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Chefs halten beim Crash den Kopf persönlich hin

Manager-Haftung: Bei Schieflagen droht das Zivil- und Strafrecht
Chefs halten beim Crash den Kopf persönlich hin

Geschäftsführer leben gefährlich. Zumindest, wenn sich ihr Unternehmen der Insolvenz nähert. Dann nämlich drohen dem Firmenchef gravierende zivil- und sogar strafrechtliche Konsequenzen – wenn er nicht alles richtig macht.

Rechtsanwalt Dr. Markus Wischemeyer ist Mitarbeiter der Berliner Kanzlei Schröder Rechtsanwälte

Gerät ein Unternehmen in Schieflage, muss der Geschäftsführer frühzeitig handeln. Sonst läuft er Gefahr, nicht nur sein Unternehmen und seinen Arbeitsplatz zu verlieren, sondern auch auf Jahrzehnte hinaus für Fehler gerade stehen zu müssen, die er hätte vermeiden können.
Wenn der Chef den kleinsten Verdacht hegt, dass seiner GmbH die Insolvenz droht, sollte er fachmännischen Rat von einem Insolvenzrechtsfachmann einholen. Der prüft die Lage und lotet die Optionen aus. So lassen sich nicht nur persönliche Risiken ausschließen, sondern häufig das Unternehmen retten.
Für den Fall einer bevorstehenden Insolvenz bietet das GmbH-Gesetz einen rechtlichen Rahmen. Das Problem ist, dass sich kaum ein Geschäftsführer je damit beschäftigt hat. Aus nahe liegenden Gründen: Die Möglichkeit des Scheiterns wird oft verdrängt. Wenn jedoch die Insolvenz eintritt und der Geschäftsführer nicht weiß, wie er sich verhalten muss, dann wird’s gefährlich.
Das GmbH-Gesetz (GmbHG) sieht in seinen Paragrafen 64 und 84 vor, dass ein Geschäftsführer spätestens drei Wochen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenz anmelden muss. Dies ist eine Frist, die in aller Regel überschritten wird: Dem Prinzip Hoffnung folgend, missachten Geschäftsführer oft die Zahlen und gehen erst zum Insolvenzrichter, wenn alle Kassen leer sind.
In einer wirtschaftlichen Krise, zumal in der Liquiditätskrise, sieht sich der Geschäftsführer mit dem Problem konfrontiert, dass er schlicht kein Geld mehr hat. Er kann Rechnungen von Lieferanten und Dienstleistern nicht mehr bezahlen. Auch Krankenkassen und Finanzämter üben bald Druck aus.
Der Unternehmenslenker kann sich aber strafbar machen, wenn er die Arbeitnehmerbeiträge nicht an die zuständigen Sozialversicherungsträger abführt. Allein deshalb wird der Geschäftsführer immer versuchen, zumindest die Arbeitnehmerbeiträge zu zahlen. Sonst droht ihm, dass er die Arbeitnehmerbeiträge aus der eigenen Tasche zahlen muss.
Ähnliches gilt im Hinblick auf die fälligen Steuerverpflichtungen. Dabei droht besonders bei der Nichtzahlung von Lohnsteuern, jedoch auch bei der Nichtzahlung von Umsatz-, Körperschafts- oder Gewerbesteuern die persönliche Haftung des Geschäftsführers (§§ 34, 69 AO).
Begleicht der Chef jedoch andere Forderungen zu einem Zeitpunkt, an dem sein Unternehmen bereits faktisch insolvent war, gerät er in eine weitere Haftungsfalle. Dabei ist es unerheblich, ob bereits Insolvenz angemeldet war oder nicht. Das deutsche Insolvenzrecht verlangt, dass alle Gläubiger gleich behandelt werden (§ 64 Abs. 2 GmbHG).
Wer also nur die Gläubiger bezahlt, die am meisten Druck machen, muss für diese Summe persönlich geradestehen. Der Insolvenzverwalter wird im Insolvenzverfahren Schadenersatz geltend machen. Und da Geschäftsführer ihrer Antragspflicht im Regelfall viel zu spät nachkommen, belaufen sich solche Schadensersatzforderungen durchaus auf bis zu sechs- oder siebenstellige Beträge.
Ein Geschäftsführer kann diesem Dilemma im Regelfall nur entrinnen, indem er sofort, spätestens jedoch drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag einreicht.
Unwissenheit schützt dabei nicht vor Strafe: Allein der Umstand, dass der Geschäftsführer im Zeitpunkt der Zahlung die wirtschaftliche Krise hätte erkennen können, reicht für eine Schadensersatzverpflichtung aus. Die Ausrede, es habe noch keine Bilanz vorgelegen, gilt ebenfalls nicht: Der Unternehmenslenker muss laufend über die wirtschaftliche Entwicklung im Bilde sein (§ 84 Abs. 1 GmbHG, vorsätzlich verspäteter Insolvenzantrag, und § 84 Abs. 2 GmbHG, fahrlässig verspäteter Insolvenzantrag).
Eine Ausnahme von der Schadensersatzpflicht gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG gilt ausschließlich für Zahlungen, die „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns“ vereinbar sind; solche Zahlungen sind auf wenige Ausnahmefälle begrenzt. Bei diesen Ausnahmen handelt es sich meist um Bargeschäfte, in denen ein unmittelbarer Austausch von Leistung und Gegenleistung, also Geld gegen Ware oder Dienstleistung, erfolgt.
Als Faustregel gilt, dass in jedem Fall sämtliche Zahlungen auf ältere Verbindlichkeiten (älter als etwa zwei Wochen) zu einer Schadensersatzpflicht führen. Der Geschäftsführer kann sein Amt in dieser Zeit zudem nicht niederlegen und sich dadurch der Verantwortung entziehen. Übrigens: Vorstandsmitgliedern sonstiger juristischer Personen wie Aktiengesellschaften, Vereine, Genossenschaften drohen ganz ähnliche Konsequenzen.
Dabei kann alles gut ausgehen: Für den Fall einer Insolvenzanmeldung bei drohender Zahlungsunfähigkeit sieht das Gesetz eine ganze Reihe von Sanierungsinstrumenten vor, so zum Beispiel den Insolvenzplan. Darüber hinaus besteht die in der Praxis weit verbreitete Möglichkeit der so genannten übertragenden Sanierung. Bei einer übertragenden Sanierung wird das Betriebsvermögen vom Insolvenzverwalter an eine sogenannte Auffanggesellschaft veräußert, die die Geschäfte fortführen kann.
Alle Gläubiger müssen gleich behandelt werden
Wer rechtzeitig handelt, kann die Firma retten

