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Das Geheimnis des HF-Erfolges: Runder Lauf bringt „Good Vibrations“

Schleifwerkzeuge im Vergleich: Hochfrequenz- versus Druckluftgeräte
Das Geheimnis des HF-Erfolges: Runder Lauf bringt „Good Vibrations“

Was ist besser: Druckluft- oder Hochfrequenzschleifen? Die Geister scheiden sich, Anbieter und Anwender haben unterschiedliche Meinungen. Die Robert Bosch GmbH, die lange Zeit ihre HF-Sparte vernachlässigte, plant ein Revival dieser Anwendung. Atlas Copco Tools hält mit seinen Turbinenschleifern dagegen.

Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Preuß

Hochfrequenz(HF)-Elektrowerkzeuge sind im Hinblick auf ihre Investitions-, Wartungs- und Energiekosten um bis zu 12 % günstiger als vergleichbare druckluftbetriebene Werkzeuge. Das sagt Michael Gänzler, Vertriebsleiter Industriewerkzeuge der Robert Bosch GmbH in Stuttgart.
Die druckluftbetriebenen GTG-Turbinenschleifer sind die leistungsstärksten handgeführten Schleifer, die je gebaut wurden und viel besser als HF-Werkzeuge: Das behauptet die Atlas Copco Tools GmbH in Essen.
Wer hat Recht? Zugegeben, der Vergleich ist ein bisschen unfair. Als „vergleichbare“ Druckluftwerkzeuge gelten zunächst solche mit Lamellenmotor, die in der Industrie verbreitet sind. Seit ein paar Jahren bietet Atlas Copco daneben mit dem Turboschleifer ein – auf jeden Fall im Druckluftbereich – konkurrenzloses Werkzeug an, mit dem sich die Schleifkosten um 30 % reduzieren lassen, wie der Hersteller jedem Interessierten auf Anfrage „garantiert nachweist“.
Der Industrieanzeiger wollte es genauer wissen. Eines der wichtigsten Argumente des Bosch-Vertriebsleiters Michael Gänzler, der seine Aussagen mit einer Studie einer Technischen Universität belegen kann, die leider anonym bleiben möchte: Hochfrequenz-Schleifer weisen bei ansteigender Leistung nur einen geringen Drehzahlabfall auf: „Die Maschinen verlieren nur drei bis fünf Prozent, aber bei geregelten Druckluftwerkzeugen fällt die Drehzahl schon vor Erreichen der Spitzenleistung um 12 bis 15 Prozent ab.“
Das Problem dabei: Wenn nicht mit einer konstanten Drehzahl gearbeitet wird, erhöht sich der Scheibenverschleiß. „Weil die HF-Werkzeuge immer mit der optimalen Drehzahl schleifen, liegt dieser Verschleiß um bis zur Hälfte niedriger“, erklärt Gänzler. Je mehr der Werker beim Arbeiten mit Druckluftmaschinen andrücke, umso weniger drehe sich die Scheibe. „Dadurch arbeitet er eigentlich nie im Optimum.“ Die Folge sei ein höherer Scheibenverbrauch und ein unrunderer Lauf – weil sich die Scheibe nicht optimal abnutze.
In diesem Zusammenhang empfiehlt der Experte, unabhängig von der Art des Antriebs, auf gute Scheibenqualität zu achten. Dabei kommt es etwa auf exakt zentrische Lochung und gleichmäßige Scheibendicke an allen Stellen an. „Sonst läuft die Scheibe nicht rund, und die Abtragsleistung geht sofort in den Keller“, weiß Gänzler. Nur bei konstanter Drehzahl löse sich die Körnung auf der Scheibe automatisch, schärfe diese sich automatisch nach. Andernfalls stumpfe die Scheibe ab. „Schlimmstenfalls setzt sich das Schleifmittel zu, wenn zum Beispiel an Aluminium mit der falschen Drehzahl gearbeitet wird und dadurch das Material wegschmilzt“, warnt der Jungmanager vor Schmiereffekten.
