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Der Manager auf Zeit hat in der Chefetage den klaren Blick

Interims-Management: Personalengpässe beheben
Der Manager auf Zeit hat in der Chefetage den klaren Blick

Der Ruf nach Troubleshootern ist in Großunternehmen schon Routine. Trotz aller Skepsis setzt auch der Mittelstand zunehmend auf die Kompetenz der Manager auf Zeit.

Brigitte Thurn ist Journalistin in Köln

Sich selbst so schnell wie möglich überflüssig zu machen: Das ist der Job eines Managers auf Zeit. Noch vor wenigen Jahren litt der Berufsstand unter einem eher negativen Image als Brachial-Sanierer. Doch mittlerweile entdeckt der Mittelstand die so genannten Interims-Manager als Feuerwehr, wenn Management-Kapazitäten fehlen.
Sanierung ist eine häufige Aufgabe der freiberuflichen Macher, aber der Arbeitsschwerpunkt hat sich verlagert. Die externen Experten treten oft an, um Engpässe bei strukturellen Veränderungen zu bewältigen. So zum Beispiel beim Börsengang eines Unternehmens, beim Aufbau neuer Geschäftsfelder, bei der Expansion ins Ausland oder der Einführung neuer IT-Systeme. Andere Gründe sind kurzfristig auftretende Führungsvakanzen, krankheitsbedingte Ausfallzeiten, ungeklärte Nachfolgesituationen oder Eigentümerwechsel.
Im Mittelstand wurden früher Zeitmanager allenfalls dann engagiert, wenn es darum ging, einen Auftrag im Ausland zu erledigen, für dessen Abwicklung kein eigener Mitarbeiter eingesetzt werden konnte. Grundsätzlich galt in den kleinen und mittleren Unternehmen die Regel, dass ein Manager fest angestellt sein musste.
Die schlanken Strukturen in den mittelständischen Unternehmen haben große Vorteile. Ein Nachteil ist aber die dünne Personaldecke, die in Krisen zum Hauptproblem werden kann. „Externe Hilfe holen sich viele erst dann, wenn der Leidensdruck wirklich stark ist“, erklärt Jörg A. Müller von der Transearch Cetra Managementberatung GmbH in Stuttgart. Der Headhunter war bis vor kurzem selbst Personalchef der Hirschmann Electronics GmbH & Co. KG in Neckartenzlingen. Wachstumsbedingte Engpässe mussten überwunden, und die Fertigung sollte teilweise verlagert werden. „Als dann noch ein Fertigungsleiter das Haus verließ, war klar, dass die Probleme nicht allein mit eigenen Kräften zu lösen waren“, berichtet Müller. So war er verantwortlich für die Suche nach Führungskräften.
„Ich habe mich im Internet darüber informiert, welche Zeit-Management-Agenturen am Markt sind und Vorschläge eingeholt“, sagt Müller. Die Agenturen bieten dann eine Auswahl von Kandidaten, aus denen der Richtige herausgefunden werden muss, wie Müller berichtet.
Müller checkt dann detailliert, wo der Zeitmanager bisher gearbeitet und welche Erfolge er erzielt hat. Wert legt er auch auf Referenzen. Beim Engagement eines Interimsmanagers sollten dieselben Kriterien gelten wie bei einer Festeinstellung. „Zwar kann man sich von einem Zeitmanager sehr schnell wieder trennen, aber damit ist das Problem, das der Externe lösen sollte, nicht vom Tisch“, gibt Müller zu bedenken.
Die Hirschmann-Gruppe, eine Tochtergesellschaft der Aditron AG, die wiederum zum Konzern Rheinmetall gehört, engagiert seit etwa eineinhalb Jahren zur Überbrückung von Engpässen Manager auf Zeit – zur Zufriedenheit des Vorstands.
