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Beregnungstechnik liefert Ideen für Wasserhydraulik

Erfinder testen neuen Weg für Wasser als Druckmedium
Beregnungstechnik liefert Ideen für Wasserhydraulik

Eine günstige Wasserhydraulik-Lösung für die Holzbearbeitung hat ein italienischer Hersteller entwickelt. Er verzichtet auf kostspielige Bauteile und schlägt mit seiner Lösung sogar Hydraulik aus Fernost aus dem Rennen.

Hat Hydraulik ohne Öl nur dort einen Sinn, wo Öl verboten ist und der Anwender nicht anders kann, als den höheren Preis für die spezielle Technik in Kauf zu nehmen? „Wir sehen die Wasserhydraulik ganz anders“, sagt Paul Stubenruss, Inhaber der Starfort im norditalienischen Brixen. Die Südtiroler wollen beweisen, dass eine Maschine mit Wasser im Antrieb leistungsfähiger und sogar günstiger sein kann als eine mit herkömmlichem Hydraulikantrieb.

Was die Wasserhydraulik nach Ansicht von Kritikern bisher unattraktiv macht, sind
  • der Aufwand für den Korrosionsschutz, der durch Edelstahl und Spezialbauteile erreicht wird,
  • der Einsatz teurer Mikrofilter sowie
  • die trotz des hohen Preises angeblich geringe Lebensdauer.
Um von diesen Problemen wegzukommen, kann man sich, wie das Beispiel aus Italien zeigt, auf eine radikal andere Konstruktion einlassen und alternative Komponenten suchen – gegebenenfalls im Baumarkt oder im Sanitärhandel. Ein Beispiel dafür, dass die Südtiroler diese Art des Querdenkens beherrschen: Sie nutzen einen Hochdruckreiniger als Antrieb für ihren „Holzteufel“, der Holzscheite spaltet, indem er sie gegen eine keilförmige Schneide drückt. Solche Spalter werden für den privaten Markt oder die Landwirtschaft in Massen produziert und sind bisher mit Ölhydraulik ausgerüstet. Die meisten Hersteller solcher Produkte sind in Niedriglohnländern zu Hause.
In diesem Umfeld herrscht laut Stubenruss ein „immenser Preiskampf“, dem er aber gelassen gegenübertritt. „Im Prinzip ist der Holzteufel wie eine Presse aufgebaut“, sagt er. Da der Spalter mit Klarwasser arbeitet, sei der Hochdruckreiniger hier am richtigen Platz – auch wenn der eher als Marketing-Gag ins Spiel kam, wie Stubenruss einräumt. Weitere Anwendungen seiner Wasserhydraulik-Variante sieht er beispielsweise bei Müll- oder Werkstattpressen.
So richtig ins Tüfteln kam der Südtiroler bei stählernen Bauteilen wie Zylindern und Ventilen, die auch er vor Korrosion schützen muss. „Angesichts handelsüblicher Preise für wassertaugliche Kolbendichtungen reiben Sie sich die Augen“, sagt er. Aber Leder sei eine sehr gute Alternative. Bei den Fittings wiederum greifen die Brixener auf die Sanitärtechnik zurück, und selbst die Beregnungstechnik bot Inspiration. Die Zylinderrohre bestehen auch nicht komplett aus rostfreiem Stahl: Die Südtiroler nehmen ein herkömmliches Stahlrohr, in das sie ein V2A-Rohr mit 1 mm Wanddicke einpressen. Das Fertigungsverfahren dafür haben sie eigens entwickelt, und es lässt sich laut Stubenruss für Rohre bis zu einem Druchmesser von etwa 300 mm einsetzen. „Ohne Zylinder keine Hydraulik – und mit unseren Rohren sinken die Kosten gegenüber Edelstahlrohren enorm“, sagt der Südtiroler.
Dass man Ölhydraulik nicht einfach durch Wasserhydraulik ersetzen kann, räumt Stubenruss ein. Jede Maschine müsse dafür von Grund auf neu konstruiert werden, biete dann aber auch andere Möglichkeiten. Der Zylinder ist einfachwirkend, eine einfache Saugdüse bewirkt den Rückhub, so dass ein Zwei-Wege-Ventil für die Steuerung ausreicht. Das bringt laut Stubenruss weitere Sparpotenziale. Seine Maschine arbeitet, abhängig vom angeschlossenen Hochdruckreiniger, mit einem Druck von 140 bis 240 bar. Über die Lebensdauer müsse man sich, trotz des Verzichts auf Mikrofilter, auch keine Sorgen machen. „Ventile in Hochdruckreinigern machen mehrere Hundert Millionen Schaltspiele mit, obwohl sie nur durch Grobfilter geschützt sind“, sagt Stubenruss. Und Starfort-Zylinder für Beregnungsanlagen, die mit sandführendem Wasser aus Tiefbrunnen arbeiten, seien seit 26 Jahren ohne Filter problemlos in Betrieb.
Zu viel Optimismus angesichts eines solchen Weges halten Exerten allerdings für übertrieben. Für Nischenanwendungen sei die Holzspalter-Wasserhydraulik möglicherweise interessant – man dürfe nur nicht den Fehler machen, die Erfahrungen zu schnell zu verallgemeinern. Eine Großpresse beispielsweise stelle selbst die Ölhydraulik vor Herausforderungen. Zum einen müssten hier Volumenströme von 600 bis 1000 l min-1 bewältigt werden. Solche Leistungen könne ein vom Holzspalter abgeleitetes System sicher nicht bringen. Zum anderen müsste der Fluss des Druckmediums für viele Anwendungen regelbar sein, um einen Stempel sowohl schnell verfahren als auch gefühlvoll bewegen zu können.
Stubenruss verunsichern solche Einwände nicht. In der angepeilten Nische funktioniert die Holzspalter-Technik, wie auch ein Projekt mit Forschern vom Wuppertal-Institut ergeben habe, die wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle technische Lösungen untersuchen. Den Spalter aber sieht Stubenruss als Testballon, mit dem er zeigen will, wie Wasserhydraulik günstiger sein kann. Großpressen will er mit seinem Familienbetrieb ohnehin nicht bauen, sondern arbeitet derzeit an den Müll- und Werkstattpressen weiter. Zukünftig rechnet er auch mit Anwendungen in Lebensmittelverpackungsmaschinen, wo bisher Spezialöle und in Einzelfällen auch schon Wasserhydraulik eingesetzt wird. „Dafür braucht man natürlich regelbare Ventile“, sagt er, und die hätten auch ihren Preis. „Mit unseren Rohren allerdings ließe sich auch hier noch eine Menge gegenüber herkömmlicher Wasserhydraulik sparen.“ op
Holzspalter-Technik funktioniert auch in Müllpressen
Beim Zylinderrohr aus Stahl lacht das Sparschwein

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