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„Datenvolumen zur Steuerung des Materialflusses sinkt um die Hälfte“

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„Datenvolumen zur Steuerung des Materialflusses sinkt um die Hälfte“

„Datenvolumen zur Steuerung des Materialflusses sinkt um die Hälfte“
Georg Trummer, bei Siemens verantwortlich für die Technische Entwicklung im Industriebereich, künftig firmierend als Dematic GmbH:
Logistics Manufacturing Execution Systems lautet das neue Zauberwort der künftigen Siemens-Tochter Dematic. LMES ermöglichen eine bessere Rückverfolgbarkeit und eine effizientere Produktion, sagt Siemens-Experte Georg Trummer.Wir sprachen mit ihm auch über die Vision eines dezentral gesteuerten Materialflusses.

Das Interview führte Thomas Preuß, Journalist in Stuttgart

Herr Trummer, im Sommer haben Sie angekündigt, „die Mauern einzureißen“ zwischen LES- und MES-Ebene. Die neue, durchgängige Systemarchitektur für die Logistik nennen Sie LMES, Logistics and Manufacturing Execution Systems. Welche Vorteile ergeben sich daraus für den Anwender?
LMES verbinden nahtlos alle Prozesse in der Produktion und Logistik, von der Eingangslogistik über die Fertigungssteuerung bis zur Ausgangslogistik und der Distribution der Waren. Sie verbessern die Rückverfolgbarkeit über die Supply Chain, das Tracking & Tracing. Aber auch in der Produktion ergeben sich Vorteile, etwa für die Analyse von Maschinen oder Fertigungslinien. Die Software ermöglicht es uns, Key-Performance-Indikatoren abzuleiten, um so Anlagenverfügbarkeit oder Energieverbrauch zu optimieren.
Ab wann werden LMES verfügbar sein?
Die Basis für LMES legt die in vielen Betrieben vorhandene Simatic-IT. Auch die wesentlichen Komponenten für ein globales Warehouse-Control-System sind verfügbar. LMES sind keine Neuerfindung, sondern eine Kombination bestehender Systeme. Mit der Adaption an unser Warehouse-Control-System können Anwender Ende des Jahres rechnen.
Auf welche Kosten muss man sich einstellen?
Dazu müssen zunächst die Geschäftsprozesse des Kunden analysiert werden, ehe wir eine Aussage für den konkreten Fall treffen können.
Können Kunden ihre eigene IT-Struktur behalten, oder benötigen sie gegebenenfalls neue Module?
Wir müssen mit dem Kunden zusammen entscheiden, ob es sich rentiert, unser System zusätzlich einzuziehen, ob wir es an die bestehende Struktur adaptieren oder ob es besser ist, das alte System vollständig durch unseres zu ersetzen. Im Regelfall rentiert sich eine LMES-Lösung. Der Kunde erhält ein auf seine Bedürfnisse abgestimmtes System – auf Standards basierend –, das zukunftsfähig ist und mit neuen Add-ons aufgerüstet werden kann.
Muss der Anwender während der Umrüstung mit Produktionsunterbrechungen rechnen?
Wir können das System während der laufenden Produktion einziehen. Unterbrechungen lassen sich so einplanen, dass die Fertigung nicht aufgehalten wird.
Für welche Unternehmensgrößen ist das interessant?
Für alle. Besonders viele Vorteile zieht man daraus, wenn es in der Distribution, bei der Verteilung der Produkte, zu Eigentümer- oder Standort-Wechseln kommt. Dafür muss ein Unternehmen gar nicht global agieren; es reicht schon, wenn jemand in Deutschland drei Standorte hat, die vernetzt werden müssen. Wer ein Hauptquartier, eine Produktionsstätte und ein Distributionszentrum hat, muss seine Ware ja verfolgen können.
Wo liegt das Problem bei dem Eigentümerwechsel der Ware?
Bislang beschränken sich die IT-Lösungen in der Industrie, im Warehousing oder in Distributionszentren auf die „eigenen vier Wände“. Aber wenn ein Produkt in der Distribution vom Hersteller zu einem Händler oder Endkunden übergeht, es also ständig jemand anders gehört, muss das in der Datenwelt berücksichtigt werden. Es gibt neue Orte und Unterbrechungen des Eigentums. Diese Dinge müssen vernetzt und getrackt werden. Das ist heute noch teilweise ungelöst. In den nächsten zehn Jahren werden sich die Fragen der globalen Vernetzung von Standorten und des Eigentümerwechsels häufiger stellen. Diese Funktionen müssen ERP und LMES übernehmen.
