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„Bestechung beginnt bereits bei ersten kleinen Gefälligkeiten“

BME-Chef Dr. Jürgen Marquard rät Unternehmen zu vorbeugenden Maßnahmen gegen Korruption
„Bestechung beginnt bereits bei ersten kleinen Gefälligkeiten“

„Bestechung beginnt bereits bei ersten kleinen Gefälligkeiten“
Dr. Jürgen Marquard, Vorsitzender des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (Bild: BME): „Korruption und Untreue verhindern einen fairen Wettbewerb.“
Schmiergeldaffären haben in den letzten Wochen hohe Wellen geschlagen. Dr. Jürgen Marquard, Vorstandsvorsitzender des BME, erläutert im Gespräch, was Unternehmer im Kampf gegen Korruption tun können. Denn: Durch geschmierte Mitarbeiter erhält man nicht die besten Leistungen zum besten Preis.

Von unseren Redaktionsmitgliedern Jens-Peter Knauer und Susanne Schwab jens-peter.knauer@konradin.de susanne.schwab@konradin.de

Herr Dr. Marquard, Schmiergeldaffären wie bei VW, BMW oder bei der ARD zeigen, dass auch deutsche Betriebe anfällig für Korruption sind. Warum ist das so? Leben wir in einer Bananenrepublik?
Nein, von einer Bananenrepublik kann keine Rede sein, solche Aussagen angesichts der jüngsten Vorkommnisse halte ich für übertrieben. Aber: Korruption lässt sich allenfalls eindämmen, aber nicht ausrotten. Menschen sind nun einmal überall auf der Welt empfänglich für so genannte Wohltaten und Vorteile aller Art. Der Bereich Einkauf ist besonders sensibel, weil hier Personen Vergabeentscheidungen in ihrem Sinne kriminell beeinflussen können. Ich sage hier bewusst Personen, denn korrupt ist nicht ein Unternehmen an sich. VW, BMW und auch die ARD sind nicht per se korrupte Unternehmen beziehungsweise Institutionen, nur weil bestimmte Mitarbeiter auffällig geworden sind.
Können Sie ein Beispiel nennen, in welchen Größenordnungen sich die Schäden bewegen?
Allein bei öffentlichen Baumaßnahmen, einem besonders anfälligen Bereich für Korruption, entstehen in Deutschland durch Preisabsprachen jedes Jahr Schäden von rund fünf Milliarden Euro. Das entspricht immerhin zwei Prozent des gesamten jährlichen Beschaffungsvolumens der öffentlichen Hand, das bei rund 250 Milliarden Euro liegt.
Das sind gewaltige Summen. Was hat Ihr Verband unternommen, um derartigen Auswüchsen entgegen zu treten?
Speziell für den öffentlichen Sektor haben wir, also der BME, gemeinsam mit dem Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern im vergangenen Jahr einen Leitfaden zur Korruptionsprävention für den öffentlichen Sektor vorgelegt. Darin thematisieren wir die gesamtwirtschaftlichen Schäden, die betriebswirtschaftliche Bewertung und die rechtlichen Konsequenzen von Korruption.
Der BME engagiert sich ja seit Jahren im Kampf gegen die Korruption. Wie ist der aktuelle Stand?
Unser Verband hat bereits Mitte der neunziger Jahre in Ethikleitlinien ein Leitbild für Akteure der Wirtschaft und alle am Beschaffungsprozess Beteiligten erarbeitet. Danach sollte ein Unternehmen konsequent alle Maßnahmen veranlassen, die Interessenkonflikte lösen und Abhängigkeiten vermeiden helfen. Handlungen und Entscheidungen müssen frei von sachfremden Zwängen und persönlichen Interessen erfolgen. Derzeit erarbeiten wir ein Qualifizierungsprogramm, das Einkäufer für das Thema Korruption sensibilisieren soll.
Wo fängt die Schmiergeldaffäre an und wo hört sie auf?
Die Problematik beginnt bereits bei ersten kleinen Gefälligkeiten. Sie kann sich über Bargeldzuwendungen und anderes fortsetzen. Am Ende steht nicht selten Erpressbarkeit.
Wie können sich Unternehmer verhalten, die vermuten, dass bei Ausschreibungen Korruption eine Rolle spielt?
Die Unternehmensleitung muss generell transparent machen und im Akutfall dann auch demonstrieren, dass auf Fehlverhalten unweigerlich drastische Konsequenzen folgen – disziplinarisch und strafrechtlich. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Preisabsprachen oder direkte persönliche Vorteilsnahme handelt. Lieferanten gegenüber ist deutlich zu machen, dass Begünstigungen nicht geduldet werden und mit Vertragskündigung geahndet werden können.
Welche Maßnahmen müssen im Unter- nehmen ergriffen werden, um Korruption vorzubeugen?
Da gibt es viele Möglichkeiten zur Prävention. Unternehmen können zum Beispiel einen Ombudsmann einsetzen, der als Ansprechpartner für Mitarbeiter fungiert. Er sollte eine Vertrauensperson sein, um auch Aufklärung leisten und Ratschläge für angemessenes Verhalten erteilen zu können. Weitere Maßnahmen sind unter anderem das Erstellen entsprechender Dienstanweisungen, Verpflichtungserklärungen von Lieferanten, Job-Rotation und das sogenannte Vier-Augen-Prinzip.
Welchen Beitrag kann E-Procurement leisten?
Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit durch elektronische Vergabesysteme. Moderne Informations-und Kommuni- kationstechniken können aber Manipulationsmöglichkeiten des papiergestützten Vergabeverfahrens beseitigen. Und sie beschränken die direkten Schnittstellen des Einzelnen zu den Lieferanten. Maßnahmen bei der elektronischen Vergabe sind beispielsweise Plausibilitätsprüfungen, Verschlüsselung sowie digitale Signaturen.
Was passiert mit dem Standort Deutschland wenn Korruption nicht bekämpft wird?
Korruption, Untreue und Betrug zerstören das Vertrauen zwischen Kunden und Lieferanten und verhindern einen fairen Wettbewerb, erhöhen die Kosten und gefährden letztlich Arbeitsplätze. Fakt ist: Geltende Gesetze und Bestimmungen gilt es nun einmal nach dem Legalitätsprinzip strikt einzuhalten. Unternehmensführer und leitende Manager haben Vorbildfunktion – sie sollten Fehlverhalten nicht billigend in Kauf nehmen, sondern faires, gesetzeskonformes Verhalten vorleben. Unternehmen müssten sich darüber im Klaren sein, dass sie durch korrupte Mitarbeiter nicht nur großen wirtschaftlichen Imageschaden erleiden, sondern dass sie in diesen Fällen auch nicht die besten Leistungen zum besten Preis erhalten.
Korrupte Mitarbeiter müssen konsequent und hart bestraft werden
Unternehmer und leitende Manager sollten faires Verhalten vorleben
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