Peter Krause ist einer der Interims-Manager. Der Diplom-Ingenieur schied vor zwei Jahren aus gehobener Position aus. Typisch: Ganz freiwillig sind nur die wenigsten Führungskräfte zum Feuerwehrmann geworden. „Ich wollte schon immer selbstständig sein“, betont Krause, „daher habe ich gar nicht erst nach einer neuen festen Anstellung gesucht.“
Ein Externer steht im Unternehmen oft besser da als ein Festangestellter, meint Krause, „er ist nicht in hierachische Kämpfe verwickelt, und ihm wird ein größerer Freiheitsgrad zugebilligt.“ Reizvoll findet der Interims-Mann die Möglichkeit des Wissenstransfers von unterschiedlichen beruflichen Stationen und die schnellen Ergebnisse und Erfolge, die der Job mit sich bringt.
Problemlösung aus dem Stand: Genau darin liegt für viele Interims-Manager der Reiz ihrer Tätigkeit. Sie treten als Einzelkämpfer an und genießen ihre Handlungsfreiheit. Der Preis dafür ist ein 16-Stunden-Tag, Leistungsdruck und ein Leben in Hotels. Im Durchschnitt schlägt der Einsatz des Externen deshalb mit 1000 Euro bis 1500 Euro pro Tag zu Buche, die Obergrenze liegt über 2000 Euro.
Doch das recht hohe Salär kann sich für den Auftraggeber durchaus rechnen. Manager auf Zeit verursachen keine Personalnebenkosten, ihr Engagement ist rein aufgaben- und sachbezogen. Der Kontrakt mit dem Interimsmanager kann zudem kurzfristig – in der Regel innerhalb von zwei Wochen – beendet werden, ohne dass eine Abfindung fällig wird.
Die Spezialisten stehen auf Abruf bereit. Konkret bedeutet das: Innerhalb von ein paar Tagen, spätestens nach vier Wochen packen sie die neue Aufgabe an. Im Unterschied zu Consultants befassen sich die Externen nicht mit Grundsatzanalysen, und sie schreiben keine langen Berichte. Zeitmanager sind Macher, sie liefern Lösungen, keine Theorien.
Krauses bisher kürzester Einsatz dauerte vier Wochen: „Bei einem Automobil-Zulieferer gab es diverse Probleme: von schlechter Wartung des Maschinenparks, falschem Einsatz der Mitarbeiter bis zu den Pausen. Im Grunde mussten lediglich einfache Maßnahmen getroffen werden, um Wirtschaftlichkeit und Funktionalität der Produktion zu gewährleisten.“
Bei Hirschmann unterstützte Krause für fünf Monate den Interims-Fertigungsleiter bei Schwerpunktprojekten in der Qualitätssicherung und brachte Arbeitsvorbereitung und Auftragsabwicklung auf Vordermann. In Kürze wird der Ingenieur bei einem Zulieferer der Ansprechpartner für die Meister sein. Das Unternehmen hat seine zweite Führungsebene zu stark ausgedünnt, wie Krause erklärt.
Die meisten der schätzungsweise 7000 Interims-Manager in Deutschland akquirieren ihre Aufträge nicht selbst, sondern schalten einen Dienstleister ein, dem sie zwischen 20 % und 25 % ihres ausgehandelten Honorars überlassen.
Pionier in der Vermittlung von Zeitmanagern im deutschsprachigen Raum ist die Brainforce AG in Zürich. Die Schweizer sind bereits seit 1979 auf dem Markt. Bekannte Unternehmen wie McKinsey oder Signium International/Ward Howell setzen seit Jahren schon auf das interessante Beschäftigungsmodell. Die Ernst & Young-Gruppe beispielsweise offeriert über ihre Tochter Executive Temporary Management GmbH (ETM) in Stuttgart und Düsseldorf Management-auf-Zeit-Leistungen im kaufmännischen Bereich sowie bei Sanierungsprojekten.