Der Vergleich mit druckluftbetriebenen Schleifgeräten offenbart gemäß der genannten Studie, die der ebenfalls in Stuttgart ansässige Wettbewerber C. & E. Fein GmbH & Co. übrigens in einer Broschüre übersichtlich zusammengefasst hat, auch große Unterschiede in der Energiebilanz. HF-Geräte, die beispielsweise 2,5 kW leisten, verursachen bei 0,15 DM/kWh Strom und 2400 Einsatzstunden im Jahr 900 DM Energiekosten. Addiert man 50 % für den Umformer, der den 50-Hz-Strom aus der Steckdose auf die 200 oder 300 Hz bringt, die für die Hochfrequenz-Elektrowerkzeuge erforderlich sind, ergeben sich 1350 DM. Pneumatisch betriebene Lamellenschleifer benötigen bei gleicher Leistung 166 m3 Druckluft. Bei 0,03 DM/m3 Druckluft und vorsichtig angesetzten 10 % Verlust durch Leckagen im Netz kommt ein einziger Druckluftschleifer auf rund 13 000 DM im Jahr.
Der Unterschied mutet unglaublich an. Trotzdem sagt Mark Vierbaum, Fertigungsleister Eisenguss der Thyssen Umformtechnik + Guss GmbH in Mülheim an der Ruhr: „Die Energiekosten interessieren mich gar nicht! Wichtiger ist die Verfügbarkeit, die sich auch auf die Personalkosten auswirkt. Wenn wir die berechnen, fallen die Energiekosten überhaupt nicht mehr ins Gewicht.“ Das Unternehmen produziert Großgussteile bis 160 t, beispielsweise für Kunststoff-Spritzgießmaschinen oder den allgemeinen Maschinenbau.
Nach dem Gießen müssen, etwa bei 83-t-Zylinderblöcken, Transportnocken und Grate abgetrennt werden. Für diese und andere Anwendungen hat Thyssen vor zwei Jahren neue Werkzeuge eingeführt: „Früher hatten wir zwischen 30 und 35 Hochfrequenzmaschinen im Betrieb, jetzt nur noch 15 oder 20. Dafür setzen wir nun 16 Turboschleifer ein.“ Anbieter dieser Werkzeuge vom Typ GTG 40 ist die Essener Atlas Copco Tools GmbH. Das Unternehmen nimmt für sich in Anspruch, dass die Geräte, die 4,5 kW Dauerleistung bringen, nur halb so schwer und nur ein Drittel so groß sind wie vergleichbare HF-Schleifer. Die HF-Werkzeuge würden zwar in der Spitze eine höhere Leistung bringen, weil man sie überlasten könne, schalteten dann aber wegen Überhitzung ab.
Vor allem das geringere Gewicht ist ein Argument pro Druckluftschleifer. Die Putzer im Thyssen-Werk „arbeiten mit den Geräten zu 90 Prozent gegen die Schwerkraft“, wie Vierbaum überschlägt. Das heißt, sie trennen Grate an Turbinen- oder Motorteilen seitlich oder über Kopf. „Mit ein oder zwei Kilo leichteren Werkzeugen arbeitet die Kollegen viel ergonomischer“, sagt Vierbaum, und Bosch-Mann Michael Gänzler kann da nicht widersprechen. Wenn aber nach unten gearbeitet wird, wenn also die Werkzeugmasse mitarbeiten kann, haben die schwereren HF-Geräte Vorteile. Wobei es allerdings auch für Über-Kopf-Arbeiten Lösungen gibt: So lassen sich die Maschinen unter Umständen an einer Schiene aufhängen, wodurch das Gewicht nicht ins Gewicht fällt.
Mark Vierbaums Mitarbeiter hätten angesichts der neuen Maschinen anfangs trotz der geringeren Masse die Nase gerümpft. „Aber die lehnen Neuerungen meistens erst mal grundsätzlich ab.“ Bei den Turboschleifern dauerte es dann allerdings gar nicht lange, bis die Kollegen überzeugt waren. „Die Leute nutzen heute freiwillig die GTG, auch wenn in der Halle noch HF-Schleifer liegen“, hat der Fertigungsleiter sogar festgestellt.