Zurück zum LMES: Ist es im Hinblick auf die horizontale Integration über die Supply Chain von Bedeutung, welche IT-Struktur Lieferanten und Kunden eines Unternehmens haben?
Das ist nicht relevant,weil die LMES-Simatic-IT eine offene Schnittstelle bietet. Die Adaption funktioniert fast immer.
Ein anderes Thema: Mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik arbeiten Sie am selbststeuernden Materialfluss …
… und daran, eine einheitliche IT-Welt über die Distribution und das Manufacturing zu legen.
Ist es denkbar, dass diese Forschung darin mündet, dass das ERP-System die Steuerung des Materialflusses übernimmt und damit die mittlere IT-Ebene – also LMES – entfällt?
Da habe ich eher die entgegengesetzte Vision: Die RFID-Technik mit immer mehr Intelligenz in den Transponder-Chips führt dazu, dass im Materialfluss immer mehr Entscheidungen auf Automatisierungsebene getroffen werden. In fünf bis zehn Jahren werden wesentliche Funktionen aus der Materialfluss-Steuerung in die Steuerungsebene wandern und die IT entlasten, also LMES- und ERP-Lösungen. Diese Systeme können sich dann mit dem Eigentümerwechsel befassen. Aber Automatisierungskomponenten und Sensor-Aktor-Ebene werden an Komplexität und Bedeutung zunehmen.
Geht diese Dezentralisierung der Steuerung nicht zu Lasten der Wiederauffindbarkeit? Das Förderband-Modul weiß zwar, es muss das Produkt x, das gerade vorbeikommt, an der nächsten Weiche nach links ausleiten. Aber was passiert, wenn dieses herunterfällt?
Die Steuerungsfunktionen werden aus dem Materialflussrechner herausgehen, aber ihm bleibt auf jeden Fall die Kontrolle, wo sich jedes Teil befindet. Ebenso bleibt die Schnittstelle der Fördertechnik-Module zum LMES, wo die Tracking-und-Tracing-Informationen hinterlegt sind.
Dafür müssen wohl vom Lesegerät, das ja das Paket steuert, Daten zurück zum Materialflussrechner fließen?
So ist es. Dieser Rechner bleibt vorhanden und kommuniziert mit dem Fördergut. Man kann sich das vorstellen wie ein Navigationssystem beim Auto: Das Paket trägt einen intelligenten Tag mit einer Zielinformation. Mit diesem eigenen Rechner bewegt es sich autonom in der gesamten Materialfluss-Strecke und erhält unterwegs Signale, wo es sich gerade befindet. Den Standort meldet es an den Materialflussrechner. Aber wegen der dezentralen Intelligenz der Automatisierungskomponenten kann sich die Ware auf der Strecke selbst steuern. Sie kennt das Ziel und findet auch Umwege selbst.
Um welchen Anteil sinkt das Datenvolumen, das zwischen allen Ebenen hin- und hergeschickt werden muss?
Wenn der Materialflussrechner nicht mehr den Materialfluss berechnet und bestimmt, sondern nur noch Ziele vorgibt und kontrolliert, könnten die Datenströme schätzungsweise um die Hälfte sinken.
Muss ein Minimum an übergeordneter Steuerungsinstanz vorhanden bleiben?
Ich glaube schon, dass sie da sein muss. Es ist nur die Frage, ob diese Instanz auf Automatisierungs-, also PLC-Niveau, oder auf LMES-Ebene liegt.
Aus derzeitiger Sicht ist noch beides denkbar?
Ja. Die Entwicklung hängt sehr stark von der Philosophie ab, die Anlagenbauer und Systemintegratoren vertreten, und davon, wie es ein Kunde haben möchte. Das ist wie in der Logistik: Da gibt es dezentrale Lager, zentrale Lager und Mischformen. Genauso wird es zwischen LMES und PLC-Ebene sein. Letztlich entscheidet der Kunde mit seinem Systemintegrator.
Wenn man das alles bedenkt und mal zehn Jahre in die Zukunft schaut: Graben Sie sich nicht selbst das Wasser ab, weil ja weniger IT benötigt wird?
Mit RFID und der dezentralen Steuerung braucht ein Warehouse-Management-System natürlich weniger Funktionalitäten als heute. Diese Dezentralisierung wirkt sich wahrscheinlich auch auf die ERP-Ebene aus. Die Herausforderung für LMES und ERP wird aber eher der Wechsel des Eigentümers sein, der Wechsel der Produktionsstätten, die Globalität. Hier wird es zu wesentlich stärkeren Vernetzungen kommen. Das wird sicher eine Verschiebung in der IT-Struktur bewirken.

Weitere Informationen:

Siemens ist auf der Messe Cemat zu finden in Halle 27, Stand H32.
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