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Besonderheiten bei der Fertigung von Mikrotools

Werkzeugschleifen im Liliput-Format braucht eigene Maschinen
Besonderheiten bei der Fertigung von Mikrotools

Zerspanungswerkzeuge mit Schneiden im Bereich weniger Tausendstel Millimeter gelten als strategisches Produkt. Sie selbst zu produzieren, erfordert jedoch spezielles Know-how.

Dr.-Ing. Wilfried Saxler, Gesamtleitung Schleifmaschinen bei der Alfred H. Schütte GmbH in Köln

Dass Gebrauchsgüter immer kleiner, kompakter und komplexer werden, ist industrielle Tatsache. Dass zur Herstellung solcher Produkte rotationssymmetrische Werkzeuge in stets feinerem und filigranem Format gebraucht werden, sieht der Nutzer erst auf den zweiten und dritten Blick. So wird zwar beim Herstellen eines Handygehäuses selbst nicht gefräst, sehr wohl aber bei der Fertigung der Spritzgießform oder der Erodierelektrode, mit der diese Form später produziert wird. Das Beispiel ist ebenso einfach wie typisch für die Breite der Entwicklung in der Informations- und Kommunikationstechnikbranche oder der Medizintechnik. Entsprechend wächst die Nachfrage an miniaturisierten Tools.
Anders als Fräser und Bohrer in Standardgröße – die sich zum großen Teil günstig aus Asien beziehen lassen –, werden diese Werkzeuge vor allem von westeuropäischen und amerikanischen Herstellern geliefert.
Insoweit muss man abgrenzen zwischen „großen“ und „kleinen“ Werkzeugen: Von so genannten Mikrotools kann gesprochen werden, wenn der Schneidendurchmesser unterhalb 2 mm liegt. Die Schäfte werden in den meisten Fällen auf einen Einheitsschaft nach DIN 6535 mit einem konstanten Durchmesser von 3 mm festgelegt. Dies erleichtert zum einen die Fertigung, da die Spanntechnik bei unterschiedlichen Schneidendurchmessern nicht umgerüstet werden muss und die Teile sich manuell wie automatisch einfacher handhaben lassen. Zum anderen können sich auch die Anwender kleiner Werkzeuge auf gleich bleibende Spanndurchmesser einstellen, was auch dort den Rüstaufwand und die Spannfuttervielfalt reduziert. Die gängigsten Werkzeuge sind Minifräser, Minikugelfräser und Minibohrer.
Begrenzt wird die Miniaturisierung der Schneidendurchmesser im Wesentlichen durch die Herstellungsart und die Eignung der Schneidstoffe. Allerdings sind Schneidendurchmesser von 0,1 mm schon keine Seltenheit mehr. Wie große Werkzeuge auch, werden Mikrotools solcher Dimension auf fünfachsigen CNC-Werkzeugschleifmaschinen hergestellt. Hauptkriterien bei der Fertigung sind eine gute Oberflächenqualität an den Schneidkanten und der präzise Rundlauf zwischen Schneiden und Schaft.
Zu den guten Schneidenflächen tragen auch die direkt angetriebenen Achsen der Schleifmaschine bei. Hier sorgt ein Magnetfeld für die Kraft- und Drehmomentübertragung. Es werden keine mechanischen Getriebe zwischengeschaltet. Daher sind diese Systeme spiel- und ruckelfrei. Sie werden ausschließlich mit direkten Messsystemen betrieben. Der Stator mit seinen stromdurchflossenen Wicklungen sitzt in einem Gehäuse. Der Rotor besteht aus permanent erregten Magneten, die auf der Spindel montiert sind. Damit ist der bewegliche Teil des Motors eine rein mechanische, verschleißfreie Einheit.
Die Direktantriebe linearer Achsen bestehen ebenfalls aus einem Primärteil – der Spule – sowie der Magnetbahn als Sekundärteil. Das elektrische Wirkprinzip ist das gleiche wie bei Rotationsmotoren. Da der Antriebsstrang keine mechanischen Komponenten zur Kraftübertragung wie beispielsweise Kugelgewindetriebe hat, ist die dynamische Steifigkeit höher als bei vergleichbaren Maschinen mit klassischer Antriebstechnik. Darüber hinaus ist das System durch die permanent wirkenden Anziehungskräfte zwischen Wicklung und Magnetbahn spielfrei, und die Linearführungen werden mit einer konstanten Kraft vorgespannt, die höher ist als die Prozesskräfte. Mit diesen dynamischen Eigenschaften hat der Direktantrieb zwei wesentliche Vorteile: Einerseits kann mit höheren Vorschubgeschwindigkeiten geschliffen werden, andererseits erreicht man bessere Oberflächenqualitäten am Werkstück.