Die ersten Versuche liefen vor etwa fünf Jahren an, angeregt – und so etwas freut den Redakteur – durch einen Bericht in dieser Zeitschrift über einen ähnlichen Fall. Mit der Umstellung selbst wurde dann vor zwei Jahren begonnen. Dazwischen lag auch Überzeugsarbeit. Wolfgang Wietecka, Betriebsleiter der Putzerei, hat da einiges geleistet. Aber er gibt zu: „Nachdem wir ein oder zwei Leute überzeugt hatten, verkaufte sich die Maschine von allein an die anderen 40 Mitarbeiter.“
Abgesehen von dem leichteren Gewicht, nennt Wietecka weitere handfeste Vorteile. Die Trennversuche mit beiden Gerätetypen hätten bei Thyssen Folgendes ergeben: Wurden von 100 mm dicken Rundeisen aus Sphäroguss (mit Kugelgraphit versetzt) Scheiben von 10 oder 15 mm Breite abgetrennt, so verlor eine 230-mm-Schleifscheibe 5 mm ihres Durchmessers, wenn sie an einem GTG-Werkzeug saß. An einem HF-Schleifer eingesetzt, nutzte sich der Rand um 12 mm ab. Bei Gusseisen mit Lamellengraphit sah es etwas anders aus, aber die Tendenz blieb: An Hochfrequenz-Geräten verbrauchten die Scheiben 11 mm Durchmesser, an GTG-Turboschleifern nur 8 mm.
„Dazu kommt, dass man die GTG nicht abwürgen kann“, wie Wolfgang Wietecka feststellt. Außerdem, so der Putzerei-Leiter, „können unsere Männer mit den HF-Schleifern nur acht bis zwölf Minuten am Stück arbeiten. Dann brauchen die die gleiche Zeit Pause, um abzukühlen.“ Die Werkzeuge, versteht sich, nicht die Männer. Das führte nach Angaben des Thyssen-Mitarbeiters dazu, dass die Leute zwei Geräte benötigten, schließlich wollten sie ja nicht tatenlos in der Halle herumstehen. „Aber es besaß nicht jeder zwei Maschinen, sondern man musste sich die zweite erst suchen, wenn man damit arbeiten wollte.“ Das war dem Chef ein Dorn im Auge, verging so doch unproduktive Zeit.
Ein Dorn im Auge war ihm auch die Reparaturanfälligkeit der HF-Schleifer. „Die sind alle sechs bis acht Wochen ausgefallen“, versichert Wietecka, „und mussten dann eingeschickt werden.“ Jedes Mal seien 600 bis 800 DM an Reparaturkosten angefallen. Die neuen GTG-Schleifer dagegen können im Hause gewartet werden: Dafür wurde ein Mann eigens bei Atlas Copco geschult. Beispielsweise ist alle sechs Wochen ein Ölwechsel fällig, weil das Getriebe im Ölbad läuft. Insgesamt fallen nach Aufzeichnungen des Betriebsleiters 160 DM pro Maschine und Monat an.
An dieser Stelle klärt Bosch-Vertriebsleiter Michael Gänzler auf: „Die HF-Motoren sind wartungsfrei, solange man sie nicht überlastet. Das einzige, was kaputtgehen kann, ist das Getriebe. Aber das gilt für Druckluft- genauso wie für Hochfrequenzwerkzeuge.“ Werde das Getriebe nicht regelmäßig gewartet, speziell also das Fett ausgetauscht, dann würden Reparaturen nötig. Doch ein bisschen mehr oder weniger Fett im HF-Getriebe beeinträchtige den Lauf nicht. Von den Turboschleifern dagegen gebe es ganz extreme Beispiele: „Wenn das Getriebe nicht geölt ist, nimmt das aufwendige Lager sofort Schaden.“ Und eine solche Reparatur belaufe sich auf etwa 3000 DM – mehr, als eine HF-Maschine überhaupt kostet.
Als weiterer Kostenfaktor müssten bei Druckluftanlagen die Wartungskosten des Kompressorantriebs und der Leitungssysteme berücksichtigt werden, die immerhin ein paar Tausend Mark pro Jahr ausmachten. „Die Frequenzumformer für HF dagegen benötigen fast keinen Service“, so Gänzler.
