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Covestro macht CO2 zum Rohstoff

PUR-Schäume aus Abgasen
CO2 wird zum Werkstoff

CO2 wird zum Werkstoff
Covestro hat seine CO2-Technologie weiterentwickelt. Mit Partnern ist es gelungen, geschäumte Dämmstoffplatten mit CO2-basiertem Vormaterial zu produzieren: Kohlendioxid ersetzt Erdöl. Bild: Covestro
Covestro ist mit Partnern eine Entwicklung gelungen, die ein Umdenken in der Industrie und eine Trendwende andeutet: Neben Weichschaum und Elastomer lässt sich nun auch Hartschaum zu 20 % aus CO2-Abgas produzieren und damit nachhaltiger herstellen – etwa für Dämmstoffplatten. Interessant für Konstrukteure: Bei den Werkstoffeigenschaften wird es keine Abstriche geben.

» Olaf Stauß, Redakteur Konradin-Verlag

„Natürlich werden wir damit nicht das ganze CO2 aus der Luft herausfiltern“, stellte Dr. Klaus Schäfer klar, CTO der Covestro AG. „Wir nutzen den Abgasstrom einer benachbarten Chemieanlage und machen so aus schädlichen Emissionen einen Rohstoff.“ Doch Covestro sehe sich in der Rolle, die Kreislaufwirtschaft voran zu bringen und einen Beitrag zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zu leisten.

Schon seit 2016 betreibt der Kunststoffhersteller in Dormagen eine spezielle Produktion, die aus CO2 eine neue Form sogenannter Polyole mit dem Markennamen „Cardyon“ produziert – zentrale Bausteine für Polyurethan-Schaumstoffe. Die für rund 15 Mio. Euro errichtete Anlage bietet eine Jahreskapazität von 5000 t an diesem neuen Vorprodukt. Schon jetzt findet sich der Kunststoff-Baustein in Anwendungen aus Weichschaum und Elastomeren wieder, unter anderem in Matratzen, Sportböden und in Auto-Innenraumteilen. Da er bis zu 20 % CO2 enthält, ersetzt er in dieser Größenordnung den konventionellen Rohstoff Erdöl, teilt Covestro mit.

Nun melden die Forscher um Covestro einen weiteren Durchbruch. Seit 2016 arbeiten sie im Rahmen des BMBF-geförderten Verbundvorhabens „DreamResource“ auf Basis der CO2-Technologie auch an Polyolen, die sich für Polyurethan-Hartschäume nutzen lassen und dort Erdöl als Rohstoff ersetzen. Beteiligt sind daran die Industriepartner Puren, BYK-Chemie, PSS Polymer sowie die RWTH Aachen und die TU Berlin. Nach über drei Jahren gemeinsamer Forschung konnte Covestro rund 400 kg des neuen Polyols auf Basis von herkömmlichen Ethylenoxiden und CO2 an die Puren GmbH ausliefern. Zum Projektende stellte Puren jetzt den Prototypen einer Dämmplatte vor, der den neuartigen Rohstoff enthält.

Dämmstoffplatten binden CO2-Abgase

„Diese ersten Hartschaumdämmplatten unter Verwendung eines CO2-basierten Hartschaumpolyols sind normkonform und in den wesentlichen technischen Spezifikationen bereits mit dem Marktstandard vergleichbar“, sagt Puren-Geschäftsführer Dr. Andreas Huther. „In weiterer Zusammenarbeit planen wir, weitere Prototypen herzustellen und die Eigenschaften zu verbessern, um zügig zur Marktreife zu gelangen.“ Als einer der anstehenden Schritte soll in einen Scale-up-Prozess investiert werden. Huther sieht für das nachhaltigere Dämmmaterial gute Chancen. „Der Schäumprozess erfordert keine signifikanten Mehrinvestitionen. Wir sind sehr optimistisch, dass wir das Produkt zu einem höheren aber fairen Preis auf den Markt bringen können.“ Der Einspareffekt für Treibhausgase könnte vergleichsweise hoch sein, weil im Gebäudesektor sehr viel Dämmmaterial verbaut wird.

