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Der Motor allein macht keine schnelle Maschine

Antriebe: Produktives verpacken erfordert ein gesamtkonzept
Der Motor allein macht keine schnelle Maschine

Servos und Linearmotoren in Verpackungsmaschinen sind noch nicht ausgereizt. Mehr Produktivität hängt vom Gesamtkonzept ab, zu dem auch ein Condition Monitoring gehören kann.

Hohe Taktraten, eine Lebensdauer von zehn Jahren auch für Leistungselektronik, kompakte Bauweise, Unempfindlichkeit gegenüber aggressiven Medien – das sind nur einige der Anforderungen für Antriebskomponenten in der Verpackungsindustrie. „Die Erwartungen der Betreiber steigen, also müssen wir mit der Weiterentwicklung unserer Anlagen immer vorne dran sein“, sagt Gerhard Fischer, Mitarbeiter im Bereich Forschung und Entwicklung des Neutraublinger Maschinenbauers Krones AG. Für die Antriebshersteller, die den Verpackungssektor bedienen, heißt das: Mitziehen ist angesagt.

Natürlich ist es aus Anwendersicht nicht bei jeder Maschine erforderlich, sie auf Hightech zu trimmen. „Im Sektor der günstigeren Maschinen wächst aber derzeit die Konkurrenz durch Anbieter aus dem Osten – auch im Antriebsbereich“, so Dr. Michael Fiedler, Geschäftsführer der Igersheimer Alpha Getriebebau GmbH. In diesem Segment seien kaum noch Unterschiede zwischen den Produkten verschiedener Hersteller auszumachen. Leichter falle das Differenzieren, wo Hersteller den Technologie-Trumpf ausspielen: wenn es um flinke Servotechnik geht, um intelligente Antriebskomponenten oder um Linearmotoren. Wie die Antriebstechniker diese Gebiete heute angehen, zeigt sich beispielsweise auf der Nürnberger Messe Fachpack.
Dort will die Baumüller Holding GmbH & Co. KG, Nürnberg, ihre Branchenkompetenz unter Beweis stellen. „Wir können einem Maschinenbauer Automatisierungslösungen anbieten, die einfach zu handhaben sind, so dass er den Freiraum hat, sich auf seine Kernkompetenz zu konzentrieren“, sagt Walther Schuller, Branchenmanager Verpackung. Wegen der breiten Palette an Servoas lasse sich ein Antrieb sehr genau an eine spezielle Anforderung anpassen.
Selbst Linearmotoren kommen laut Schuller heute für Verpackungsmaschinen in Frage. Sie senken den Verschleiß und reduzieren den Aufwand für die Montage des Antriebs – auch wenn mancher Maschinenbauer noch Vorbehalte hat, die auf anfängliche Probleme bei der Kraftübertragung, die für den Verpackungsbereich zumeist übertriebene Präzision sowie den üblicherweise höheren Preis zurückzuführen sein könnten.
Genau in diesem Bereich aber will Baumüller gegen Vorurteile angehen. Die Nürnberger haben eine Achse mit Direktantrieb entwickelt, deren Genauigkeit an den Low-Cost-Sektor angepasst ist. „Im Vergleich zu einer Lösung mit Getriebemotor und Spindel ist diese Achse nur 20 bis 30 Prozent teurer“, erläutert Schuller. Aus dem Hightech-Bereich seien die Konstrukteure hingegen gewohnt, bei Linearmotoren den Faktor 2 oder 3 einzukalkulieren. „Und wir haben eine übergeordnete Steuerung, die sowohl die inzwischen in Verpackungsmaschinen verbreiteten Servos als auch Direktantriebe anspricht“, sagt Schuller – was ein weiterer Vorteil eines Systemangebots sei.
Wer Systeme baut, müsse Anlagen aber immer noch an die Wünsche der Betreiber anpassen können. „Branchenspezifische Software, die mechanische Funktionen abbildet, gibt uns diese Flexibilität“, so der Antriebsfachmann. Als Beispiel nennt er die Funktions-Bibliothek für Schlauchbeutelmaschinen. „Damit decken wir 80 Prozent der typischen Fälle ab, in denen eine Anpassung erforderlich ist“, erläutert er – sei es, dass eine spezielle Folie verwendet wird oder Beutel zum Produktschutz mit Luft befüllt werden.