Die nächste Schleifer-Serie, die Bosch auf den Markt bringt, wird einige Features enthalten, die den HF-Markt geradezu pushen soll. So stattet Bosch die Geräte mit Überlastschutz und einem neuen Handgriff aus, der die Vibrationen des Werkzeugs senken soll. Solche Vibrationen treten beim Schleifen regelmäßig vor allem durch Unwuchten in den montierten Schleifmitteln auf. Aber auch schwankende Dicken der Scheiben können Unwuchten hervorrufen. Im Ergebnis führt das zu einer Flatterbewegung der Schleifmaschine, die der Werker abfangen muss – zusätzlich zu den Vibrationen, die beim Schleifen selbst entstehen.
Statischer Umrichter bringt Dynamik in den Markt
Das Schlimme daran: In den Händen und Fingern spüren die Mitarbeiter ein mehr oder weniger starkes Kribbeln, womöglich eine gewisse Taubheit. Auf Dauer kann die so genannte Weißfingerkrankheit entstehen, bei der ein oder mehrere Finger weiß werden, auch wenn man gerade gar nicht schleift, sondern draußen einen Schneemann baut. Dies kann zu einem Gefühlsverlust führen und die Hände für bestimmte Aufgaben unbrauchbar machen. Die Vibrationen, die beim Schleifen auftreten, können sogar das gesamte Hand-Arm-Skelett in Mitleidenschaft ziehen.
Kein Wunder also, dass alle Hersteller versuchen, diese Vibrationen in den Griff zu bekommen. Atlas Copco hat einen großen Schritt mit dem Autobalancer getan, das sind lose, auf einer Kreisbahn im Werkzeug angeordnete Kugeln, die beim Schleifen die Unwucht einigermaßen ausgleichen. Ob der neue Zusatzgriff von Bosch – gummigelagert und mit Anti-Rutsch-Beschichtung – eine bessere Wirkung erzielt, bleibt abzuwarten.
Doch die Stuttgarter haben noch ein weiteres Ass im Ärmel, über das Michael Gänzler noch gar nicht recht sprechen mag. Das Unternehmen wird im Laufe des Jahres mit einem statischen Frequenzumformer für den HF-Bereich auf den Markt kommen, der Einzelplatzlösungen erlaubt. Damit verlässt Bosch den Systemgedanken und will auch Anwendern entgegenkommen, die nur wenige Schleifplätze haben.
Das senkt die Investitionskosten erheblich, die laut Gänzler aber ohnehin unter denen eines Druckluftsystems liegen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass in einem Betrieb schon ein Druckluftnetz vorhanden sei, lägen die HF-Kosten niedriger. Und stehe eine komplette Neuinvestition bevor, so seien für eine auf 15 Schleifer ausgelegte HF-Peripherie mit Umformer, Schaltschränken, Kabelnetz, Installation und Steckdosen nur 20 000 DM zu veranschlagen. Das Druckluft-Pendant komme mit Kompressor, Windkessel, Lufttrockner, Rohrnetz inklusive Installation und Wartungseinheiten auf 120 000 DM.
Dennoch schreckte mancher potenzielle Kunde noch vor den Kosten zurück. Denn die herkömmlichen dynamischen Umformer sind leider für mehrere HF-Geräte ausgelegt, die aber gar nicht immer benötigt werden. „Der neue Umrichter erlaubt es aber“, so verspricht Gänzler, „die Arbeitsplätze sehr schnell umzubauen.“ Denn er sei kleiner, könne leicht in einen Schaltschrank eingebaut werden und stehe nicht im Weg. Außerdem sende er keinen Elektrosmog mehr aus wie ältere statische Umrichter, bei denen Telefon oder Laptop gestört wurden und die Gefahr bestand, etwa in einem Automobilwerk die gesamte Fertigungssteuerung lahmzulegen. Dieser neue Umrichter soll dem HF-Markt einen richtigen Kick geben.
Industrieanzeiger
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