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Damit Gruppenarbeit klappt, müssen Facharbeiter ran

Moderne Arbeitsformen sind kein Allheilmittel
Damit Gruppenarbeit klappt, müssen Facharbeiter ran

Gruppenarbeit und Einzelarbeit? Während sich der Automobilkonzern Daimler-Chrysler wieder auf die Einzelarbeitsplätze besinnt, forcieren die Maschinenbauer die Arbeit in Teams.

Monika Etspüler ist Journalistin in Sindelfingen

Die Gruppenarbeit gehört zu den erfolgversprechendsten Arbeitsformen – vorausgesetzt natürlich, sie ist mit den Produktionsabläufen in Einklang zu bringen. Diese Überzeugung hat sich nicht nur in der Maschinenbaubranche durchgesetzt, wo kleine Stückzahlen und individuelle Fertigung dominieren. Auch die Großindustrie, allen voran der Fahrzeugbau mit seiner Serienproduktion, hat über Jahre hinweg die Gruppenarbeit forciert.
Doch trotz Erfolgsmeldungen scheint sich der Automobilkonzern Daimler-Chrysler mittlerweile eines anderen zu besinnen. Zunächst in den Werken Sindelfingen und Bremen soll im Rahmen des neuen Mercedes-Benz-Produktionssystems die Gruppenarbeit wieder stärker reduziert werden. Geplant ist, diese Entwicklung längerfristig auch auf weitere Produktionsstätten zu übertragen.
Das Mercedes-Benz-Produktionssystem der Daimler-Chrysler AG, Stuttgart, kurz MPS genannt, kombiniert die traditionelle Fließbandarbeit mit dem Prinzip der Gruppenarbeit. „Ziel ist es, die Prozesse so zu standardisieren, dass sie auf jedes andere Pkw-Werk übertragbar sind”, so Enrico Müller, zuständig für Unternehmenskommunikation im Konzern. Wie sich zeigte, seien die Tätigkeiten durch die Gruppenarbeit so kompliziert und komplex geworden, dass beispielsweise in den Ferienmonaten, in denen auf viele Aushilfskräfte zurückgegriffen werden muss, die Produktion gelitten habe.
Wesentliches Merkmal des MPS-Systems ist ein Modulkonzept, das erst einmal bei der neuen C-Klasse realisiert wird. Verschiedene Bauteile und Komponenten werden nicht mehr am laufenden Band, sondern abseits der Montage hergestellt, komplettiert und getestet. Beispielsweise wird die Heckscheibe vor dem Einbau in das Fahrzeug mit sämtlichen Antennen- und Elektroniksystemen ausgestattet. Diese Aufgabe übernehmen Fachkräfte, die in einem vom Montageband entkoppelten Arbeitsbereich alle dafür notwendigen Handgriffe ausfahren und schließlich das komplette Heckscheiben-Modul an die Fertigung liefern.
Maschinenbauer setzen nach wie vor auf Teamarbeit
Ein weiterer wichtiger Aspekt des neuen Mercedes-Benz-Produktionsystems ist seine Logistik. “Jedes Bauteil soll automatisch exakt zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle sein. Das verbessert die Übersicht am Arbeitsplatz, reduziert die Laufwege der Mitarbeiter und verringert die Kosten der Lagerhaltung”, erklärt Enrico Müller.
In der Maschinenbaubranche scheint der Trend hin zur Gruppenarbeit ungebrochen zu sein. Das zumindest belegen Äußerungen von Mitarbeitern der Emag Maschinenfabrik GmbH, der Trumpf GmbH + Co, der Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH und der Gebr. Leitz GmbH & Co.
Manfred Hekeler, zuständig für Marketing und Kommunikation bei der Emag Maschinenfabrik GmbH, Salach: „Gruppenarbeit ist nur mit erstklassigen Facharbeitern möglich, denn diese Arbeitsform beinhaltet die Delegation von Verantwortung nach unten. Das kann nur funktionieren, wenn die Mitarbeiter wissen, was sie tun, und warum sie es tun.
Emag war 1992 nach eigenen Angaben der weltweit erste Hersteller der mit einer vertikalen Pick-up-Drehmaschine auf den Markt kam. Der schnelle Erfolg der neuen Maschinengeneration erforderte auch eine neue Denkweise im Unternehmen: So wurde 1994 die Gruppenarbeit eingeführt und die Mitarbeiter in mehrere regionalorientierte Teams aufgeteilt. Jedes Team repräsentiert das ganze Leistungsspektrum des Unternehmens.
Als Resultat verzeichnete das Unternehmen einen enormen Wachstumsschub. 1988 machte die Emag-Gruppe noch mit rund 1000 Mitarbeitern einen Umsatz von 240 Mio. DM. Im vergangenen Jahr erbrachte die Gruppe mit 900 Mitarbeitern und 70 Auszubildenden eine Leistung von 350 Mio. DM. Das Ziel, das sich das Unternehmen für dieses Jahr gesetzt hat, liegt, nach Angaben von Manfred Hekeler, bei 380 Mio. DM.
Bei der Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH, Nürtingen, wurde mit der Organisation der Gruppenarbeit vor zwei Jahren begonnen. Inzwischen ist sie im Produktionsbereich durchgängig eingeführt. „Früher sah das ganz anders aus“, erinnert sich Manfred Fröhner, Personalleiter bei Heller. „Da agierte jeder für sich allein. Heute sind 700 von rund 1500 Mitarbeitern im Team beschäftigt, und als nächstes wollen wir die Gruppenarbeit auch auf den Angestelltenbereich ausweiten.“