Bei der Fertigung von Mikrowerkzeugen ist der letztgenannte Punkt entscheidend. Glatte Oberflächen der Schneiden sorgen für eine lange Lebensdauer und verhindern Aufbauschneiden. Damit die Schärfe der Schneidkanten lange erhalten bleibt, wird als Schneidstoff ein Ultrafeinstkorn-Hartmetall verwendet. Die Schneidkanten werden hier von vielen Wolframcarbiden gestützt und lassen sich mit den bis zu 0,3 µm kleinen Carbidkörnern sehr scharfkantig ausführen. Um fein schleifen zu können, werden für die Bearbeitung auch Schleifscheiben mit feiner Körnung verwendet. Außerdem müssen die Scheiben gut gewuchtet sein.
Das zweite Kriterium neben der Oberflächenqualität ist bei filigranen, rotationssymmetrischen Werkzeugen die Rundlaufgenauigkeit. Sie hat bei Mikrotools auf die Lebensdauer einen erheblich größeren Einfluss als bei größer dimensionierten Werkzeugen. Bedingt durch die kleinen Abmessungen können erstere meist nur mit zwei Schneiden ausgestattet werden. Folglich ist deren Belastung bei einem Rundlauffehler asymmetrisch. Zudem müssen Mikrowerkzeuge schärfere Schneidkanten haben als ihre großen Pendants. Grund: Die Passivkräfte müssen klein gehalten werden, weil bereits geringe Querkräfte bewirken, dass das dünne Werkzeug weggedrückt wird. Andernfalls nimmt die dynamische Belastung des Tools infolge der Biegebeanspruchung zu. Dieser Effekt wird durch Rundlauffehler nochmals verstärkt.
Gute Oberflächen- und Rundlaufqualität lässt sich zudem nur über schwingungs- und vibrationsarme Schleifprozesse erreichen. Diese setzen eine steife und spielfreie Werkstückspannung und -führung voraus, wie sie das so genannte Werkstückführungssystem (WFS) bietet. Es besteht aus einem Grundhalter, der das Werkstück zwischen dem Auflageprisma und dem Niederhalter klemmt. Das Prisma fluchtet genau zur A-Achse. Diese Parallelität wird durch ein einmaliges Einschleifen auf der Maschine erreicht. Zur Ausrichtung kann das Prisma radial in zwei Richtungen feinjustiert werden. Hierzu ist eine einfach handhabbare mechanische Präzisionseinstellung am Grundhalter vorgesehen. Die genaue Positionierung wird über integrierte elektronische Sensoren gemessen. Auch dieser Vorgang muss nur einmalig für den jeweiligen Schaftdurchmesser durchgeführt werden. Außerdem lässt sich dies automatisch über Stellantriebe erledigen, was den ohnehin kurzen Rüstaufwand weiter reduziert.
Das Mikrowerkzeug ist nur sehr kurz eingespannt. Die Spannung dient allein zur Drehmomentübertragung. Geführt wird das Minitool über das WFS. Werkzeuge mit kleinem Durchmesser lassen sich unter bestimmten Umständen auch frei fliegend schleifen. Allerdings muss dann der Vorschub so stark reduziert werden, dass die Schwingungen möglichst gering bleiben. Bei starker Vibration kann der dünne Schneidenbereich abbrechen. Zudem muss auch das Spannfutter exakt rund laufen. Die Grafik auf der gegenüber liegenden Seite unten zeigt ein Werkzeug, das einmal frei stehend und zum anderen mit Hilfe eines WFS geschliffen wurde. Die Bearbeitungszeit ließ sich durch die Abstützung auf die Hälfte senken.
Mithin gibt das WFS dem Schleifteil spielfreien und stabilen Halt. Zusammen mit dem Direktantrieb der Werkzeugschleifmaschine sorgt es dafür, dass sich Mikrowerkzeuge mit Schneidendurchmessern von wenigen Zehntel Millimetern präzise und reproduzierbar herstellen lassen.
Mikrotools brauchen extrem scharfe Schneiden
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Titelbild Industrieanzeiger 6
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