Zunehmend wird das Marktsegment auch von kleineren Beratungsgesellschaften bearbeitet, beispielsweise von Spezialisten wie der ZMM Zeitmanagement München GmbH. Geschäftsführer der 1996 gegründeten ZMM ist der ehemalige Unternehmensberater Anselm Görres. „Für Top-Leute ist Interims-Management eine phantastische Chance, ihre Erfahrungen einzubringen und etwas zu bewegen,“ sagt Görres und ergänzt: „Für die Unternehmen bedeutet Management auf Zeit die Möglichkeit, von dem überaus großen und viel zu wenig genutzten Know-how dieser Persönlichkeiten zu profitieren.“
Interims-Situationen seien viel häufiger gegeben, als es den Unternehmen bewusst, sei. Görres betont aber, dass es schon auf Grund der recht hohen Kosten nicht für jede Situation die richtige Lösung ist. Im richtigen Fall könne die rechtzeitige und nachhaltige Umgestaltung eines Unternehmens ein Externer, der mit dem frischen Blick von außen an den Job herangeht, oft besser bewerkstelligen als die betriebsblinde Crew vor Ort. Ein Problem, dem Görres häufig begegnet ist, dass der Troubleshooter zu spät gerufen wird: „Nach der Feuerwehr wird meist erst dann gerufen, wenn alle mit dem Latein am Ende sind.“
Ein wichtiger Auftraggeber für externe Management-Dienstleister sind die Banken. Für die Kreditinstitute ist Management auf Zeit längst ein eingeführtes Modell. „Wenn bei Sanierungsfällen ein Interims-Manager eingesetzt wird, dann war in zwei Dritteln der Fälle die Bank die treibende Kraft“, berichtet Görres. Auch Venture Capital ist oft nur unter der Auflage zu erhalten, für begrenzte Zeit einen Profi zu engagieren. Kapitalgeber hätten in vielen Fällen nur bedingtes Vertrauen in die Geschäftstüchtigkeit von Technikern. Daher drängen sie darauf, einen erfahrenen Kaufmann hinzuzuziehen.
Erfahrung wird groß geschrieben in der Zeitmanagement-Branche. Die meisten Interims-Manager sind um die fünfzig. Handlungsorientierung ist ein Muss im Berufstand, aber auch hohe Sozialkompetenz. Auf Widerstände am Einsatzort träfen Zeitmanager daher in der Regel nicht, erklärt der Stuttgarter Personalexperte Müller. „Wer in diesem Job erfolgreich ist, hat gelernt, anfängliche Vorbehalte schnell auszuräumen.“ Gute Interims-Manager treten überzeugend auf und wirken glaubhaft. „Sie haben ein Zeitlimit, und sie wissen, dass sie die Unterstützung der Leute benötigen, mit denen sie zusammenarbeiten“, erläutert Headhunter Müller.
Der Bedarf der Wirtschaft an kurzfristig verfügbaren Führungskräften werde in Zukunft deutlich wachsen, glaubt auch Berater Görres. Um Fixkosten zu umgehen oder den Personaleinsatz bedarfsgerecht zu steuern, gebe es keine Alternative.
Vorteile
Das fortgeschrittene Alter: Schwierige Führungsaufgaben bedingen Erfahrung und persönliche Reife
In etwa 15 bis 20 % der Einsatzfälle werden Interims-Manager anschließend fest übernommen·
Als Freelancer sind Zeitmanager in ihrem Urteil und Handeln unabhängiger als Festangestellte, die insbesondere in der Probezeit sehr vorsichtig agieren
Bei Zeitmanagern zahlt der Kunde nur tatsächliche erbrachte Arbeitszeit
Das Arbeitsvolumen ist flexibel den Einsatzbedürfnissen anpassbar
Kurze Kündigungsfristen
Manager von draußen sind es gewohnt, sich rasch in Aufgaben einzuarbeiten
Sie bringen Erfahrungen aus anderen Branchen, Unternehmenskulturen und Funktionen mit ein
Sie schauen über den Tellerrand
Interims-Manager wissen, dass ihr Einsatz nur so lange währt, wie ihre Leistung überzeugt
Zeitmanager sind nicht Teil unter-nehmensinterner Seilschaften und Abhängigkeiten
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