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Der Griff zur Flasche ist schwerer als Schach

Die verkehrte Welt der Service-Roboter
Der Griff zur Flasche ist schwerer als Schach

Der Griff zur Flasche ist schwerer als Schach
Mona, rechts im Bild, begrüßt die Besucher bei Opel in Berlin und führt sie zu den Fahrzeugen. Falls die Gäste nicht folgen, bricht sie die Führung selbstständig ab (Bild: Fraunhofer IPA)
Service-Roboter sind voll im Trend. Die Maschinen putzen Glasfassaden blank und saugen selbst hartnäckige Katzenhaare vom Teppich. Doch bei belanglosen Handgriffen läuft ihnen der Prozessor heiß.

Von unserem Redaktionsmitglied Uwe Böttger uwe.boettger@konradin.de

In seinen Berliner Ausstellungsräumen beschäftigt der Automobilhersteller Opel seit neuestem Mitarbeiter der besonderen Art. Zwei Service-Roboter des Fraunhofer Instituts Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart fahren dort während der Öffnungszeiten selbstständig umher. Ihre Aufgabe: Die Besucher unterhalten und informieren.
Der weibliche Roboter trägt den Namen Mona – die ansprechende Kurzform für „Multifunktionale Opel Navigatorin“ – und ist der ausgeglichene und eher ruhige Gegenpol zu Oskar. Nur hin und wieder kann auch sie ihre Begeisterung für die Marke Opel und die Ausstellung nicht unterdrücken. Mona wird hauptsächlich im Modus „Führung zum Ausstellungsbereich“ betrieben. Sie begrüßt die Besucher im Eingangsbereich und führt sie zu den Fahrzeugen. Falls die Gäste dem Roboter nicht folgen, wird die Führung abgebrochen.
Der männliche Roboter heißt „Oskar“, hat Humor und weckt auf Anhieb die Sympathien der Menschen. Oskar repräsentiert die emotionale Seite der Marke Opel. Er ist ein aufgeweckter Zeitgenosse, der die Besucher unterhält und auch mal gerne ein Späßchen macht. Oskar wird hauptsächlich im Modus „Animation“ betrieben. Dabei fährt er durch den Ausstellungsbereich neben dem Eingang.
Während der Animation ist der Touchscreen des Roboters aktiviert. Falls Oskar einen Besucher in der Nähe erkennt, fordert er diesen durch Sprachausgabe auf, den Touchscreen zu berühren. Über das I/O-Medium kann sich der Kunde Informationen zur Ausstellung und zur Firma Opel anzeigen lassen.
Die mobilen Plattformen der Roboter sind mit zwei motorisierten Rädern und drei Stützrollen ausgestattet und fahren mit einer Geschwindigkeit von maximal 0,4 m/s. Acht Batterien erlauben eine durchgängige Betriebszeit von über 10 h. Die Steuerungssoftware läuft auf einem handelsüblichen Industrie-PC. Die zweidimensionalen Laserscanner an Vorder- und Rückseite dienen als Augen. Mit ihrer Hilfe nehmen die Roboter ihre Umgebung wahr, lokalisieren sich und planen die Fahrtroute. Während der Installation wurde den Maschinen ihre Arbeitsumgebung in Form einer Umgebungskarte eingelernt. Damit sind Mona und Oskar in der Lage, einen kollisionsfreien Weg von ihrer aktuellen Position zu einem gegebenen Ziel zu berechnen.
Dynamische Hindernisse wie beispielsweise Kunden werden mit Hilfe des Laserscanners erkannt und der errechnete Pfad entsprechend modifiziert. Auf diese Weise kann der Roboter in einem angemessenen Abstand um die Besucher herumfahren. Die zu begrüßenden Kunden werden ebenfalls mit Hilfe der Laserscanner erkannt. Dabei wird der Raum nach Objekten in Form von Beinen durchsucht. Als Kriterien dienen etwa Durchmesser, Form und Abstand. Danach entscheidet der Roboter mit Hilfe seiner integrierten Fuzzy-Logik, bei welchen Umgebungsobjekten es sich um ein Beinpaar und damit um einen Menschen handelt. Bei der Begrüßung kann er zwischen Einzelpersonen und Personengruppen unterscheiden.
Mit dem Modell Care-O-Bot entwickeln die Fraunhofer-Forscher derzeit auch eine rollende Haushalthilfe. Zielgruppe sind Senioren und behinderte Menschen. Mit einem Laserscanner und zwei Kameras im Kopf erkennt die Maschine seine Umgebung und kann auch Entfernungen zu Objekten bestimmen, die er greifen soll. Sensoren in seinen Händen sagen ihm, wie kräftig er zupackt. Auf Befehl bringt Care-O-Bot seinem Herrn auch gerne mal ein Bier: Zuerst scannt er den Raum nach der Flasche ab. Hat er sie gefunden, berechnet er eine Strategie – und das dauert. Der Griff zur Flasche ist für ein Computerhirn komplizierter als Schach. Zum Greifen braucht das Modell derzeit mehr als eine halbe Minute. Mehr Rechenleistung soll den Roboter in Zukunft schneller machen. Institutsleiter Prof. Rolf Dieter Schraft warnt allerdings vor zu hoch gesteckten Erwartungen: „Zwischen einem Menschen und einer Maschine, egal welcher, liegen Welten.“
Der Verkaufsraum wird nach menschlichen Beinen abgescannt
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