich die Druckerei an den Hersteller wendet. Und wir erzielen einen guten Preis.“
Den Rückstand bei der laufenden Produktion holt die Belegschaft durch Überstunden am Abend und am Wochenende wieder auf. Zumindest die alte Stammbelegschaft nimmt solche Feuerwehr-Einsätze nicht krumm. Schlosserin Elsbeth Brandt schwört auf ihren Chef: „1993 hatten wir schon gehofft, dass es mit der Firma weitergeht. Aber dass sie sich so gut entwickelt, hätte damals keiner gedacht.“
Durch den Kontakt mit den Druckereien entwickelten die PMS-Konstrukteure auch ihr bislang anspruchsvollstes Produkt: Ein Walzen-Reinigungsgerät, das die bisher mühsame und bei Druckern höchst ungeliebte Arbeit innerhalb von wenigen Minuten erledigt. Mit dem so genannten Cleaner sorgten die Schkeuditzer auf der Branchen-Messe Drupa für Aufsehen, auf der sie sich mit einem kleinen Stand präsentierten. „Dort haben wir dann gemerkt, dass wir in der Branche bekannt sind und dass unsere Leistungen akzeptiert werden“, berichtet der Geschäftsführer.
Allerdings wurde ihm damals auch klar, dass die Wünsche der Kunden in dem verwinkelten Produktionsgebäude, das um 1900 als Gerberei gebaut worden war, nicht mehr lange zu erfüllen waren. Der Geschäftsführer berichtet von dem jahrelangen Balance-Akt: „Es hat jeden fasziniert, was wir aus der alten Bausubstanz gemacht haben.“ Winzige Produktionsräume und Lager auf vier Etagen sorgten bei den Mitarbeitern für Dauerläufe über die schmalen Treppen. Da sich kaum Hebezeuge einbauen ließen, mussten sie bei schweren Teilen ihre Muskeln spielen lassen.
Um auch große, schwere Teile fertigen, die Produktion effektiv organisieren und die Belegschaft von 45 auf 60 Leute aufstocken zu können, wurde ein Neubau nötig. Dafür fand sich schließlich ein ideal gelegenes Grundstück an der Autobahn-Abfahrt zum Flughafen Leipzig-Halle, wo ab 2003 auch der ICE der Deutschen Bahn halten soll.
Für die nötigen Investitionen von 3 Mio. Euro in Gebäude und Technik entschloss sich Dirk Bahr, inzwischen alleiniger Gesellschafter, nun doch zu einem Kredit bei der Sparkasse. Die erfolgreiche Entwicklung und die Grundauslastung des Unternehmens durch Planeta-Aufträge haben aus PMS inzwischen einen umworbenen Kreditnehmer gemacht. Die Konzepte, die Bahr vor neun Jahren den Banken vorgelegt hatte, sind weit übertroffen. Die inzwischen angebotenen Kreditlinien hatte er dennoch bisher nicht in Anspruch genommen. „Es ist jetzt das erste Mal, dass ich Schulden habe“, gibt Bahr zu. „Mit dem Gefühl muss ich erst einmal umgehen können.“
Inzwischen fährt der PMS-Chef wieder einen Mercedes. Trotzdem hat er nicht vergessen, wie schwer es Existenzgründer haben. Deshalb unterstützt er einen jungen Maschinenbau-Ingenieur aus Chemnitz mit dem nötigen Startkapital, der ein eigenes Unternehmen aufbaut. Nach einem halben Jahr lief der Betrieb, und der Jungunternehmer zahlte das Kapital mit Zinsen zurück.
Steckbrief: Alleskönner PMS
Polygraphische Maschinenbau Schkeuditz GmbH
Produktspektrum:
Bauteile, Baugruppen, Einzel- und Ersatzteile für Druck, Buchbinderei und Weiterverarbeitung.
Fertigungsverfahren:
Nahezu alle Fertigungsverfahren, vom automatischen Zuschnitt über die CNC-Bearbeitung bis zur Farbgebung und Montage erfolgen im eigenen Haus.
Historie:
1993 mit elf Mitarbeitern vor der Liquidation durch die Treuhandanstalt gerettet, erwirtschaftet das Unternehmen heute mit 45 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 3 Mio. Euro. sts
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