Solche Möglichkeiten der Servotechnik sind auch aus Sicht von Alpha-Getriebebau-Geschäftsführer Dr. Fiedler ein Bereich, in dem sich Antriebe „mit gewissen Eigenschaften am Markt herausheben.“ Hohe Verfügbarkeit sowie gute Beherrschbarkeit stünden hoch im Kurs, ebenso die Umweltverträglichkeit. Letztere bezieht er auf die Laufruhe, die sich in der Produktionshalle des Betreibers auswirke. Dort spiele auch der niedrigere Energiebedarf zunehmend eine Rolle. „Über diesen Faktor sind wir in den vergangenen Jahren zu großzügig hinweggegangen“, gibt Fiedler zu, der in den Betriebskosten einer Verpackungsmaschine noch Sparpotenzial sieht. „Bisher stand bei den Antrieben immer der Preis im Vordergrund.“
Ein Mehrwert lasse sich auch mit Sensoren erzielen: bei der Kontrolle des Verpackens sowie im Sinne eines Condition Monitoring. Mit Daten aus dem Feedbacksystem des Servomotors lasse sich zwar „einiges anfangen“. Oftmals seien die Daten aber nicht hoch genug aufgelöst, um sie zum Steuern des Prozesses zu nutzen. Sobald am Antrieb zum Beispiel ein Getriebe sei, bekämen die Sensoren im Motor von den Drehmomentspitzen nicht mehr viel mit – das Getriebe wirke wie ein Filter. „Wenn Sie aber die Dichte eines Füllstoffes in der Verpackungsmaschine so steuern wollen, dass kein Material verschwendet wird, brauchen Sie sehr präzise Drehmomentinformationen. Die liefern uns Sensoren im intelligenten Antrieb TPM-IQ.“
Prototypen dieser Kombination aus Motor, Getriebe und Sensoren haben die Igersheimer schon im Einsatz. In einer High-Speed-Verpackungsmaschine für Windeln übernehmen sie sogar eine zusätzliche Aufgabe. Sie erfassen Zustandsdaten und können Veränderungen auslösen: Sobald eine Dichtung am Getriebe ihren Dienst versagt, aktiviert der Antrieb eine zweite Dichtlippe. So muss der Betreiber keinen Produktionsausfall hinnehmen, sondern tauscht die Dichtung bei der nächsten planmäßigen Wartung aus.
Abgesehen von solchen Lösungen wollen die Antriebshersteller natürlich auch ihren Beitrag zu den höheren Taktraten, zum so genannten Speed-up, leisten. Auf eine 40 bis 50 % höhere Produktivität taxiert beispielsweise Antriebsexperte Schuller das Potenzial, das sich mit Servomotoren von Baumüller erschließen lasse. Das heiße aber noch nicht, dass eine Maschine damit gleich den Turbo zuschaltet. „Die Mechanik würde vermutlich vorher Grenzen setzen“, räumt er ein.
Dass die Entwickler nicht zu sehr in eine Richtung denken dürfen, wenn sie die Produktivität steigern wollen, betont auch Alpha-Geschäftsführer Dr. Fiedler: „Es muss eine Balance zwischen Mechanik und Elektronik geben.“ Wer nur auf höhere Drehzahlen sehe und die Maschinenstruktur unverändert lasse, müsse mit Schwingungen rechnen. Dieser Effekt sei in der Praxis zu beobachten, obwohl es längst Möglichkeiten gebe – wie den Einsatz der Finite Elemente Methode –, um Maschinen in dieser Hinsicht zu verbessern. „Bei Werkzeugmaschinen wird das Instrument FEM bereits sehr professionell genutzt“, sagt Fiedler. Bei Verpackungsmaschinen sei es aber „noch ein Stiefkind“. Dabei könne man zum Beispiel eine Maschine optimieren, in der fließfähige Güter verpackt werden. Hier setzt das Verhalten der Flüssigkeiten beim Beschleunigen und Bremsen die Grenzen. Mit FEM lasse sich das gut simulieren, so dass man den Bewegungsablauf in der Verpackungsmaschine optimieren kann: in Abhängigkeit von Behälter, Füllgutkonsistenz und Füllhöhe.
Bei allen zu betrachtenden Details sind sich die Experten in einem aber einig: Jeder hiesige Maschinenbauer wird sich entscheiden müssen zwischen Produktivität, die durch Automatisierung und Hightech zu erreichen sei, und niedrigen Kosten. Die größere Chance sehen sie darin, das Technik-Know-how als Wettbewerbsvorteil zu nutzen.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Werkzeugmaschinen als Vorbild für das Optimieren
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