Chemisch handelt es sich bei der seit fünf Jahren industriell umgesetzten CO2-Technologie um einen komplizierten Prozess, der erst durch einen speziellen Katalysator und die richtige Prozesstechnologie möglich wurde. In die Entwicklung floss unter anderem das Know-how von Experten der RWTH Aachen und des CAT Catalytic Center in Aachen ein. Nicht weniger forschungsintensiv gestaltete sich die aktuelle Erweiterung der Technologie für PUR-Hartschaum. Umso mehr wollen die Manager die damit eröffneten Spielräume für einen breiten Einsatz nutzen. CTO Dr. Schäfer möchte „so viel wie möglich“ Material in der Produktion sehen. Er hält auch die Option für denkbar, Lizenzen zu vergeben. „Mit Lizenzen bekommen wir die Chance, die Technologie hochzuskalieren.“

CO2 statt Erdöl – seit über einem Jahrzehnt arbeitet das Chemieunternehmen an der Idee, Kohlendioxid als Rohstoff in der Kunststoffproduktion zu nutzen. Inzwischen hat Covestro begonnen, diesen Ansatz als Plattformtechnologie zu etablieren: Das in Dormagen produzierte Cardyon wird mittlerweile im Sport verwendet, als Material für Schuhe und Einlagen und für diverse Schaum- und Elastomerbauteile im Interieur von Autos. Außerdem sollen synthetische Textilfasern mit Kohlendioxid kurz vor der Marktreife stehen. Das neuartige Material habe mindestens dieselbe hohe Qualität wie jenes, das konventionell aus Erdöl hergestellt werde, heißt es bei Covestro.

„Eco Foams“ polstern Laufschuhe

Mit dem brasilianischen Schuhhersteller Calçados Beira Rio hat Covestro beispielsweise zwei Konzeptschuhe für Damen entwickelt, die modernes Design mit nachhaltigerem Material kombinieren. Im Freizeitschuh wie auch in den High Heels finden sich Rohstoffe wie CO2, Biomasse und Kunststoffabfälle, die Kohlenstoff aus Kreisläufen nutzen. So besteht das Schaft- und Innenfutter aus dem Vorprodukt Cardyon mit bis zu 20 % Abgas-CO2. In der Außensohle sind zwei Typen TPU (Thermoplastisches Polyurethan) enthalten, wovon das eine auf Cardyon basiert und das andere seinen Kohlenstoff zu 60 % aus Biomasse bezieht. Innensohle und Absatz mit hoher Festigkeit entstehen hingegen aus rezykliertem Polycarbonat.

Auch Plama-Pur nutzt Weichschäume aus Cardyon für die Innenpolsterung von Lauf-, Trekking- und Skischuhen. Der slowenische Schuhzulieferer bietet sie unter dem Namen „Eco Foams“ an. Sie sollen über eine bessere Elastizität und feinere Zellstruktur als Produkte aus fossilen Rohstoffen verfügen.

CO2 in Elastomeren und Textilfasern

PUR-Schaumstoffe für verschiedene Bereiche im Autoinnenraum mit den Cardyon-Polyolen stellt das Schweizer Unternehmen FoamPartner her – vor allem Dachhimmel, aber auch Türverkleidungen, Armlehnen und Sitzverkleidungen. Schon bald könnte es im Automobilbau noch einen Schritt weitergehen, teilt Covestro mit: Aus dem CO2-basierten Vormaterial sollen sich auch vernetzbare Varianten fertigen lassen, die zum Herstellen von Elastomeren dienen. Die Technologie werde bei Partnerunternehmen bereits erprobt. Komponenten aus solchen Elastomeren könnten für den Auto-Außenbereich und den Motorraum wie Schläuche, Dichtungen und Schwingungsdämpfer zum Einsatz kommen.

Ebenfalls an der Schwelle zur Marktreife stehen mit Cardyon produzierte elastische Textilfasern, die Covestro mit dem Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen entwickelt hat, gefördert vom European Institute of Innovation and Technology (EIT). Als Alternative zu Elastikfasern auf Erdölbasis könnten sie für Strümpfe, Garne und medizinische Textilien verwendet werden. Die Fasern aus TPU entstehen in einem Schmelzspinnverfahren. Dabei wird das CO2-basierte TPU aufgeschmolzen und zu sehr feinen Fäden verarbeitet. Die Fasern seien elastisch und reißfest, so dass sie in textilen Geweben eingesetzt werden könnten, berichtet Covestro. Nun sollen sie im BMBF-Projekt „CO2Tex“ weiter optimiert werden.

Kontakt:
Covestro AG
Kaiser-Wilhelm-Allee 60
D-51373 Leverkusen
www.covestro.de


Award „Best CO2 Utilisation“

Bei dem vom Nova-Institut und dem Verband „CO2 Value Europe“ ausgeschriebenen Award hat Covestro den dritten Platz erlangt. Die drei Gewinner wurden online von den Teilnehmern der „9th Conference on CO2-based Fuels and Chemicals“ bestimmt.

Auf den ersten Platz des „Best CO2 Utilisation 2021“ kam Carbon Recycling International (CRI). Die isländischen Pioniere skalieren ihre Methanol-Produktion aus CO2-Emissionen inzwischen weltweit hoch. Den zweiten Platz erzielte das US-Unternehmen LanzaTech. Es stellt Methanol mithilfe von Mikroorganismen aus Abgasen von Stahlwerken her.

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