Ziel muss es sein, die Verantwortung so weit wie möglich nach unten zu delegieren. Die Gruppe übernimmt also Aufgaben, die zuvor von höherer Stelle aus organisiert wurden. Konkret heißt das, dass die Arbeitsorganisation überwiegend in der Hand der Mitarbeiter liegt. Zum Teil geht die Selbstorganisation so weit, dass das Material direkt von der Gruppe beim Lieferanten bestellt wird.
Mit dieser Umstrukturierung hat sich auch die Rolle des Meisters gewandelt. Er hat heute mehr die Aufgabe des Koordinators. Zum Beispiel stellt er das Bindeglied zur Konstruktionsabteilung dar. Auf den betrieblichen Ablauf hatte das einen sehr positiven Effekt.
Umfragen bei Heller bestätigen, dass die Gruppenarbeit einen hoben Akzeptanzgrad unter den Mitarbeitern hat. „Inzwischen gibt es auch Überlegungen, ein gruppenbezogenes Entgeltsystem auf die Beine zu stellen, doch das erweist sich“, so Fröhner, „als ein recht schwieriges Unterfangen. Unsere Planung sieht vor, dass bis Mitte nächsten Jahres die Umstrukturierungsmaßnahmen abgeschlossen sind.“
Auch bei der Gebr. Leitz GmbH & Co., Oberkochen, wurde in verschiedenen Bereichen die Gruppenarbeit erfolgreich eingeführt. “Ob unsere Mitarbeiter in der Gruppe arbeiten, hängt sehr stark von den jeweiligen Bearbeitungstechniken ab, die wir zur Herstellung unsere Präzisionswerkzeuge einsetzen“, erläutert Personalleiter Dieter Döllken. „Bis zu ihrer Fertigstellung durchlaufen die Werkzeuge eine Vielzahl von Arbeitsschritten, dazu gehören beispielsweise Drehen, Fräsen, Bohren und Schleifen. Wir benötigen dafür die entsprechenden Spezialmaschinen und natürlich die Spezialkenntnisse unserer Mitarbeiter.“ Von diesen Faktoren hänge es seiner Meinung nach ab, inwieweit Gruppen- oder Einzelarbeit zum Tragen kommen; wobei, insgesamt betrachtet, die Tendenz ganz klar in Richtung Gruppenarbeit gehe.
Für das Unternehmen ist es jedoch sehr wichtig, zwischen Serien- und Sonderfertigung zu unterscheiden, sowie die Schnittstellen optimal zu definieren. Dabei darf die Gruppenarbeit nicht zum Selbstzweck werden, sondern muss den Arbeitsinhalten angepasst sein. „Gruppenarbeit kann nur dann funktionieren, wenn die Selbstverantwortung der Mitarbeiter für Qualität, Kosten und Termine gefördert wird und diese größere Eigenverantwortung dazu führt, dass sie die Unternehmensziele zu ihren eigenen machen“, ist sich Dieter Döllken sicher. Nur so könne sie sich zum Werkzeug für eine kundenorientiertere, rationellere und somit preiswertere Produktion entwickeln.
Auch Trumpf setzt auf Gruppenarbeit, so weit dies vom Produktionsablauf her möglich ist. „Gruppenarbeit ist für uns ein ganz wichtiges Mittel, um die Mitarbeiter in die stetige Veränderung betrieblicher Abläufe zu integrieren“, beschreibt Wolfgang Huber, Leiter der Montage der Stanz-Lasermaschine TC600L, die Situation bei Trumpf in Ditzingen. „Zum Beispiel haben wir 1998 in Ditzingen mit dem Veränderungsprojekt Synchro begonnen, das jetzt Zug um Zug auch in unseren anderen Produktionstätten eingeführt wird.“ Durch Synchro – der Begriff leitet sich von Synchronisation ab – sollen Mensch, Maschine, Material und Markt optimal aufeinander abgestimmt werden. Eines der wesentlichen Elemente von Synchro ist die Umstellung von der im Werkzeugmaschinenbau klassischen Standplatzmontage auf Fließmontage – und natürlich die Gruppenarbeit. Indem die Maschine zum Menschen kommt und nicht umgekehrt, wurden zwar die Arbeitsinhalte reduziert das heißt, der einzelne Mitarbeiter verbringt jetzt weniger Zeit an einer Maschine zu als früher. Dafür aber fällt bei Trumpf den Gruppen eine größere Verantwortung für Logistik und Materialbeschaffung zu – neben der Optimierung der Arbeitsabläufe ein zweiter, wichtiger Aspekt bei Synchro. „Das Know-how unserer Mitarbeiter fließt voll in diese Optimierungsprozesse ein“, erklärt Wolfgang Huber. „Mit diesem Veränderungsprojekt erreichen wir also mehrere Ziele: Wir verkürzen die Durchlaufzeit in der Montage. Für die kombinierte Stanz-Lasermaschine TC600L benötigt man bei der Standplatzmontage 50 Tage bis zur Fertigstellung, bei der Fließmontage sind es nur noch 20 Tage. Und wir optimieren den Materialfluss und reduzieren außerdem unsere Lagerbestände.“
Industrieanzeiger
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