Das droht dem Geschäftsführer
Das GmbH-Gesetz (GmbHG) sieht vor, dass ein Geschäftsführer spätestens drei Wochen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenz anmelden muss. Sonst droht dem Chef das Zivil- und Strafrecht.
  • Krankenkassen nehmen Geschäftsführer persönlich in Anspruch, falls Arbeitnehmerbeiträge nicht bezahlt wurden (§ 266a StGB i. V).
  • Das deutsche Insolvenzrecht verlangt, dass alle Gläubiger gleich behandelt werden. Dem Geschäftsführer einer faktisch insolventen GmbH ist es nicht erlaubt, an einzelne Gläubiger zu leisten. Tut er es doch, kann er persönlich zur Erstattung dieser Zahlungen an den Insolvenzverwalter verpflichtet werden (§ 64 Abs. 2 GmbHG).
  • Bei verspätetem Insolvenzantrag drohen das Zivil- und Strafrecht: Insolvenzstraftaten (§§ 283 ff. StGB) sind beispielsweise Vermögensverschiebungen und die Verletzung von Buchführungs- und steuerlichen Pflichten.
  • Ein Geschäftsführer kann sich (gemäß § 263 StGB) wegen Betrugs strafbar machen: Dann, wenn er einem Lieferanten die Zahlung zusichert, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits „billigend in Kauf nimmt“, dass die Firma niemals bezahlen können wird.
  • Vor der wirtschaftlichen Krise macht sich der Geschäftsführer strafbar, wenn er seinen Gesellschaftern nicht anzeigt, dass ein Verlust in Höhe des hälftigen Stammkapitals eingetreten ist (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG).
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