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Bei Hawe sind Azubis die Leckagen-Detektive

Hydraulikhersteller schickt seinen Nachwuchs mit „UltraschallSpionen“ auf Stromfresser-Suche
Bei Hawe sind Azubis die Leckagen-Detektive

Bei der Hawe Hydraulik SE hat sich aus dem Nachhaltigkeitsgedanken heraus ein sechsmonatiges Projekt entwickelt, bei dem die Azubis nach den größten Stromfressern im Werk Kirchheim suchten. Mit zwei „UltraschallSpionen“ wurden sie fündig und entdeckten unzählige Leckagen im Druckluftsystem.

Ein regelrechter Dominoeffekt war die Folge: Gemeinsam mit den Instandhaltern der verschiedenen Werke und Alexander Volodarski, der das Projekt als Teamleiter für den Bereich Environment, Health and Safety (E-EHS) ins Leben gerufen hatte, haben die Lehrlinge einen ganz neuen Standard für die Montagearbeitsplätze bei Hawe entwickelt. Eine exemplarische Umgestaltung am Stammsitz in München dient nun als Modell für bestehende und neue Werke.

Insofern brachte der Einsatz der Azubis in der Summe einschneidende Verbesserungen mit sich, sowohl in puncto Nachhaltigkeit und Energieeffizienz, als auch im Blick auf die Stabilität der Montagearbeitsplätze. Denn Hawe ist kein Kleiner: Gegründet 1949 als „Heilmeier und Weinlein, Fabrik für Oelhydraulik GmbH & Co. KG“, gehört die Hawe Hydraulik SE heute mit rund 2100 Mitarbeitern zu den führenden Herstellern von Hydraulik-Komponenten und -Systemen.
Hawe stellt Produkte für über 70 Branchen her, die unter anderem für Werkzeugmaschinen, in der Hebetechnik, der Materialflusstechnik, in Baumaschinen, Mobilkränen, im Schiffsbau oder im Off-Shore-Bereich eingesetzt werden. Dabei setzt das Unternehmen ausschließlich Stahl für die druckbelasteten Teile ein, die sich durch minimale Einbaumaße auszeichnen. Von Hydroaggregaten und Zylindern über Ventile und Pumpen bis zur elektronischen Sparschaltung lassen sich alle Produkte nach dem Baukastenprinzip kombinieren. Das Vertriebsnetz umfasst fünf Büros in Deutschland und 14 Tochterunternehmen in Europa, Amerika und Asien.
Ihren Erfolg im Werk Kirchheim verdankten die Jung-Hydrauliker zwei „UltraschallSpionen“, die eigens für die Aktion angeschafft wurden. Doch zum Zeitpunkt der Anschaffung war schon eine entscheidende Etappe geschafft, die sie auf auf dem Weg zum Ziel erst einmal hinter sich bringen mussten: Am Beginn stand die Frage, was denn die größten Stromfresser seien. Und ob und wie sie zu lokalisieren sind.
20 bis 40 % der Druckluft gehen in jedem System durch Leckagen verloren
Rein statistisch gehen in jedem Druckluftsystem 20 bis 40 % der Druckluft verloren. Der Verlust der Druckluft muss durch eine entsprechende Mehrleistung des Kompressors ausgeglichen werden. Das bedeutet eine Verschlechterung der CO2-Bilanz des Unternehmens und auch die Kosten, die durch den Energieverlust entstehen, sind erheblich. Nur, wie findet man in einer Werkshalle wie der von Hawe in Kirchheim ein Leck, wenn auf über 10 000 m2 Fläche an 30 bis 40 Bearbeitungszentren gefräst, gebohrt, gedreht und geschliffen wird?
Diese Frage stellten sich auch die zehn Auszubildenden der Hawe Hydraulik SE, nachdem sie im Rahmen ihres Projekts das Druckluftsystem als größten Stromfresser ausgemacht hatten. Die Jugendlichen befanden sich zum damaligen Zeitpunkt im zweiten beziehungsweise dritten Jahr ihrer Ausbildung zum Industriekaufmann, zum Industrie- oder Zerspanungsmechaniker sowie zum Maschinen- und Anlagenführer.
Im Werk Kirchheim von Hawse werdemn Proportional-Wegeschieber vom Typ PSL gefertigt, dazu Wegesitzventile, Proportional-Druckventile, Stromventile und Ventile für Windaggregate. Zusätzliche Abteilungen sind für den Sondermaschinenbau, die Automatisierungstechnik und für die Nullserien-/Proto- typenfertigung verantwortlich. Die hier hergestellten Produkte kommen unter anderem in Betonpumpen, Lkw-Ladekränen, Forstfahrzeugen, Bohrgeräten und Windenergieanlagen zum Einsatz. Da es bei normalem Betrieb in den Werkshallen völlig unmöglich ist, undichte Stellen über eine Hörprobe auszumachen, schied diese Methode von vornherein aus. Selbst wenn die Produktion still steht, lassen sich auf diesem rein akustischen Weg maximal 20 % des Verlustvolumens finden. Der Seifenlaugentest funktioniert zwar etwas zuverlässiger, ist aber nicht für jede Art von Leitung geeignet. Hinzu kommt, dass man ohne konkreten Hinweis auf ein Leck die ganze Anlage einsprühen müsste und dass die Methode für manche Stellen, wie die Unterkanten, unbrauchbar ist.
Der UltraschallSpion im Einsatz
an Montagearbeitsplätzen
Das hat Alexander Volodarski, der als Teamleiter für den Bereich Environment, Health and Safety (E-EHS) zuständig ist, dazu bewogen, ein Pilotprojekt zu starten: Zwei UltraschallSpione wurden angeschafft, um Leckagen an den Montagearbeitsplätzen in den Werken von Hawe aufzuspüren. Bei einem Workshop in Kirchheim wurden die Lehrlinge vom europäischen Importeur des Geräts, Richard Chambers, in die Handhabung eingewiesen. „Unsere Auszubildenden waren mächtig beeindruckt, dass der Spion auch von der NASA eingesetzt wird, blieben aber zunächst skeptisch, ob das Gerät auch für uns das Richtige ist“, schildert Volodarski die Reaktion der Jugendlichen.
In den Seminarräumen von Hawe erklärte Chambers den zehn Teilnehmern und dem Teamleiter zunächst die Grundprinzipien und die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des Geräts. Anschließend galt es, das Gehör der Anwesenden zu schulen: Wenn sich Materialteilchen – also austretende Druckluft an Umgebungsluft, Lager an Welle, elektrische Energie an Isolator – aneinander reiben, entsteht nämlich im Ultraschallbereich ein Rauschen.
Die charakteristischen Geräusche der Defekte wandelt der Spion mit Hilfe eines speziell entwickelten Ultraschallmikrophons in Töne um, die für das menschliche Ohr gut hörbar und sogar verständlich sind.
UltraschallSpione können auch fehlerhafte Bauteile erkennen
Das Gerät lässt sich somit in allen Bereichen der Industrie einsetzen, um fehlerhafte Bauteile und Leckagen aufzuspüren. Dadurch fallen kostspielige Reparaturen gar nicht erst an und unvorhergesehene Produktionsausfälle werden vermieden.
In Kirchheim, wie an den anderen Produktionsstandorten von Hawe, werden die meisten Montagewerkzeuge mit Druckluft betrieben. Um nach der Einweisung zu sehen, an welchen Stellen in der Werkshalle es konkreten Handlungsbedarf gibt, nahmen die Jugendlichen in Zweiergruppen Rohrleitungen und Schläuche genauer unter die Lupe. „Die Sonde des Spions ist so sensibel, dass Leckagen im Umkreis von 30 m registriert werden. Je näher man kommt, desto mehr schlägt der Zeiger aus und auch die Lautstärke nimmt zu. Größe und Art des Lecks lassen sich anhand der Tonlage und -höhe bestimmen“, erläutert Richard Chambers die Vorgehensweise mit dem Gerät.
Dank der extremen Empfindlichkeit der UltraschallSpione war erstmals in einem der Hawe-Werke eine „Null-Toleranz-Politik“ möglich. Bei ihrem Rundgang fanden die Azubis an einigen Arbeitsplätzen zwischen 15 und 20 Stellen, an denen die Druckluft entwich. „Besonders toll fanden sie, dass sie selbst kleinste Lecks ganz einfach aufspüren konnten“, freut sich Alexander Volodarski über den Erfolg der Schulung.
Die folgenden Monate wurden genutzt, um Alternativen zum bestehenden System auszuloten und einen neuen Standard zu entwickeln. Dabei waren sowohl die eigenen Ideen der Lehrlinge als auch die Erfahrung der jeweiligen Instandhalter an ihren Ausbildungsorten gefragt.
Gemeinsam kam man zu dem Schluss, dass die Schläuche gegen Rohre mit einem größeren Durchmesser ausgetauscht werden sollten, um die Druckluftsysteme stabiler zu machen. Das Ergebnis ist die exemplarische Umgestaltung eines Arbeitsplatzes am Standort München, der nun als Modell für den energieeffizienten Umbau in allen bestehenden und neuen Hawe-Werken dient.
Richard Chambers wurde für seine Ideen und Innovationen rund um das Thema Energiesparen 2009 mit dem Innovationspreis des WirtschaftsJournals Süd-West und des Messeveranstalters „easyfairs“ ausgezeichnet. Speziell energiesparende Produkte vertreibt er seit über 25 Jahren.
Er ist viel herumgekommen. 1977 zog es den irisch-stämmigen Unternehmer nach Deutschland, wo er zunächst bei Suzuki für das Ersatzteil- und Zubehörmanagement verantwortlich war. 1982 machte er sich dann selbstständig: In Bayern gründete er den Ein-Mann-Betrieb Richard Chambers GbR, aus dem 1991 mit familiärer Unterstützung die Richard Chambers GmbH wurde. In den ersten Jahren der Selbständigkeit handelte er mit Zubehör für Geländefahrzeuge.
1986/87 begann er Flüssigprodukte aus dem Bereich Fahrzeugtechnik zu vertreiben, wie zum Beispiel PTFE für die Beschichtung von Motoren und Getriebe. Auch heute noch ist der Effizienz-Experte weltweit auf der Suche nach hochwertigen Produkten, die Unternehmen dabei helfen, Energie- und Wartungskosten deutlich zu senken. os
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